Halsband-Faulvogel (Bucco capensis) im Nationalpark Yasuni im Amazonasgebiet von Ecuador. Foto von Jeremy Hance.
Eine neue Karte zeigt auf, wie wichtig die Erhaltung des Nationalparks Yasuni ist. Dieser Nationalpark ist das artenreichste Ökosystem der westlichen Hemisphäre, vielleicht sogar das artenreichste der Erde. Wissenschaftler veröffentlichten die Karte anlässlich der Generalversammlung der Vereinten Nationen, um eine weltweit einzigartige Initiative zu unterstützen, die sich zum Ziel gesetzt hat, die Erdölförderung im Nationalpark mithilfe von Spendengeldern zu stoppen, um Einnahmenseinbussen auszugleichen. Der unter dem Namen „Yasuni-ITT-Initiative“ bekannte Plan würde ein 200’000 Hektar grosses Gebiet vor Erdölbohrungen schützen, wenn als Gegenleistung ein Treuhandfonds in der Höhe von 3 Milliarden US-Dollar geschaffen werden würde.
„Die Karte zeigt, dass der Nationalpark Yasuni Teil einer kleinen, einzigartigen Zone ist, die über eine maximale biologische Artenvielfalt in der westlichen Hemisphäre verfügt“, erklärte Clinton Jenkins, leitender Zeichner der Karte und Forscher an der North Carolina State University, in einer Pressemitteilung.
Die Karte zeigt, dass der Osten Ecuadors (der Standort des Nationalparks Yasuni)
und der Nordosten Perus gemessen an den Daten über Vögel, Säugetiere, Amphibien und Pflanzen über die grösste Anzahl von Arten in der Hemisphäre verfügen. Dies wird durch die Tatsache hervorgehoben, dass Forscher auf einem einzigen Hektar im Nationalpark Yasuni mehr Baumarten gefunden haben (655, um genau zu sein), als in den ganzen Vereinigten Staaten und Kanada zusammen. Der Nationalpark Yasuni verfügt mit 271 Arten auch über die weltweit höchste Reptilien- und Amphibien-Artenvielfalt. Doch die Käfer könnten den Sieg davontragen: Laut dem Entomologen Terry Erwin gibt es auf einem einzigen Hektar Regenwald im Nationalpark Yasuni 100’000 einzigartige Insektenarten. Sollte diese Schätzung richtig sein, handelt es sich dabei um die weltweit grösste Artenvielfalt pro Flächeneinheit bei Pflanzen oder Tieren.
„Der Nationalpark Yasuni ist ein internationaler Schatz – vielleicht der biologisch reichste Ort der Erde. Seine Zerstörung wäre eine Tragödie für Ecuador und die Völker auf der Erde, die die Vielfalt des Lebens bewahren wollen“, sagte Hugo Mogollon, Vorstand von Finding Species, eine Nichtregierungsorganisation, die in Ecuador tätig ist. „Die Yasuni-ITT-Initiative ist bahnbrechend. Sie stellt eine ernsthafte Anstrengung dar, artenreiche Wälder zu erhalten und stammt direkt aus dem Büro des ecuadorianischen Präsidenten. Die Regierungen in der Region und auf der ganzen Welt sollten dieses Vorhaben unterstützen.“
Im Jahr 2007 versprach die ecuadorianische Regierung, die enormen Ölreserven in der Grössenordnung von schätzungsweise 846 Millionen Barrel im ITT-Block des Nationalparks Yasuni nicht anzuzapfen, wenn internationale Spender 3,6 Milliarden US-Dollar oder ungefähr die Hälfte des Marktwertes des unter der Erde liegenden Öls beisteuern würden. Der Yasuni-Fonds würde Gelder für soziale Hilfsprogramme, Forschungsinitiativen, Naturschutz- und Aufforstungsprojekte sowie für Projekte im Bereich erneuerbare Energie liefern. Trotz der Unterstützung vieler Wissenschaftler und Umweltschutzorganisationen gestaltete sich die Geldbeschaffung für die Initiative bis jetzt schwierig. Der Umstand, dass der Fonds ein Jahr vor dem Weltwirtschaftsrückgang ins Leben gerufen wurde, macht die Situation nicht einfacher.
Die Initiative erlitt dieses Jahr einen herben Rückschlag, als Deutschland beschloss, das Programm nicht mehr zu unterstützen. In einer Stellungnahme des deutschen Bundesministers Dirk Niebel hiess es, die Initiative sei „interessant und innovativ“, doch es gäbe zu viele unbeantwortete Fragen rund um das Programm.
„Es fehlen ein einheitlicher Begründungszusammenhang, eine klare Zielstruktur und konkrete Aussagen darüber, welche Garantien für einen dauerhaften Verzicht auf die Ölförderung im Yasuni-Gebiet gegeben werden. Bisher hat sich kein anderer Geldgeber bereitgefunden, die Initiative zu unterstützen. Es ist überdies zu bezweifeln, ob dieser Ansatz wirklich vergleichbare Vorteile gegenüber den zahlreichen Alternativvorschlägen bietet, die kürzlich diskutiert wurden (z.B. REDD). Vor allem könnte eine Unterstützung des Projekts bezüglich Kompensationsforderungen durch ölfördernde Länder in Klimaverhandlungen eine Präzedenzwirkung entfachen“, schrieb Niebel.
Doch wenn die Initiative unterstützt wird, könnte Yasuni laut der ecuadorianischen Regierung auf unbegrenzte Zeit vor Erdölbohrungen geschützt werden. Zusätzlich könnte man vermeiden, dass schätzungsweise 410 Millionen Tonnen CO2 in die Atmosphäre gelangen. Dies in einer Zeit, in der sich die Regierungen nur halbherzig um die Reduktion der Treibhausgasemissionen bemühen. Doch der ecuadorianische Präsident Raffael Correa erklärte, er werde die Initiative abblasen und die Erdölbohrungen fortsetzen, falls bis Dezember 2011 nicht die ersten 100 Millionen US-Dollar in den Fonds eingezahlt würden.
Öl ist zurzeit Ecuadors wichtigstes Exportgut und die Wirtschaft des Landes hängt weiterhin grösstenteils von diesem fossilen Brennstoff ab. Doch das Öl hat dem Land auch viele Probleme gebracht, z.B. Umweltverschmutzung, Krankheiten, Waldzerstörung und Konflikte mit der indigenen Bevölkerung.
Karte von Matt Finer, Clinton Jenkins und Holger Kreft. Klicken, um zu vergrössern.