Fotos von National Geographic zeigen, wie breit der sogenannte „Flowline-Korridor“ wirklich ist. Foto © Karla Gachet. Zum Vergrößern auf das Bild klicken.
Als die ecuadorianische Regierung einem Ölkonzern die Genehmigung für Ölbohrungen in einem Gebiet des Yasuní-Nationalparks, das als Block 31 bekannt ist, erteilte, geschah dies unter der Bedingung, dass dafür keine Zufahrtsstraßen gebaut werden würden. Stattdessen sollte der Großteil der Transportwege mit Hubschraubern zurückgelegt werden. Ein neuer Bericht der auf hochauflösenden Satellitenaufnahmen basiert, zeigt jedoch, dass das fragliche Unternehmen, Petroamazonas, diese Bedingungen missachtet, eine breite Zufahrtsstraße und mindestens eine dauerhafte Brücke errichtet und mehr Wald gerodet hat als erlaubt. Diese Erkenntnis ist von besonderer Bedeutung, da Petroamazonas erst im Mai 2014 eine zusätzliche Bohrgenehmigung für den heiß umkämpften Ishpingo-Tambococha-Tiputinin (ITT) Block im Yasuní-Nationalpark zugesprochen wurde, und zwar unter denselben Bedingungen, denen zufolge keine Zufahrtsstraßen durch den Regenwald gebaut werden durften.
„Das [ecuadorianische] Umweltministerium muss von Petroamazonas eine Erklärung darüber einfordern, wie [und] warum der Konzern so offensichtlich gegen die Bedingungen der Umweltverträglichkeitsstudie und der Lizenz verstoßen hat“, verlangte der Koautor dieses Berichtes, Matt Finer von der Amazon Conservation Association, gegenüber mongabay.com.
Die derzeitige Situation geht auf das Jahr 2005 zurück, als das ecuadorianische Umweltministerium beschloss, dass für die Erdölförderung in Block 31 keine breiten Straßen durch den Regenwald gebaut werden durften. Diese Entscheidung wurde jedoch erst nach jahrelangem Druck von Wissenschaftlern und Experten wie Finer getroffen, die davor warnten, dass der Bau von Straßen tief in diesem Nationalpark den Weg für illegale Siedler bereiten und eine Abholzungswelle auslösen würde, wie dies schon so oft der Fall gewesen war.
hochauflösende Satellitenaufnahme zeigt einen großen Lastwagen auf einer Zufahrtsstraße zu den Ölfördergebieten. Bild mit freundlicher Genehmigung von Finer, Pappalardo, Ferrarese, De Marchi (2014). |
Im Jahr 2007 genehmigte die Regierung eine Umweltverträglichkeitsstudie (UVS), die den Verzicht auf die Errichtung von Zufahrtsstraßen vorsah. Dabei sollte die Ausrüstung mit Hubschraubern ein- und ausgeflogen und nur eine schmale Schneise für die Ölpipeline durch den Regenwald geschlagen werden, die als „Flowline-Korridor“ bezeichnet wird. Zu diesem Zeitpunkt ging die Fördergenehmigung an einen anderen Ölkonzern, nämlich Petrobras. 2009 übergab dieses Unternehmen die Konzession jedoch an Petroamazonas. Allerdings erklärte sich Petroamazonas durch die Übernahme der Konzession auch zur Einhaltung der damit verbundenen Bedingungen bereit.
„Die Wissenschaftler wollten natürlich keine neuen Ölprojekte in Yasuní. Doch es war gut zu wissen, dass zumindest keine Straßen gebaut werden würden, falls es doch dazu käme. Aus diesem Grund war es ein großer Schock für uns, als wir im Jahr 2012 die ersten Berichte darüber erhielten, dass der Konzern Petroamazonas, der den Block übernommen hatte, dabei war, eine Straße anzulegen. Diese Berichte stammten von Reportern und Fotografen des National Geographic“, berichtete Finer.
Ein bedeutender Bericht über den Yasuní-Nationalpark im Magazin „National Geographic“ führte dazu, dass Luftaufnahmen von dem abgelegenen Block 31 gemacht wurden, die breite Straßen durch den Regenwald zu zeigen schienen.
„Diese Luftaufnahmen waren nicht ganz eindeutig, da sie aufgenommen wurden, als gerade der „Flowline-Korridor“ errichtet wurde. Daher wirkte natürlich alles noch provisorisch“, so Finer. „Also beschlossen wir, hochauflösende Aufnahmen zu kaufen und uns die Lage ein Jahr später, im September 2013, erneut anzusehen. Diese Bilder bestätigen, dass es sich um eine Zufahrtsstraße handelt, da auf ihr viele Fahrzeuge zu sehen sind und dauerhafte Konstruktionen wie Brücken und Abzugskanäle errichtet wurden.“
Karte der Ölförderblöcke in Yasuní mit freundlicher Genehmigung von Finer, Pappalardo, Ferrarese, De Marchi (2014).
