- Naturschützer haben 18 Wasserbüffel auf derFlussinsel Jermakow in der Donau freigelassen im ersten Renaturierungsprojekt dieser Art in der Ukraine.
- Die Wasserbüffel sind ein Geschenk des deutschen Naturschützers Michel Jacobi, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, den einzigartigen Wasserbüffel der Karparten zu retten.
- Forscher glauben, dass der Wasserbüffel der Donau eine neue Reichhaltigkeit und Vielfalt beschert, indem er als Landschaftspfleger für das Ökosystem agiert.
Dieser Artikel ist Teil des Saving Live on Earth: Words on the Wild, eine wöchentliche Kolumne von Jeremy Hance, einer der ersten Mongabay Journalisten.
Am Ende eines langes Tages reitet der 36-jährige Michel Jacobi auf einem Wasserbüffel nach Hause. Die Wahl des Transportmittels ist ungwöhnlich, selbst im ländlichen Transkarpatien in der Ukraine, obwohl es das nicht immer war.
Der aus Kiel stammende Jacobi, der einen Abschluss in Ökologie und Forstwirtschaft besitzt, hat fast ein Jahrzehnt in der Ukraine verbracht und in der Zeit eine ziemlich große Herde domestizierter Wasserbüffel (Bubalus bubalis) gezüchtet, eine Nichtregierungsorganisation gegründet und vom Verkauf des reichhaltigen hyperallergenen Joghurt und Käse der Wasserbüffel gelebt.
Aber diese Tiere sind nicht nur Nutztiere für Jacobi, die Beziehung ist innig.
„Sie schaffen eine Atmosphäre von Freundschaft und tiefverwurzeltem Vertrauen“, so Jacobi. „All das ist nur möglich, wenn du ihnen erlaubst, Teil deines Lebens zu sein und sie wie heimische Wasserbüffel leben lässt“.
In diesem Sommer verabschiedete sich Jacobi von 17 seiner Tiere. Er hat sie nicht an den Schlachthof verkauft, sondern an ein ehrgeiziges Renaturierungsprojekt abgegeben, um die Tiere als Landschaftspfleger für das Ökosystem im Donaugebiet in der Ukraine einzusetzen.
Die verlorenen Alten
Mitte Mai diesen Jahres ließen Offizielle sieben von Jacobis Wasserbüffeln auf der 3.500 Hektar großen Flussinsel Jermakow in der Donau frei . Zehn weitere folgten schnell. Eine Wasserbüffelkuh war tragend und hat ein gesundes Kalb ausgetragen , durch das die Anzahl dieses kleinen Bestandes auf 18 angewachsen ist.

Foto von: Andrey Nekrasov / Rewilding Europe.
Katya Kurakina, die Kommunikationsmanagerin von Rewilding Ukraine, ein Bereich der NGO Rewilding Europe, erklärt, dass die Tiere sich gut an ihre neue Inselheimat anpassen.
Aber ihre Ankunft hier ist Teil einer langen und komplizierten Geschichte der Wasserbüffel in Europa.
Als die ersten Menschen vor ungefähr 45.000 Jahren aus Afrika in Europa ankamen, trafen sie eine Tierwelt an, die sich von der heutigen völlig unterschied, mit Höhlenhyänen und Löwen, Wollhaarmammuten und Nashörnern und auch Auerochsen und Wasserbüffeln. Ja, Wasserbüffeln.
Während des Pleistozäns gab es in Europa eine eigene Wasserbüffelart, bekannt als Bubalus murrensis (Europäischer Wasserbüffel).
Die Tiere lebten in der Nähe der vielen europäischen Hauptflüsse, verschwanden aber irgendwann im späten Pleistozän oder frühen Holozän. Ob sie aufgrund von Überjagung starben durch die unglaublich tötlichen neuen Ankömmlinge – Homo Sapiens – oder durch klimatische oder umweltbedingte Veränderungen, ist uns einfach nicht bekannt. Aber sie waren hier – vor nicht allzulanger Zeit, geologisch gesehen.
Aber das heißt nicht, dass Rewilding Europe daran interessiert ist, so zu tun, als würde es vorsintflutliche Geister zurückbringen.
„Wir reden nicht darüber, ausgestorbene Arten zurückzubringen,“ erklärt Kurakina. „Wir beabsichtigen, ein Lösung dafür zu finden, die verschwundene Megafauna wiederherzustellen mit den Arten, die die gleichen biologischen Funktionen im Ökosystem weiterführen.“
Als der letzte europäische Wasserbüffel starb, verschand auch ein einzigartiger Fleck in der europäischen Ökologie, die immerhin teilweise heute wiederhergestellt werden könne, argumentiert die NGO, indem man heimische Wasserbüffel aussetzt.
Heimische Wasserbüffel gab es in Osteuropa seit hunderten, wenn nicht tausenden von Jahren. Diese Tiere kamen vom indischen Subkontinent und Südostasien, wo die letzten überlebenden Arten domestiziert wurden. Heute ist der wilde Wasserbüffel (Bubalus arnee – Asiatischer Büffel) laut der Roten Liste der Weltnaturschutzunion IUCN stark gefährdet durch Kreuzungen mit Haustieren, Jagd in einigen Staaten und Verlust des Lebensraumes. Diese asiatische Art ist wahrscheinlich heute der Vorfahr von millionen Haustieren.
Jacobi erklärt, dass der erste Wasserbüffel in Europa von den Awaren mitgebracht wurde, eine Gruppe rätselhafter eurasischer Nomaden, die zuerst ungefähr im 6. Jahrhundert nach Christus in dieser Region auftauchten, kurz nach dem Zusammenbruch des Westlichen Römischen Reiches. In vielen Gemeinden in Osteuropa waren Wasserbüffel sogar bis ins 20. Jahrhundert ein üblicher Anblick.

