- Das niederländische Parlament hat im Februar dafür gestimmt, die Vergabe neuer Fördergelder für 50 geplante Werke für die Wärmeerzeugung durch Waldbiomasse nicht mehr zu genehmigen. Dies ist ein kleiner, aber potenziell sehr wichtiger Erfolg für ForscherInnen und AktivistInnen, die der Meinung sind, dass das Verbrennen der Wälder, um Energie zu erzeugen, nicht nur nicht CO2-neutral ist, sondern schmutziger als die Verbrennung von Kohle und schlechte Klimapolitik.
- Da sich die öffentliche Meinung in der EU zunehmend gegen Waldbiomasse als Klimalösung wendet könnte die Entscheidung in den Niederlanden ein Indikator sein. Im Juni wird die EU ihre Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED II) überarbeiten und entscheiden, ob Biomassensubventionen weiterhin erlaubt sein sollen und, ob Emissionen durch Biomasse am Schornstein nicht mit einbezogen werden sollten.
- Derzeit wird die Verbrennung von Waldbiomasse, um Energie zu gewinnen in der EU als CO2-neutral eingestuft, obwohl es immer mehr wissenschaftliche Beweise gibt, die zeigen, dass es viele Jahrzehnte dauert, bis Wälder wieder nachwachsen und somit die Klimaneutralität erzielt wird.
- Die Forstindustrie, die nach wie vor eine steigende Nachfrage nach Holzpellets sieht, behauptet, dass die Biomassenverbrennung umweltverträglich und eine praktikable Lösung für die Reduzierung der Schadstoffemissionen ist, im Vergleich zur Kohle.
Die Biomassenindustrie, die in der Europäischen Union rasch an Fahrt gewinnt, wurde am 25. Februar durch die Entscheidung der niederländischen Regierung, keine neuen Fördergelder für 50 geplante Werke zur Erzeugung von Wärme durch Waldbiomasse mehr zu genehmigen, etwas ausgebremst. Ein seltener Rückschlag für die Industrie, die von den Biomassen-Gegnern des Landes begrüßt und von der Industrie selbst gelassen hingenommen wird.
Es gab jedoch einen Vorbehalt bei der Abstimmung: Die derzeitigen jährlichen Fördergelder in Höhe von 578,5 Millionen Euro (698 Millionen Dollar) für die bereits bestehenden Biomassenwerke in den Niederlanden bleiben weiterhin bestehen, 200 davon produzieren Wärme, wobei vier der Kraftanlagen sowohl von Kohle als auch Biomasse betrieben werden. Die Werke verbrennen in erster Linie Holzpellets die aus dem Südosten der Vereinigten Staaten und Osteuropa importiert werden.
Die Politik in den Niederlanden könnte sich, so Biomassenkritiker, weiter verändern. Die Parlamentswahlen für das niederländische Repräsentantenhaus sollen am 17. März stattfinden und der öffentliche Widerstand gegen Fördergelder für die Verbrennung der Holzpellets zur Energieerzeugung liegt bei 98 %, so eine niederländische Umfrage von De Telegraaf, der größten Zeitung des Landes, aus dem Jahr 2020.
Maarten Visschers und Fenna Swart leiten zwei unterschiedliche Umweltschutzgruppen. Sie und andere haben Jahre lang aggressiv Einfluss auf niederländische Mandatsträger genommen, um die Abhängigkeit des Landes von Waldbiomasse zu verringern – dies macht ungefähr 61 % der erneuerbaren* Energien für die 17,3 Millionen Einwohner des Landes aus. Sie erklärten Mongabay, dass die Abstimmung vom 25. Februar „einen großen Sieg“ darstelle.
„Die Abstimmung fand kurz vor unserer Parlamentswahl statt.“, so Visschers von Leefmilieu (Umwelt). „Das gesamte Parlament, außer den Liberalen, hat in der letzten Sitzung vor den Wahlen für den Antrag (118-32) gestimmt. Die Verbrennung von Biomasse ist Teil der Wahl(kampagne) jeder politischen Partei. Es gibt eine nationale Klimademonstration am 14. März, kurz vor der Wahl. Biomasse wird an diesem Tag der wichtigste Punkt sein.“
Die Verbrennung von Waldbiomasse zur Energieerzeugung wird immer kontroverser und Wissenschaftler widerlegen die ständigen Behauptungen der Industrie und der Politik, dass Biomasse klimaneutral sei, immer wieder. Kritiker bezeichnen dies als „Schlupfloch in der Kohlenstoffbuchhaltung“, das es, wenn es nicht geschlossen wird, wahrscheinlicher macht, dass sich das weltweite Klima destabilisiert.
