Honigbienen in einem Bienenhaus in Deutschland. Foto: Björn Appel
Immer mehr Beweise sprechen dafür, dass häufig verwendete Pestizide zum Teil am Rückgang der Bienenpopulationen schuld sein könnten. So belegen etwa mehrere aktuelle Studien, dass eine Gruppe von Pestiziden, die als Neonicotinoide bekannt sind, langfristig gesehen negative Auswirkungen auf Bienenvölker haben. Der Einsatz dieser Schädlingsbekämpfungsmittel könne beispielsweise dazu führen, dass es weniger Bienenköniginnen gibt und dass sich Arbeiterinnen bei der Nahrungssuche verirren. In manchen Fällen könne es sogar zum Sterben ganzer Bienenvölker kommen. Die Ergebnisse dieser Studien waren so überzeugend, dass Frankreich vor kurzem die Verwendung neonicotinoid-haltiger Pestizide verboten hat. Und nun belegt eine weitere Studie die negativen Auswirkungen von Pestiziden. Sie zeigt nämlich unter anderem, dass jene Bienen, die mit mehreren Chemikalien, etwa Neonicotinoiden und Pyrethroiden, in Berührung kommen, am gefährdetsten sind.
In der Landwirtschaft werden Pestizide nicht in einer kontrollierten Umgebung versprüht, daher sind Insekten wie etwa Bienen oft nicht nur einem Schädlingsbekämpfungsmittel ausgesetzt, sondern sie kommen mit einem Cocktail verschiedener Chemikalien in Kontakt. Aus diesem Grund wollten Forscher an der University of London herausfinden, was geschieht, wenn Bienen, deren Bestand in vielen Teilen der Welt zurückgegangen ist, nicht nur mit einem, sondern mit einem Mix aus verschiedenen Schädlingsbekämpfungsmitteln in Berührung kommen.
Die Wissenschaftler teilten 40 Hummelvölker in vier Gruppen. Einer Gruppe verabreichten sie Imidacloprid, ein Pestizid, das zur Gruppe der Neonicotinoide gehört. Der zweiten Gruppe verabreichten sie Gamma-Cyhalothrin, das zu den Pyrethroiden zählt. Die dritte Gruppe wurde beiden Pestiziden ausgesetzt, während die letzte Gruppe mit keinem Schädlingsbekämpfungsmittel in Kontakt kam. Die Menge der Pestizide, der die Hummeln ausgesetzt wurden, entspricht jener, die häufig in ihren natürlichen Lebensräumen vorkommt. Anschließend wurden die Insekten mit RFID-Mikrochips versehen und beobachtet.
Die Forscher stellten fest, dass jene Hummelvölker, die mit Imidacloprid in Berührung gekommen waren, in vier Wochen 41 Prozent ihrer Arbeiterinnen verloren, im Vergleich zu 30% in den Kontrollgruppen. Insgesamt wurde die Produktivität der Arbeiterinnen verringert, wodurch die Hummeln weniger Nahrung zur Verfügung hatten. Aus diesem Grund konnten sich weniger Larven zu ausgewachsenen Hummeln entwickeln. Diese Erkenntnisse werden durch frühere Studien bestätigt. Bei jenen Hummeln, die nur mit Gamma-Cyhalothrin in Kontakt gekommen waren, war die Sterberate der Arbeiterinnen sogar noch höher und betrug 51 Prozent. Am schlimmsten erging es jedoch den Hummeln, die beiden Chemikalien ausgesetzt waren, denn sie verloren 69 Prozent der Arbeiterinnen. Bei zwei der zehn Hummelvölker in dieser Gruppe kam es in nur vier Wochen sogar zum Völkerkollaps.
„Es ist zweifellos Besorgnis erregend, dass die Kombination dieser Pestizide in der Natur solch schlimme Folgen haben könnte […] wir haben nur zwei Pestizide untersucht, aber wir wissen, dass es hunderte verschiedener Schädlingsbekämpfungsmittel gibt“, erklärte Richard Gill, der Hauptautor der Studie, in einem Video auf der Website der Fachzeitschrift „Nature“.
Außerdem ist es wahrscheinlich, dass Bienen durch die Auswirkungen von Pestiziden anfälliger für andere Bedrohungen wie z.B. Krankheiten werden könnten.
Frühere Forschungsergebnisse belegen auch, dass es bei Bienenvölkern, die Pestiziden ausgesetzt sind, innerhalb von Monaten zum Völkerkollaps kommen kann. Wissenschaftler in den USA verabreichten Bienen aus 16 Bienenstöcken kleine Mengen neonicotinoider Pestizide, während vier Bienenvölker nicht damit in Berührung kamen. In den ersten Monaten blieben alle Bienenvölker gesund. Nach etwa sechs Monaten waren jedoch über 90 Prozent bzw. 15 der 16 den Pestiziden ausgesetzten Bienenvölker kollabiert, während die vier Kontrollvölker weiterhin gesund blieben.
„Es steht außer Frage, dass Neonicotinoide eine enorme Bedrohung für das Überleben der Honigbienen in der Natur darstellen“, erklärte der Hauptautor Chensheng (Alex) Lu, ein außerordentlicher Professor an der Harvard School of Public Health, mongabay.com im April diesen Jahres.
Wissenschaftler haben lange gebraucht, um eine Verbindung zwischen Pestiziden und deren Auswirkungen auf Bienen herzustellen. Dies ist zum einen auf die Art und Weise zurückzuführen, wie Agrarchemikalien getestet werden. Bei Testverfahren wird untersucht, ob Pestizide tödlich sind, also ob sie nützliche Insekten wie etwa Bienen sofort töten. Dabei werden jedoch jene Auswirkungen der Pestizide außer Acht gelassen, die die Bienen nicht sofort töten, ihnen aber langfristig schaden. Ein weiteres Problem besteht darin, dass solche Tests nur über einen kurzen Zeitraum durchgeführt werden, während die Auswirkungen der Pestizide auf Bienen oft erst nach Wochen oder sogar Monaten sichtbar werden. Dieses Bild wird noch unüberschaubarer, wenn man bedenkt, dass Bienen durch den Kontakt mit Pestiziden anfälliger für andere bekannte Bedrohungen, wie z.B. Krankheiten und die Zerstörung ihres Lebensraums, werden könnten.
Der Rückgang der Bienenpopulation ist Besorgnis erregend, da Bienen weltweit zu den wichtigsten Bestäubern sowohl für Nutz- als auch für Wildpflanzen zählen. Einige Imker in Nordamerika und Europa haben bereits 90 Prozent ihrer Bienenvölker verloren. Solche periodisch auftretenden Massensterben von Bienen haben sich auch schon in der Vergangenheit ereignet und wurden wahrscheinlich durch Krankheiten ausgelöst, doch die momentane Krise scheint um vieles schlimmer zu sein. Der wirtschaftliche Wert der Honigbienen wird allein in den USA auf 8-12 Milliarden Dollar geschätzt.
QUELLEN:
Chensheng Lu, Kenneth M. Warchol, Richard A. Callahan. In situ replication of honey bee colony collapse disorder. Bulletin of Insectology. 2012.
Gill, Richard J.; Ramos-Rodriguez, Oscar; Raine, Nigel E. Combined pesticide exposure severely affects individual- and colony-level traits in bees. Nature. 2012. http://dx.doi.org/10.1038/nature11585.