- Bei der letzten Zählung 2005 gab es im Südosten Thailands 14.000 Kappengibbons (Hylobates pileatus). Aktuelle Zahlen sind nicht bekannt. Die Tiere fallen der illegalen Jagd zum Opfer, die laut einer neuen Studie überall in Südostasien die größte Gefahr für Wildtiere darstellt.
- Die Gibbons werden vor allem als Wildfleisch im Thap Lan Nationalpark gewildert. Die Wilderer_innen ernähren sich von ihnen, wenn sie sich tief in den Wald wagen, um den bedrohten Palisander zu schlagen. Die Importe von „Hongmu“ (Rotholz) aus der Mekong-Region nach China hatten zwischen 2000 und 2014 schätzungsweise einen Wert von fast 2,4 Milliarden US-Dollar.
- Die unterfinanzierten und mangelhaft ausgerüsteten thailändischen Parkranger_innen haben regelmäßig Feuergefechte mit den bewaffneten Holzfäller_innen. Es wird dennoch vermutet, dass die Zahl der Gibbons weiterhin sinkt, da die Tiere leicht entdeckt werden können, wenn sie singen, und dann von den Bäumen geschossen werden.
- „Früher haben wir [den Gesang der Gibbons] oft gehört, aber jetzt hören wir sie nicht mehr so oft. Ich denke, dass das an den Leuten liegt, die in den Wald gehen, um Holz zu schlagen,“ sagte Surat Monyupanao, leitender Ranger im Thap Lan Nationalpark.
Die thailändischen Kappengibbons (Hylobates pileatus) sind einer neuen, noch größtenteils undokumentierten Gefahr ausgesetzt: Illegale Holzfäller_innen dringen tief in die Wälder der Nationalparks vor, um den vom aussterben bedrohten Thailändischen Palisander (Dalbergia Cochinchinensis) zu schlagen. Währenddessen ernähren sich die Wilderer_innen von Primaten und anderen Wildtieren. Wildhüter_innen im thailändischen Thap Lan Nationalpark haben die Massaker fotografiert, die die grausige Ausbeute der Holzfäller_innen an Gibbons und anderen Tieren zeigen.
Mit 2.200 Quadratkilometern (849 Quadratmeilen) ist Thap Lan einer von vier Nationalparks sowie ein Naturschutzgebiet, die Thailands Dong Phayayen-Khao Yai-Waldkomplex (DPKY-FC) bilden. DPKY wurde 2005 zum UNESCO-Welterbe erklärt und ist eines der letzten Gebiete Südostasiens mit einem weltweit bedeutendem dipterocarpem tropischem Tiefland-Waldökosystem. Er ist eine wichtige Hochburg für mehr als 800 Arten, darunter weltweit bedrohte und gefährdete Tiere wie Asiatische Elefanten, Kragenbären, Malaienbären, Bantengs (eine Wildrinderrasse), Nashornvögel, Plumploris, Siam-Krokodile und Malaiische Schuppentiere.
Kappengibbons, deren Zahl in Thailand, Kambodscha und Laos – den drei Arealstaaten der Spezies – rapide sinkt, stehen auf der Roten Liste für gefährdete Arten der IUCN. Es wird angenommen, dass die Populationen zwischen 1970 und 2015 über nur drei Generationen (ungefähr 45 Jahre) um über 50 % zurückgegangen sind.
Fast bis zur Ausrottung gejagt
Kappengibbons sind mittelgroße Primaten, die ungefähr fünf bis sechs Kilogramm (elf bis 13 Pfund) wiegen und in Paaren gemeinsam mit ihrem Nachwuchs leben. Die Spezies, die fast ausschließlich auf Bäumen lebt, ernährt sich vorwiegend von Früchten, denen sie mehr als 60 % ihrer Fresszeit widmet.
Wie auch andere Arten von Gibbons singen Kappengibbons in den Kronen des Walds unglaubliche Duette. Ihre himmlischen Lieder sind über mehr als 1,5 Kilometer (0,9 Meilen) hörbar. Die Weibchen fangen mit „großen Rufen“ an, während die Männchen überlappende Antworten singen. Der Naturforscher und Entdecker Alexander Henri Mouhot (1826-1861) beschrieb während seiner Expedition nach Südostasien, bei der er Tiere als Exemplare für das Natural History Museum in London sammelte, „Dschungel voll von Affen, die ihre klagenden Schreie ausstoßen“.
