Coquerel-Sifakas beim Küssen. Die Filmserie über Madagaskar hat dazu geführt, dass den einzigartigen Tierarten der Insel, einschlieβlich der Lemuren, mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird. Foto: Rhett A. Butler.
Manche Wissenschaftler mögen sich vielleicht darüber lustigmachen, dass vermenschlichte Tiere – von Bambi über Simba und Nemo – einen realen Einfluss auf Schutzprogramme zur Rettung echter Tierarten haben könnten, aber in einem neuen Kommentar in mongabay.coms frei zugänglischem Journal Tropical Conservation Science wird argumentiert, dass Tierschützer gut beraten wären, sich mit den Produzenten animierter Blockbuster-Filme zu verbünden, um der schwindenden Artenvielfalt auf der Erde entgegenzuwirken. Der Artikel weist darauf hin, dass etliche neue Filme bedrohte Lebensräume thematisieren, wie die Korallenriffe (Findet Nemo) und den Atlantischen Regenwald (Rio) sowie Naturschutzprobleme wie Überfischung (Happy Feet) und Klimawandel (Ice Age: Jetzt taut’s).
„Das Konzept, animierte Filme mit Naturschutz-, Ökologie- und allgemeinen Umweltthemen zu kreiren, ist nicht neu”, schreiben die Autoren, „sondern wurde schon in den 1940er Jahren in Walt Disneys Bambi aufgegriffen und in FernGully: Der Letzte Regenwald, einem Film, der 1991 beim Earth Summit in Rio de Janeiro gezeigt wurde und ein Wahrzeichen der internationalen Umweltbewegung geworden ist. Während viele dieser Animationsfilme implizite ökologische Nuancen aufwiesen, machten andere explizit auf Umweltthemen aufmerksam, allen voran Avatar, ein sowohl von Naturschützern als auch von den Massenmedien heiβdiskutierter Film.”
Nichtsdestoweniger bemängeln die Autoren, dass nur wenige Naturschutzgruppen diese höchst populären Filme dazu genutzt haben, die Öffentlichkeit über die globale Biodiversitätskrise aufzuklären. Solche Filme treffen die Öffentlichkeit auf eine starke und unvergessliche Weise, die laut den Autoren mit wissenschaftlichen Erklärungen nur schwer zu erreichen ist.
Der Kommentar zeigt auf, dass einige der animierten Filme in Bezug auf wissenschaftliche und naturschutzspezifische Aspekte zu Recht kritisiert wurden, einschlieβlich unrichtiger Darstellungen von Arten oder Lebensräumen, der übermäβigen Vereinfachung von Naturschutzfragen und gar der Zurückweisung von Aktivitäten, die Arten schaden, wie zum Bespiel der illegale Haustierhandel. „In einigen Fällen”, schreiben die Autoren, „gilt das Interesse vor allem den dargestellten Charaktären und nicht impliziten Naturschutzbotschaften. Ironischerweise ist es jedoch gerade die Begeistertung des Massenpublikums, die sämtliche Naturschutzbotschaften zunichte macht und eben die Tierarten bedroht, die diese Animationen zu porträtieren versuchten (z.B. Eulenhandel in Indien in Verbindung mit den Harry-Potter-Filmen, höhere Nachfrage nach Anemonenfischen im Haustierhandel nach Findet Nemo).”
Trotz dieser Schattenseiten erreichen animierte Filme Millionen Menschen auf der ganzen Welt und vermitteln oft, manchmal implizit, manchmal explizit, Wissenswertes über Naturschutz. Während es den Forschern hauptsächlich um die korrekte Vermittlung von wissenschaftlichen Informationen geht, ist es den Erzählern am wichtigsten, die Zuschauer emotional anzusprechen. Und letztendlich mag sich dies hinsichtlich der Zuschauermobilisierung als wirkungsvoller erweisen als wissenschaftliche Daten.
Der Artikel empfiehlt Naturschutzgruppen, auf Filmproduzenten zuzugehen, um dem Filmpublikum reale Informationen zu vermitteln und gemeinsam gröβere Unterstüzung und ein tieferes Bewusstsein für Artenschutzthemen zu schaffen.
„Nichtregierungsorganisationen täten auf jeden Fall gut daran, zuerst eine Partnerschaft mit Animationsstudios und lokalen Interessengruppen wie zum Beispiel örtlichen Filmvertreibern, Regierungsgeschäftsstellen und Schulen einzugehen, um ein effektives Öffentlichkeitsarbeitsprogramm zu entwicklen, das den Inhalt dieser Animationen mit dem Naturschutz verkoppelt. Naturschutzthemen und die Darstellung von Artenvielfalt einschlieβlich weniger charismatischer Spezies, die Teil der Geschichte sind, sollten klar interpretiert und erklärt werden und diese Ressourcen Büchereien, Lehranstalten und Kommunen weithin zur Verfügung gestellt werden”, schreiben die Forscher und empfehlen die Verwendung von zusätzlichen Materialien – wie zum Beispiel Flugblättern, Dokumentationen, Unterrichtsplänen – und Aktivitäten wie Workshops und Seminaren.
Textquelle: Yong, D. L., Fam, S. D. und Lum, S. 2011. Reel conservation: Can big screen animations save tropical biodiversity? Tropical Conservation Science Band 4 (3): 244-253.