Hurrikan Sandy am 25. Oktober in der Karibik. Wissenschaftler glauben, dass Hurrikan Sandy durch den Klimawandel noch verstärkt wurde. Die Ursachen dafür waren der Anstieg des Meeresspiegels und die höhere Wassertemperatur, die zur Folge hatte, dass mehr Wasser verdampfen konnte. Aktuelle Studien prognostizieren, dass solche Stürme in Zukunft durch die Folgen des Klimawandels noch verheerender ausfallen könnten. Foto: NASA
Ein neuer Bericht der Weltbank zeichnet ein düsteres Bild des Lebens auf der Erde in 80 Jahren: Die globalen Durchschnittstemperaturen sind um 4 Grad Celsius angestiegen, was einen dramatischen Anstieg des Meeresspiegels und verheerende Dürrekatastrophen zur Folge hat. Die Landwirtschaft ist einer ständigen Bedrohung ausgesetzt; Wirtschaften sind zum Erliegen gekommen; Küstenstädte haben immer wieder mit Flutkatastrophen zu kämpfen; Korallenriffe werden durch die Übersäuerung der Meere zerstört und weltweit sterben unzählige Arten aus. Dieses Zukunftsszenario steht uns der Weltbank zufolge bevor, selbst wenn alle Länder der Welt ihre Versprechen zur Reduktion der Treibhausgasemissionen einhalten würden. Sie weist jedoch auch darauf hin, dass durch schnelles und entschiedenes Handeln immer noch sichergestellt werden könne, dass die globalen Temperaturen nicht um mehr als 4 Grad ansteigen.
„Eine Welt, in der die Temperaturen gegenüber vorindustriellen Zeiten um 4 Grad ansteigen, […] würde von noch nie dagewesenen Hitzewellen, verheerenden Dürren und gewaltigen Überschwemmungen in vielen Regionen heimgesucht werden, was schlimme Folgen für die Menschen, die Ökosysteme und damit in Verbindung stehende Ökosystemleistungen haben würde“, heißt es in diesem Bericht. Außerdem warnt der Bericht, dass „die Gefahr von Ernteausfällen durch die Erderwärmung rapide ansteigen wird.“
Im Bericht mit dem Titel „Turn Down the Heat“ wird festgestellt, dass es kein Gebiet auf der Erde gibt, das nicht vom Klimawandel betroffen sein werde. Die ärmsten Regionen werden jedoch am meisten darunter zu leiden haben.
„Wenn wir jetzt nichts gegen den Klimawandel unternehmen, besteht die Gefahr, dass die Welt, die wir unseren Kindern überlassen, nicht mehr dieselbe sein wird wie wir sie heute kennen“, warnte der Präsident der Weltbankgruppe, Jim Yong Kim. Er forderte, dass die Erderwärmung 2 Grad Celsius nicht übersteigen dürfe. Kim, ein Mediziner und Anthropologe, ist der erste Wissenschaftler, der die Weltbank leitet. „Der Klimawandel ist eine der größten Herausforderungen für die Entwicklung, und wir müssen die moralische Verantwortung dafür übernehmen, im Namen kommender Generationen zu handeln, besonders für die Ärmsten“, so Kim.
Reisfelder in der Demokratischen Volksrepublik Laos. Einem neuen Bericht der Weltbank zufolge wird die Landwirtschaft durch den Klimawandel immer öfter mit extremen Wetterphänomenen zu kämpfen haben, wie z.B. Dürren, Hitzewellen, Flutkatastrophen und Überschwemmungen von Küstengebieten. Foto: Rhett A. Butler |
Als Beispiel schildert der Bericht auf erschütternde Weise, wie sich Hitzewellen in einer um 4 Grad wärmeren Welt ausbreiten könnten.
„Hitzewellen wie jene in Russland im Jahr 2010 werden bei einer Erwärmung um 4 Grad wahrscheinlich der neue Normalzustand im Sommer sein“, schreiben die Autoren des Berichtes. „Der zu den Tropen zählende Teil Südamerikas, Zentralafrika und alle tropischen Inseln im Pazifik könnten regelmäßig unter Hitzewellen von bis dato unbekanntem Ausmaß und noch nie dagewesener Dauer zu leiden haben. Bei diesen neuen Klimabedingungen kann davon ausgegangen werden, dass sogar die kältesten Monate erheblich wärmer sein werden als die wärmsten Monate am Ende des 20. Jahrhunderts.“
Außerdem werde bis zum Ende dieses Jahrhunderts der Meeresspiegel um mindestens 0,5 bis einen Meter steigen, Korallenriffe und viele andere Meeresorganismen könnten aussterben und viele landwirtschaftlich genutzte Gebiete müssten aufgrund des steigenden Meeresspiegels und der sich ausbreitenden Dürre aufgegeben werden.