Heute, da die Wildtierpopulationen in den Wäldern zurückgehen, werden diese Lieder durch Stille ersetzt. Thailand beheimatet neben den Kappengibbons drei weitere Gibbonarten – den Weißhandgibbon oder Lar (Hylobates lar), den Schwarzhandgibbon (Hylobates agilis) und den Siamang (Symphalangus syndactylus) -, die jetzt alle von der IUCN als gefährdete Arten gelistet sind.
Laut der ersten weltweiten Untersuchung zum Einfluss der Jagd auf Landsäugetiere, die im Oktober 2016 in der Zeitschrift Royal Society Open Science veröffentlicht wurde, sind die südostasiatischen Gibbons eine von 301 Säugetierarten weltweit, die aufgrund der Jagd nach Wildfleisch sowie aufgrund von großräumiger kommerzieller Jagd vom Aussterben bedroht sind. Eine Studie, die im September 2016 in der Zeitschrift Conservation Biology veröffentlicht wurde, kam zu dem Schluss, dass die Jagd die „bei Weitem“ größte direkte Gefahr für Wildtiere in ganz Südostasien ist.
„Die Jagd ist die oberste Priorität, die wir in Angriff nehmen müssen,“ stimmte Rungnapa Phoonjampa zu, Gibbonforscher im Greater Mekong Programme des WWF in Thailand. Die Jagd „zerstört einfach den Lebenszyklus der Gibbons, weil sie sich sehr langsam erholen“. Gibbonpaare haben zu einem Zeitpunkt normalerweise nur einen Nachkommen, wobei das Junge für mindestens zwei Jahre bei der Mutter bleibt. Deshalb hat die Wilderei der erwachsenen Tiere die schnelle Rückgangsrate verstärkt.
„Früher haben wir [den Gesang der Gibbons] oft gehört, aber jetzt hören wir sie nicht mehr so oft. Ich denke, dass das an den Leuten liegt, die in den Wald gehen, um Holz zu schlagen,“ sagte Surat Monyupanao, seit 25 Jahren leitender Ranger im Thap Lan Nationalpark.
Kollateralschäden eines tödlichen Handels
Leider weiß niemand genau, welchen Einfluss das Jagen von Kappengibbons in den thailändischen Parks auf die Populationen hat. Das Eindringen von Holzfäller_innen, die Thailändischen Palisander schlagen, erreichte zwischen 2012 und 2014 seinen Höchststand. Ranger_innen berichten jedoch, dass die Wilderei unvermindert weitergeht.
Letztes Jahr hat die Freeland Foundation, eine Umweltschutz-NGO, die seit acht Jahren im Thap Lan Nationalpark arbeitet, mithilfe von Kamerafallen einen Anstieg der Zahlen der Wilderer_innen von 950 % über einen Zeitraum von nur drei Monaten dokumentiert.
Auch Fotos, die von den Ranger_innen des Thap Lan Nationalparks gemacht wurden, zeigen die tödlichen Folgen der Aktivitäten der Wilderer_innen – Schäden, die sich im gesamten dipterocarpen tropischen Tiefland-Waldökosystem bemerkbar machen. Es ist wahrscheinlich, dass die Holzfäller_innen Gibbons jagen. Sie können relativ leicht erschossen werden, besonders wenn sie singen.
„Wenn die Wilderer_innen in den Wald gehen, können sie alles bekommen – Gibbons sind nur eine Spezies – aber alle anderen Spezies werden ebenfalls gejagt,“ berichtete Phoonjampa.
Die illegalen Holzfäller_innen zu verfolgen und zu fassen ist keine leichte Aufgabe. Die Wilderer_innen ziehen tagelang in den Wald, um den Palisander tief in den Naturschutzgebieten zu erreichen, wo zufälligerweise auch die meisten Gibbons zu finden sind. Mit den Holzfäller_innen sollte nicht leichtfertig umgegangen werden: Sie sind oft gut bewaffnet und es kommt regelmäßig zu Feuergefechten mit Thailands unterbesetzten und mangelhaft ausgestatteten Wildhüter_innen.