Swart, vom Comité Schone Lucht (das Kommittee für Saubere Luft), merkte an, dass die vor kurzem durchgeführte Abstimmung nur eine beschränkte Tragweite hatte und erklärte Mongabay: „Dieser Schritt wirkt sich tatsächlich nur auf neue Fördergelder aus, doch mit dieser Entscheidung ist der nächste Schritt, die Einstellung existierender und geplanter Fördergelder, logischer und wir kommen ihm wesentlich näher. Indem sie erklären, dass neue Fördergelder nicht mehr gewünscht sind, bis es einen genauen Weg zur allmählichen Abschaffung gibt, wird die Regierung dazu gezwungen, das Ende aller [Biomassen-]Fördergelder in Erwägung zu ziehen. So wie vorher weiterzumachen ist daher wesentlich unwahrscheinlicher.”
Die Entscheidung aus den Niederlanden kommt zur gleichen Zeit als die Vereinten Nationen Alarm schlagen, dass die Zusicherungen, die nationalen Emissionen zu reduzieren, die im Rahmen des Pariser Abkommens gemacht wurden, um die globale Erwärmung und eine kurz bevorstehende Klimakatastrophe zu verhindern, absolut unzureichend sind. Im Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (UNFCC) wurde Ende letzten Monats davor gewarnt, dass die globalen Emissionen bis zum Jahr 2030 um 50 % fallen müssen und, dass die derzeitigen Zusicherungen zur Reduzierung besorgniserregend weit von diesem Ziel entfernt sind.
Sowohl die Europäische Union als auch das Vereinigte Königreich verlassen sich stark auf die Verbrennung der Holzbiomasse in ehemaligen Kohlekraftwerken, damit sie ihre Zusagen zur Verminderung des Kohlendioxidausstoßes einhalten können. Dies liegt daran, dass Biomasse im Rahmen des Kyoto-Protokolls als erneuerbare Energiequelle gilt (eine Klassifizierung die vom Pariser Abkommen toleriert wird).
Deshalb werden Emissionen aus der Biomassenverbrennung am Schornstein nicht miteinbezogen, was es den Ländern ermöglicht mehr Fortschritt im Hinblick auf die Reduzierung ihrer Emissionen vorzuweisen, als dies eigentlich der Fall ist. Zahlreiche, vor kurzem durchgeführte Studien haben aufgezeigt, dass Holzbiomasse tatsächlich umweltverschmutzender ist, als Kohle, wohingegen die atmospherischen Kohlendioxidreduktionen durch Biomasse nicht einlösbar sein werden, bis die Wälder, die gefällt wurden, in einigen Jahrzehnten nachgewachsen sind, was, laut vielen Forschern, viel zu spät ist, um den eskalierenden Klimawandel zu verlangsamen.
Biomassenindustrie floriert immer noch
Trotz den Ängsten der Vereinten Nationen und der Politik in den Niederlanden wächst der Markt für Holzpellets, vor allem denen aus den USA, dem weltweit größten Hersteller, nach wie vor.
Die USA haben laut Daten die im Februar vom Landwirtschaftlichen Forschungsdienst der USDA (dt.: US-Landwirtschaftsministerium) veröffentlicht wurden 2020 beinahe 7,26 Millionen metrische Tonnen Holzpellets exportiert, das sind 5 % mehr als die 6,92 Millionen metrische Tonnen 2019. Laut der Dogwood Alliance, einer NGO, die die Industrie beobachtet, müssen in North Carolina, einem der Hauptstaaten für die Pelletproduktion, für die jährliche industrielle Produktion von 2,5 Millionen metrischen Tonnen Pellets 61.000 Morgen bewaldetes Gebiet gerodet werden (entweder natürliche Wälder oder Baumplantagen).
Das Vereinigte Königreich war 2020 mit 5,63 Millionen metrischen Tonnen der Hauptabnehmer für Holzpellets aus den USA, gefolgt von den Niederlanden mit 629.882 metrischen Tonnen, was mehr ist als sie 2019 aus den USA importiert haben. Der Wert der US-amerikanischen Pelletexporte überstieg letztes Jahr 980 Millionen US-Dollar, ein leichter Anstieg im Vergleich zu 2019.
Christian Rakos, Vorsitzender der World Bioenergy Association (dt.: Weltweiter Verband für Bioenergie), erklärte gegenüber Mongabay, dass die niederländischen Umweltschützer das ganz falsch sehen. Er betonte, dass den Mitgliedern seines Verbands gesunde Wälder sehr am Herzen liegen und, dass die Abholzung für Bioenergie auf nachhaltige Art und Weise betrieben wird, damit Kohlenstoffbestände erhalten bleiben und Waldwachstum gefördert wird. (Die NGOs halten dagegen, dass der Hauptanteil des Holzes für Pellets von Holzfällern eingebracht wird, die einen Kahlschlag vornehmen, was wiederum Kohlenstoffsenken und Ökosysteme zerstört.)
