2010: José Cláudio Ribeiro da Silva spricht auf der Internet-Plattform TEDx Amazon, nur wenige Monate, bevor er und seine Ehefrau infolge ihres Aktivismus umgebracht werden.
Am 24. Mai 2011 wurden der Regenwald-Aktivist José Cláudio Ribeiro da Silva und seine Frau Maria do Espírito Santo da Silva im brazilianischen Bundesstaat Pará im Hinterhalt erschossen. Der durch seinen Aktivismus bekannte José Cláudio Ribeiro da Silva hatte die illegale Abholzung in Pará, wo die Entwaldung bereits weit fortgeschritten ist, jahrelang öffentlich kritisiert. Da Silvas Mörder haben ihm sogar die Ohren abgeschnitten – eine weitverbreitete Praxis unter Brasiliens Attentätern als Loyalitätsbeweis gegebüber ihre Auftragggebern. Weniger als ein Jahr vor seinem Tod hat da Silva in einer Ansprache bei TEDx davor gewarnt, dass „ich jederzeit eine Kugel in den Kopf bekommen kann … weil ich die Holzfäller und Holzkohle-Förderer verurteile.“
Sich für die Landrechte im Heimatland, die Wälder oder die Umwelt einzusetzen, ist in vielen Teilen der Erde unglaublich gefährlich geworden. Einer neuen Statistik von Global Witness zufolge wurden 711 Aktivisten, Journalisten und Gemeindemitglieder im Kampf um ihre Landrechte und den Schutz ihres Regenwaldes zwischen 2002 und 2011 getötet. Und die Tendenz ist steigend: Allein im letzten Jahr wurden 106 Menschen im Kampf um Land und Regenwald ermordet. Das ist die höchste Anzahl in den letzten zehn Jahren.
„Diese Entwicklung deutet auf einen immer verbitterten globalen Kampf um Ressourcen hin und sollte die Abgeordneten in Rio in höchstem Maße alamieren. Mehr als eine Person pro Woche wird im Kampf um Landrechte und den Schutz des Regenswaldes um ihr Leben gebracht“, sagte Billy Kyte, Umweltaktivist bei Global Winess , in einer Pressekonferenz und wendete sich damit an die Vertreter des Uno-Gipfeles Rio+20, die diese Woche zusammenkommen.
Die Statistik katalogisiert alle Todesfälle, die während Ermittlungen um oder Protestaktionen gegen Aktivitäten in beispielsweise Bergbau, Forstwirtschaft, Landwirtschaft, Viehwirtschaft, Baumpflanzung, Dammbau, Stadtentwicklung und Wilderei auftraten. In dem Bericht wird ferner angemerkt, dass „diese Entwicklungen symptomatisch für den zunehmend erbitterten Wettkampf um Ressourcen sowie der damit einhergehenden Brutalität und Ungerechtigkeit sind.“
In Brasilien traten allein mehr als die Hälfte der von Global Witness dokumentierten Mordfälle auf, insgesamt 365 Mordopfer in den letzten zehn Jahren. Als nächstes folgen Peru, Kolumbien und die Philippinen. In diesen Ländern sowie auch in Kambodscha, Indonesien und der Demokratischen Republik Kongo stehen viele der Morde mit der Privatwirtschaft sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene in Verbindung, so Global Witness. Die meisten Morde fanden in Lateinamerika und Asien statt, wohingegen in Afrika deutlich weniger verzeichnet wurden. Laut Global Witness mag dies allerdings auf eine Informationslücke zurückgehen.
„Da zuverlässige Daten zu solchen Schandtaten lückenhaft und spärlich sind, kann davon ausgegangen werden, dass die Anzahl an Toten weit höher ist, als wir derzeit annehmen können“, so im Bericht. „In dieser Statistik werden jedoch die hunderttausende Opfer von Gewalt und Einschüchterung nicht berücksichtigt. Oft gehen diese Hand in Hand mit Auseinandersetzungen um Land- und Waldzugänge oder mit Morden um das Förderrecht auf einem bestimmten Land- oder Waldstück, auf dem Öl und Gas gewonnen werden.“
In der Demokratischen Republik Kongo beispielsweise führte ein Konflikt zwischen ortsansässigen Dorfbewohnern und der Holzaufbereitungsfirma SIFORCO dazu, dass eine Reihe von Dorfbewohner von Staatssicherheitskräften geschlagen und vergewaltigt wurden. Die Auseinandersetzung gipfelte im Tod des 70-jährigen Frederic Moloma Tuka. SIFORCO bat die Regierung zwar um Hilfe bei der Schlichtung des Konflikts, übernahm jedoch für die entstandene Gewalt keinerlei Verantwortung.
Gerechtigkeit wird den Mordopfern in den meisten Fäller verwehrt, so der Bericht. Die Mörder werden nur selten vor Gericht gebracht, und selbst wenn, dann oft freigesprochen. In Brasilien landen weniger als 10 Prozent solcher Verbrechen vor Gericht, und nur in einem Prozent der Fälle werden die Täter verurteilt. Im Bericht wird auch erwähnt, dass auf den Philippinen von 50 Mordfällen, die sich im Kampf um Land und Umwelt – und meist im Protest gegen enorme Abbauvorhaben – ereigneten, nicht ein einziger strafrechtlich verfolgt wurde.
„[In den Mordfällen auf den Philippinen] unter Verdacht stehende Täter sind die Polizei, das Militär sowie Sicherheitskräfte von Privatunternehmen selbst“, ist im Bericht zu lesen.
Der Bericht von Global Witness appelliert an die Internationale Staatengemeinschaft, die strafrechtliche, objektive Verfolgung derartiger Schandtaten voranzutreiben, die FPIC -Erklärung für von industriellen Großprojekten betroffene Gemeinden zu gewähren und sicherzustellen, dass sowohl staatliche als auch private Sicherheitskräfte nationale Rechte und den internationalen Verhaltenskodex respektieren.
„Die Internationale Staatengemeinschaft muss diesem grausamen Kampf um Land und Wälder endlich ein Ende setzen. Noch nie war es so wichtig und so gefährlich zugleich, die Umwelt zu schützen“, sagte Kyte.
Morde um Land und Wälder gehen weiter. Vor gerademal zwei Monaten, am 26. April, wurde der namhafte kambodschanische Aktivist Chut Wutty umgebracht, während er zwei Journalisten zu illegalen Abholzungsschauplätzen begleitet hat. Er wurde vom Militär aufgehalten und nach einer Auseinandersetzung kurzerhand erschossen. Genaue Angaben zu seiner Todesursache bleiben immer noch aus, da das Militär unterschiedliche Erklärungen darüber abgab, weshalb Wutty sowie einer der Soldaten ums Leben kamen. Die Untersuchen laufen immer noch.
Daten freundlicherweise von Comissao Pastoral da Terra zur Verfügung gestellt.
Mordanschläge, die mit Landstreitigkeiten im ländlichen Brasilien in Verbindung stehen, belaufen sich auf eine Gesamtanzahl von 383 seit dem Jahr 2000.