Bei der Analyse der hochauflösenden Aufnahmen dieses Gebietes stellten Finer und seine Kollegen fest, dass Petroamazonas gegen einige der im Vertrag festgelegten Auflagen verstoßen hatte. Dem Bericht zufolge verwende der Ölkonzern den „Flowline-Korridor“ als wichtige Zufahrtsstraße. Im Schnitt ist dieser Korridor 2,5-mal breiter als in der Umweltverträglichkeitsstudie gefordert, und an 94 Prozent der Strecke ist er breiter als das festgelegte Maximum von 15 Metern. Nur ein Prozent der Straße ist weniger als zehn Meter breit und entspricht damit der Breite, die in der Umweltverträglichkeitsstudie empfohlen wurde. Darüber hinaus erlaubte die Regierung Petroamazonas, 94,5 Hektar Regenwald abzuholzen, doch tatsächlich rodete der Konzern mehr als 163 Hektar, was die genehmigte Rodungsfläche um 72 Prozent übersteigt. Schließlich schrieb die Umweltverträglichkeitsstudie vor, dass keine dauerhaften Brücken errichtet werden durften, sondern nur Holzkonstruktionen, die leicht wieder entfernt werden konnten. Die Satellitenaufnahmen zeigen jedoch zumindest eine breite Stahlbrücke über den Pindoyacu-Fluss.
Die Erkenntnis, dass Petroamazonas gegen einige der Bedingungen für die Lizenz zur Ölförderung in Block 31 verstoßen hatte, wurde zu einem Zeitpunkt bekannt, als die Regierung dem Ölkonzern gerade eine Bohrlizenz für den noch umstritteneren ITT-Block erteilt hatte, der sich über 100.000 Hektar (10 Prozent des Parks) erstreckt.
Der ITT-Block am westlichen Rand des Parks, der als artenreichster Ort der Welt bekannt ist, stand im Zentrum eines neuen Naturschutzexperiments, das jedoch scheiterte.
Fahrzeuge auf einer Zufahrtsstraße durch den Yasuní-Regenwald, die gegen die Lizenz der Regierung verstößt. Bild mit freundlicher Genehmigung von Finer, Pappalardo, Ferrarese, De Marchi (2014). |
Im Jahr 2007 erklärte die ecuadorianische Regierung, dass sie auf die Ölförderung im ITT-Block verzichten würde, wenn die internationale Staatengemeinschaft eine Entschädigung in der Höhe von 3,6 Milliarden US-Dollar leisten würde, was der Hälfte der erwarteten Einnahmen aus der Ölförderung entspricht. Dieser Vorschlag, der als Yasuní-ITT-Initiative bekannt ist, wurde als Chance angepriesen, um dem Klimawandel entgegenzuwirken, da 846 Millionen Barrel Erdöl im Boden belassen würden. Außerdem würde er die Möglichkeit bieten, den Artenreichtum zu erhalten und indigene Völker zu schützen, die in freiwilliger Isolation leben. Diese Initiative war jedoch umstritten, denn einige Umweltschützer waren der Meinung, dass sie einer Erpressung gleichkäme, während viele andere sie für eine der innovativsten und vielversprechendsten Umweltschutzinitiativen der Gegenwart hielten.
Im Jahr 2013 erklärte die Regierung die Initiative jedoch für gescheitert, nachdem die internationale Gemeinschaft nur 330 Millionen US-Dollar – weniger als 10 Prozent der Gesamtsumme – zugesichert hatte. Doch dies bedeutete noch nicht das Ende dieses Vorhabens. Aktivisten in ganz Ecuador sammelten rund 850.000 Unterschriften für ein landesweites Referendum über die Frage, ob im ITT-Block Erdöl gefördert werden sollte oder nicht. Im Mai 2014 erklärte der Nationale Wahlrat Ecuadors jedoch über 60 Prozent der Unterschriften für ungültig, da es sich bei den meisten angeblich entweder um Wiederholungen oder um Fälschungen handelte. Zwei Wochen später erteilte die Regierung Petroamazonas eine Bohrlizenz, die an dieselben Bedingungen geknüpft war wie jene für Block 31.
Finer zufolge müsse die ecuadorianische Regierung jedoch aufgrund der neuen Erkenntnisse über die Vorgehensweise des Ölkonzerns in Block 31 „ihre kürzliche Entscheidung, dieselbe Art von Lizenz für ITT zu gewähren, sofort überdenken.“
Inzwischen versuchen Aktivisten, die dem Nationalen Wahlrat „Betrug“ vorwerfen, diese Entscheidung anzufechten.
Foto der geheimen Zufahrtsstraße im Ölförderblock 31 in Yasuní. Foto © Ivan Kashinsky. Zum Vergrößern auf das Bild klicken.
Citations:
- Finer, Pappalardo, Ferrarese, De Marchi (2014) High Resolution Satellite Imagery Reveals Petroamazonas Violated Environmental Impact Study by Building Road into Yasuní National Park.