„Ich sehe es so, dass die Entscheidung der Niederlande genau so falsch ist und auf falschen Informationen basiert wie die Brexit Entscheidung des Vereinigten Königreiches.“, so Rakos in seiner Antwort aus Österreich. „Sie basiert auf Kampagnen, die nicht wahr waren. Die Tatsache ist, dass die Niederlande derzeit eine der schlechtesten Leistungen in Europa erbringen, wenn es um die Nutzung erneuerbarer Energien geht und diese (Biomassen-) Entscheidung wird die Leistung im Hinblick auf den Klimaschutz weiter mindern.“
Er fügte hinzu: „Unsere Position ist, dass wir alles erdenklich Mögliche machen, um sicherzustellen, damit es (die Wälder) nachhaltig ist, aber man muss auch bedenken, dass der Klimawandel im Moment die größte Bedrohung für die Ökosysteme ist und, dass es unmöglich ist, diese Situation ohne die weitreichende Nutzung von Bioenergie zu entschärfen.“
Über 500 WissenschaftlerInnen aus den USA, der EU und anderen Orten haben sich am 11. Februar schriftlich an die führenden Politiker weltweit gewandt, um der Ansicht der Biomassenindustrie zu widersprechen. Sie schrieben: „Wir bitten Sie dringend, sowohl die Klimaziele als auch die weltweite Artenvielfalt nicht zu unterminieren, indem Sie für die Energiegewinnung anstatt fossiler Energieträger Bäume verbrennen.“
Wird die EU RED II abändern?
Das Thema Biomassen-Förderung und ob es weiterhin erlaubt sein sollte, dass Biomassenemissionen am Schornstein nicht gezählt werden, wird im Juni in der EU überprüft, wenn die Funktionäre der EU darüber beraten, ob die Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED II) abgeändert werden soll.
Swart sagt, dass sie hofft, dass die vor kurzem stattgefundene Abstimmung in der Niederlanden Einfluss darauf hat: „Wir sehen, dass andere Mitgliedsstaaten genau darauf achten, was hier in den Niederlanden passiert. Es ist nicht unvorstellbar, dass die Niederlande einen Dominoeffekt ausgelöst haben, der in den nächsten ausschlaggebenden Monaten eine deutliche Änderung darin hervorruft, wie (die abgeänderte Version von) RED II umgesetzt wird.“
Die niederländischen Politiker Franz Timmermans (derzeit Vizepräsident der EU), und Diederick Samson (Timmermans Kabinettleiter) haben beide angedeutet, dass sie bereit wären, die Biomassenregulierungen zu überarbeiten. Doch die niederländischen Medien haben berichtet, dass sie dazu bereit scheinen, zu argumentieren, dass die Verbrennung von Holzpellets weiterhin erlaubt sein sollte, solange es, wie die Industrie behauptet, nachhaltig ist und, so lange großer Wert auf die Massenpflanzung von Bäumen gelegt wird, damit neue Kohlenstoffsenken auf dem Kontinent entstehen, um die Biomassenemissionen der EU zu absorbieren.
Doch wie die 500 WissenschaftlerInnen Anfang letzten Monats geschrieben haben, und wie die UNFCCC zwei Wochen später noch einmal betont hat, das Fenster für die drastische Reduzierung der weltweiten Emissionen, um eine Klimakatastrophe zu verhindern schließt sich schnell.
„Wir müssen alle Treibhausgasemissionen im gesamten Energiesektor, einschließlich der Bioenergie, so schnell wie möglich reduzieren.“, so Bill Moomaw, Professor emeritus an der Tufts Universität und ein führender Biomassenexperte. „Neue Bäume zu pflanzen wird nur sehr wenig zur Kohlenstoffbindung beitragen in dem engen Zeitrahmen, den wir haben, um die Klimaerwärmung zu verlangsamen.“
Bannerbild: Wasserdampf steigt aus dem Drax Kraftwerk im Vereinigten Königreich auf, einer Anlage, in der früher Kohle verbrannt wurde und die für die Verbrennung von Waldbiomasse umgebaut wurde. Alle Treibhausgasemissionen des Kraftwerks werden derzeit als CO2-neutral eingestuft. Foto: RyanTayler1986 auf Visualhunt – CC-BY-NC-ND.