Die Gibbons und andere Wildtiere, die von den Wilderer_innen als Wildfleisch gejagt werden, sind die Opfer, die am Anfang der Palisanderlieferkette stehen. Durch diesen lukrativen Schwarzhandel wurde laut der Environmental Investigation Agency (EIA) zwischen 2000 und 2014 „Hongmu“ (Rotholz) im Wert von 2,4 Milliarden US-Dollar aus der Mekong-Region nach China importiert.
Eindämmung des Palisanderhandels
Obwohl Thailändischer Palisander seit 2013 auf der Liste der Convention on Trade in Endangered Species (CITES) aufgeführt ist, geht der rege Handel auf dem südostasiatischen Schwarzmarkt aufgrund von systematischer Korruption und legalen Schlupflöchern weiter.
Aber es gibt auch gute Nachrichten: Mithilfe der CITES-Vertragsstaatenkonferenz von 2016 konnte eines der Schlupflöcher geschlossen werden. Anmerkung 5 — die die Kontrollen durch CITES ausschließlich auf den Verkauf von „Holzblöcken, Schnittholz und Furnierblättern“ beschränkte und den Handel mit allen anderen „halbfertigen“ Produkten ohne Exportgenehmigung erlaubte — hatte der illegalen Abholzung die Tür geöffnet und wurde jetzt gestrichen. Die Auswirkungen auf das Leben in Thailands Wäldern bleiben jedoch abzuwarten.
„Ja, die Streichung von Anmerkung 5 wird helfen, aber [Palisander] wird dennoch komplett abgeholzt werden, wenn China nicht bezüglich der Nachfrage hilft. Solange es Geld gibt, das in den Handel investiert wird, wird es [Wilderei] geben,“ sagte Prawatsart Jantorntep, Leiter des Thap Lan Nationalparks.
„Die Menschen müssen wissen, dass das Problem der [Wilderei] mit dem Palisander beginnt,“ stimmte Kasidis Janpradub, Gesetzeshüter im Thap Lan Nationalpark, zu. „Die chinesische Gesellschaft sollte wissen, dass die Verantwortung bezüglich der Nachfrage [nach Palisander] bei ihr liegt und sie sollte erkennen, dass es hier im Wald einen Krieg gibt, der nicht zu enden scheint.“
„Die Wilderer_innen sind arm und sie wissen, dass sie, wenn sie für 15 Tage hier in den Wald kommen, ihre Familie einen Monat lang ernähren können,“ erklärte Janpradub und fügte hinzu, dass sie „nur den Anweisungen der Leute mit Geld folgen, die sie schicken.“
Im Juni 2015 richtete das thailändische Department of National Parks, Plants and Wildlife eine Elitegruppe von Waldranger_innen, die Hasadin, ein, die die Aufgabe hat, die gewaltsame Wilderei von Thailändischem Palisander im gesamten Land einzudämmen.
Auf der Suche nach aktuellen Informationen
Alle Gibbonarten sind weltweit vom Aussterben bedroht und das Fehlen von aktuellen, umfassenden Daten bezüglich der Populationen und der Ökologie behindert Versuche, sie zu schützen.
In Südostasien werden die Bemühungen von Wissenschaftler_innen zur Erforschung der Gibbons von Habitatverlust, -trennung und -verschlechterung, die weit verbreitet sind, sowie durch die Jagd und das Fangen dieser kleinen Affen als Haustiere für Tourist_innen rasant überholt.
„Aufgrund der sich rasant verändernden Situation in ihrem gesamten Areal ist es Zeit, den Status der Kappengibbons neu zu bewerten,“ sagte Tim Redford, Schulungskoordinator der Freeland Foundation.
Bei der letzten Zählung, die 2005 in ganz Südostthailand durchgeführt wurde, gab es ca. 14.000 Kappengibbons, von denen ca. 12.000 in den vier größten zusammenhängenden Waldgebieten lebten. Die aktuellen Zahlen sind nicht bekannt.