Die Autoren des Berichtes warnen auch davor, dass Anstrengungen zur Anpassung an den Klimawandel bei einem Anstieg der Durchschnittstemperatur um 4 Grad nicht ausreichen könnten, was vor allem auf die Gefahr der Überschreitung von Kipp-Punkten im Klimasystem zurückzuführen sei.
„Es gibt […] keine Garantie dafür, dass die Anpassung an eine um 4 Grad wärmere Welt möglich ist“, so die Autoren.
„Die Reaktion des Klimasystems der Erde auf Klimaveränderungen scheint nicht linear zu sein“, erklärte Hans Joachim Schellnhuber, der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), das gemeinsam mit der Berliner Organisation Climate Analytics den Bericht für die Weltbank erstellt hat. „Wenn wir die 2-Grad-Grenze weit überschreiten und uns der 4-Grad-Grenze nähern, erhöht sich das Risiko, Kipp-Punkte zu überschreiten, dramatisch. Der einzige Weg, dies zu vermeiden, ist ein Bruch mit den bisherigen Mustern von Produktion und Konsum.“
Es sei noch nicht zu spät, um das im Bericht beschriebene Szenario abzuwenden, wenn sich alle Länder zu „frühem, gemeinsamem und internationalem Handeln“ verpflichten würden, so die Autoren.
Um dies zu erreichen, schlägt die Weltbank unter anderem vor, die eine Billion Dollar umfassenden Subventionen für die Gewinnung fossiler Brennstoffe zu streichen, nationale Preise für Kohlendioxidemissionen festzulegen und international mit Emissionsrechten zu handeln, die Energieeffizienz zu erhöhen, erneuerbare Energien zu fördern und Ökosystemleistungen in die globale Wirtschaft zu integrieren.
„Die Welt muss entschiedener gegen den Klimawandel vorgehen“, fügte Kim hinzu. „Wir brauchen eine globale Antwort, die dem Ausmaß des Klimawandels gerecht wird, eine Antwort, die uns zu intelligenter Entwicklung im Klimabereich sowie zu gemeinsamem Wohlstand führt. Aber die Zeit wird knapp.“
Umweltschützer haben jedoch schon lange kritisiert, dass die Weltbank, die Kredite an Entwicklungsländer vergibt, ein Teil des Problems sei. Im Laufe ihrer Geschichte habe sie nämlich immer wieder Projekte zur Gewinnung fossiler Brennstoffe finanziert. Um dieser Kritik entgegenzuwirken, erklärte die Weltbank im Jahr 2011, dass sie Projekte zum Abbau von Kohle nur noch in den ärmsten Ländern der Welt fördern würde, und auch nur dann, wenn alternative Energiequellen nicht in Frage kämen. Viele wünschen sich jedoch, dass die Weltbank mehr gegen den Klimawandel unternimmt, und hoffen, dass Kim die Bank in diese Richtung lenken wird.
„Die Weltbank und ihre Mitgliedsregierungen haben die Möglichkeit, einen fairen Übergang in eine sauberere, sicherere und gerechtere Zukunft zu finanzieren. Der WWF hofft, dass dieser Bericht ein erster Schritt in diese Richtung ist“, erklärte Samantha Smith, die Leiterin der globalen Klima- und Energieinitiative des WWF.
Kurz vor der Publikation dieses Berichtes wurde eine Studie der Internationalen Energieagentur (IEA) veröffentlicht, die besagt, dass zwei Drittel der bekannten fossilen Brennstoffreserven im Boden bleiben müssten, wenn die Welt eine 50-prozentige Chance haben soll, eine Erwärmung um zwei Grad nicht zu überschreiten. Beide Berichte erschienen kurz vor Beginn der UN-Klimakonferenz in Doha, Katar. Doch auch die ständigen Warnungen und die bereits sichtbaren Auswirkungen des Klimawandels auf der ganzen Welt – wie etwa ein Rekordrückgang des arktischen Meereises, der sogar die pessimistischsten Wissenschaftler schockierte – machten einen Durchbruch auf dieser Konferenz nicht wahrscheinlicher.