Kobaltflügelsittiche an einer Lehmlecke im Yasuni Nationalpark. Immer größere Abschnitte dieses Parks werden von der Regierung Ecuadors zur Erdölförderung freigegeben. Foto: Jeremy Hance.
Die Welt liebt Ihre Schutzgebiete. Das zeigt eine neue Studie in der frei zugänglichen Fachzeitschrift “PLoS Biology”. Wissenschaftler aus den USA und Großbritannien schätzen, dass Schutzgebiete jährlich rund 8 Billionen Besucher erhalten. Ausgehend von der momentanen Weltbevölkerung von aktuell 7,2 Milliarden, besucht daher jeder Mensch durchschnittlich 1,1 Schutzgebiete pro Jahr. Die Wissenschaftler fanden weiter heraus, dass die weltweit 140 000 Schutzgebiete mindestens $600 Milliarden USD zu ihrer jeweiligen nationalen Wirtschaft beigetragen haben.
“Es ist wunderbar zu sehen, dass Menschen Schutzgebiete so häufig besuchen und dass das Erlebnis der unberührten Natur so einen hohen Stellenwert in ihrem Leben zu haben scheint – das zeigt uns, dass die Natur den Menschen wichtig ist und das ist ein Grund zum Feiern,” sagt der Hauptautor der Studie Andrew Balmford von der Cambridge University.
Doch selbst diese beeindruckenden Zahlen sind nur eine Schätzung und die Wissenschaftler geben zu bedenken, dass die tatsächlichen Zahlen weitaus höher liegen könnten. Als Grundlage ihrer Berechnungen dienten den Wissenschaftlern Daten von 550 Schutzgebieten auf der ganzen Welt. Diese haben sie dann auf die weltweit 140 000 Nationalparks und Naturschutzgebiete hochgerechnet. Dabei basierten sie die Anzahl der Besucher auf Größe, Zugänglichkeit und wirtschaftliche Lage des jeweiligen Gebiets.
Balmford beschreibt sein Modell als “eingeschränkt” aber “momentan das Beste, was wir haben.” Meeresschutzgebiete, die Antarktis, sehr kleine Naturschutzgebiete und Kategorie I Schutzgebiete, die generell nicht für den normalen Tourismus zugänglich sind, schloss das Team aus seinen Berechnungen aus.
Die Wissenschaftler berechneten, dass die meistbesuchten Gebiete in Nordamerika liegen – mit ungefähr drei Milliarden Besuchern jährlich – und die am wenigsten besuchten in Afrika – mit ungefähr 100 000 jährlich. Zusammengerechnet erhalten Nordamerika und Europa ungefähr 80% aller Besuche.
Pantherchamäleon im Ankarana Reservat in Madagaskar. Ökotourismus leistet einen wichtigen wirtschaftlichen Beitrag für den wirtschaftlich benachteiligten Inselstaat. Foto: Rhett A. Butler.
Die Wissenschaftler fanden weiterhin heraus, dass Regierungen sehr viel weniger Geld für Schutzgebiete ausgeben als eigentlich gebraucht wird.
“Die berechneten $600 Milliarden USD, die Schutzgebiete jährlich durch Tourismus einnehmen liegen höchstwahrscheinlich weit unter den tatsächlichen Einnahmen – aber im Gegensatz zu den weniger als $10 Milliarden USD, die jährlich zum Schutz und Erhalt dieser Gebiete ausgegeben werden, ist das eine sehr beachtliche Summe,” sagt Co-Autor Robin Naidoo vom WWF. “Anhand vorangegangener Studien wissen wir, dass das bestehende Netzwerk an Naturschutzgebieten wahrscheinlich drei oder viermal so viel benötigt,wie momentan dafür ausgegeben wird.”
Und tatsächlich, aktuelle Forschungen zeigen, dass 50-80 Prozent der weltweit existierenden Schutzgebiete (einschließlich Meeresschutzgebiete) unterfinanziert sind oder schlecht verwaltet werden.
Natürliche bringen Naturschutzgebiete sehr viel mehr als nur Einnahmen durch Tourismus. Sie leisten auch ihren Beitrag zum Schutz bedrohter Arten, speichern gewaltige Mengen an Kohlendioxid, schützen Trinkwasserquellen und bieten, Studien zufolge, wichtige Vorteile für Psyche, Spiritualität und Kultur.
“Trotzdem werden viele [Schutzgebiete] durch fortschreitende Übergriffe benachbarter Landwirte und illegale Ernten zerstört. Manche werden dabei sogar endgültig ausgelöscht. Es ist an der Zeit, dass die Regierungen Schutzgebiete angemessen fördern,” bestätigt Balmford.
In den vergangenen Jahren wurden außerdem viele Schutzgebiete aufgehoben, verkleinert oder abgewertet, meist mit dem Ziel, Rohstoffe durch Abholzen, Berg- und Tagebau, Landwirtschaft oder Öl- und Gasextraktion abzubauen. Manche Länder haben sogar begonnen, offen gegen Schutzgebiete vorzugehen. So hat sich zum Beispiel die Regierung Australiens dazu verpflichtet, keine neuen Naturschutzgebiete einzurichten und hat versucht – allerdings ohne Erfolg – Teil eines Gebiets, dass als UNESCO Weltkulturerbe klassifiziert ist, zur Abholzung freizugeben. Auch in den USA hat das Repräsentantenhaus ein Gesetz verabschiedet, das die Möglichkeiten eines Präsidenten neue Schutzgebiete einzurichten stark einschränken würde. Es ist allerdings unwahrscheinlich, dass Obama dem zustimmen wird.
“Die sich ausweitende Krise der Ausrottung aufzuhalten ist durchaus bezahlbar,” sagt Balmford. “Drei Monatsgewinne von Apple könnten beispielsweise einen wesentlichen Beitrag zur Zukunft des Naturschutzes leisten. Die Menschheit braucht keine elektronischen Kommunikationsmittel, um zu überleben. Aber wir brauchen diesen Planeten.”
Apple hatte im letzten Quartal 2014 Gewinne von $18 Milliarden USD, die höchsten, die eine öffentlich Aktiengesellschaft bis dato verzeichnet hat.