Die Autor_innen der Studie, von 2005, die in der Zeitschrift Oryx veröffentlicht wurde, führen die niedrigen Zahlen der Kappengibbons in Gebieten, die weit von Schutzeinheiten entfernt sind, auf die Wilderei zurück und vermuten, dass ihre Zahl 25 bis 50 % geringer ist, als sie ohne menschlichen Einfluss wäre. Die Wissenschaftler_innen glauben auch, dass die Jagd die Entwaldung als größte Gefahr für die Kappengibbons in Thailand seit dem Ende des 20. Jahrhunderts abgelöst hat.
Das Fehlen aktueller Zahlen bezüglich der Population jedoch „macht es unmöglich, auf neuere oder aktuelle Gefahren zu reagieren,“ berichtete Warren Brockelman, ein Gibbonforscher und Umweltschützer, der seit mehr als vierzig Jahren in Thailand arbeitet.
Aufgrund der Geschwindigkeit der Habitatzerstörung im nahen Kambodscha – das lange als Hochburg der Kappengibbons galt – gibt es für die dortigen Kappengibbons ebenfalls keine aktuellen Populationszahlen.
„Die Dinge verändern sich sehr schnell und das System der Naturschutzgebiete ist nicht sehr stabil. Die Umweltschützer_innen haben die Situation nicht unter Kontrolle,“ sagte Brockelman. Eine Untersuchung aus 2005, die von Flora and Fauna International veröffentlicht wurde, schätzt, dass es damals in Kambodscha noch 35.000 Kappengibbons gab. Das ist allerdings elf Jahre her und die Zahlen sind seitdem mit Sicherheit gesunken. Große Konzessionen für die Agrarindustrie haben große Teile des verbleibenden Habitats Kambodschas verändert und seinen intakten sommergrünen dipterocarpen Wald – die Central Indochina Dry Forest-Ökoregion – in Ackerfläche verwandelt.
Eine Herangehensweise, die in Kambodscha einigen Erfolg hat, ist die direkte Einbeziehung der Bevölkerung in den Umweltschutz, wobei neue Technologien genutzt werden, wie beispielsweise SMART (Spatial Monitoring and Reporting Tool), eine effektive Methode des Patrouillierens und der Durchsetzung der Gesetze in Naturschutzgebieten.
Laut Brockelman könnte es auch Hoffnung auf die Erholung der thailändischen Gibbons geben. Die intakten Wälder des Landes haben noch „Aufnahmefähigkeiten“ für viel größere Kappengibbonpopulationen. Durch Untersuchungen des Zusammenhangs zwischen Gibbondichte und Waldeigenschaften haben Brockelman und andere Wissenschaftler_innen herausgefunden, dass die zwei wesentlichen Anzeichen für eine große Zahl von Gibbons in den wilden Gegenden Thailands der Anteil der immergrünen Bewaldung und die Entfernung zu einer Begrenzung oder Straße sind.
„Wenn wir die [aktuelle] Zahl der Gibbons kennen würden, könnte [uns] das helfen herauszufinden, auf welche [geografischen] Regionen wir uns konzentrieren sollten, um ausgedehnte Patrouillen durchzuführen oder [wo] wir unsere Umweltschutzmaßnahmen verstärken sollten, um diese Spezies zu retten,“ sagte Phoonjampa. „Ich würde gerne eine [neue] Untersuchung durchführen, um zu beurteilen, wie es der Kappengibbonpopulation geht, aber es ist schwierig Förderungen zu erhalten, um Arten zu erforschen, die keinen Symbolcharakter haben, wie Elefanten oder Tiger.“
Leider macht die Anwesenheit bewaffneter Holzfäller_innen eine solche aktualisierte Untersuchung höchst unwahrscheinlich, jedenfalls für den Moment. Akustische Untersuchungen zur Berechnung der Populationsdichte der Gibbons erfordern normalerweise zwei bis drei Forscher_innen, die tief in die Wälder des Nationalparks gehen, für einige Tage dort kampieren und den Rufen der Gibbons, die sich in den Baumkronen bewegen, folgen und diese aufnehmen. „Es wäre ziemlich gefährlich und ich denke nicht, dass es sicher wäre, das jetzt in Thap Lan zu machen,“ schlussfolgerte Redford.