Aber Umbrüche – politische und ökonomische – in den letzten hundert Jahren haben fast die einzigartige heimische Rasse der Karparten ausgelöscht.
„[Wasserbüffel] werden nahezu nicht mehr genutzt. Nur einige Dutzend Tiere sind noch in Hausgemeinschaften in den Karpaten geblieben“, erläutert Kurakina.
Der Wasserbüffel litt unter dem Kommunismus laut Kurakina. Als die Sowjetunion Farmen kollektivierte, verlor der Wasserbüffel seine historische Rolle in örtlichen Gemeinden und wurde zu gewaltigen Herden zusammengeführt, in denen es, so Kurakina, schwer war, sie zu leiten. Es folgte eine Massenschlachtung.
Jacobi sagt, der Übergang zu einer freien Marktwirtschaft in den 1990ern führte zur Abschlachtung verbliebener Tiere, die nicht leicht wirtschaftlich genutzt werden konnten. Als er vor zehn Jahren hier ankam, war das Tier fast verschwunden.
Die Zukunft für Wasserbüffel in der Ukraine, neben anderen europäischen Staaten, schien die der Auslöschung durch Unverständnis zu sein.
Die großen Landschaftspfleger der Natur
Heute gibt es aber Hoffnung für eine Veränderung.
Rewilding Europe entschied sich aus mehreren Gründen dafür, eine kleine Herde von Jacobis Wasserbüffeln wieder in der Donau einzuführen. Zunächst hofften sie, Touristen würden angezogen, um diese massigen, mäjestätischen Tiere zu sehen – sich ein wenig an ihre verlorene Megafauna erinnernd – aber, noch entscheidender war der Glaube, der Wasserbüffel würde zum Ökolandschaftspfleger werden und den Fluss beleben.
Wasserbüffel sind, wie der Name schon sagt, an Feuchtgebiete angepasst, und die asiatischen Arten traf man oft an Flussdeltas und in Sumpfgebieten an. Sie können in Flussbetten weit besser überleben als reguläres Vieh und produzieren Heu sogar mit einer schlechteren Vegetation. Diese Tiere, die zwischen 270 bis 450 Kilogramm wiegen, schaffen auch Platz für kleine Dinge; sie schaffen eine Biodiversität und eine Fülle.
„Diese Tiere gehören zu den großen Landschaftspflegern der Natur“, sagte der Teamleiter von Rewilding Ukraine, Mykhailo Nesterenko, in einer Presseerklärung. „Da sie große Rinder sind, öffnen sie das Gestrüpp und das Röhricht und schaffen so Tümpel und Pfützen, die viele Insekten, Amphibien und Fische beherbergen.“
Sie verbreiten auch weit und großflächig Samen. Laut Nesterenko kann ein Wasserbüffel über 200 Pflanzenarten entweder über sein Fell oder seinen Kot verteilen.
„Wir erwarten, dass diese herrlichen Tiere Lebensräume in der Donaumündung schaffen, die kein anderes lebendes Wesen schaffen könnte,“ äußerte er.
Die Jermakow-Insel ist der pefekte Lebensaum für diese über alles wasserliebenden Pflanzenfresser.
Vor zehn Jahren haben verschiedene Organisationen Dämme aufgebrochen, damit die Insel saisonal geflutet werden konnte. Zusammen mit dem Wasserbüffel könnte diese kleine Ecke der Donau jetzt Veränderungen in ihrem Ökosystem erleben, die es seit 10.000 Jahren nicht gegeben hat.
„Wenn wir die Natur nachahmen, können wir sogar die Versteppung umkehren und durch die Büffel Kohlenstoffdioxide speichern“, sagt Jacobi.
Kurakina erklärt, dass Rewilding Ukraine plant, die Erfoschung des ökologischen Einflusses durch die Wasserbüffel nächstes Jahr zu starten. Die Gruppe hat auch Konik Pferde auf der Insel ausgesetzt, aber laut Kurakina, pflegen diese zwei Tiere sich aus dem Weg zu gehen. Obwohl die Wasserbüffel vor der Insel schwimmen können, so Kurakina, „fühlen sie sich wohl“ auf der Insel und haben viel Futter zur Verfügung.

„Im Großen und Ganzen ist dies ein Experiment und wir sind neugierig auf die Ergebnisse“, sagt sie.
Dieses ist nicht das einzige Projekt, in denen Wasserbüffel für die Renaturierung in Europa genutzt werden. Eine kleine Herde wurde 2011 in Deutschland freigelassen. Aber dieses ist das erste Projekt in der Ukraine und das erste, an dem Jacobi, der Wasserbüffelflüsterer, beteiligt ist.
Der Wasserbüffelflüsterer
Nichts von dem wäre ohne Michel Jacobi geschehen, dessen Vorträge eher wie die eines Philosophen oder Dichter klingen als die eines Landwirtes.
„Weißt du“, schreibt er mir, „Ich habe mehr Hoffnung, ein unschuldiges Kind zu verändern, als einen alten weißen patriarchischen Mann, der sein Geld mit Outsorcing und Kolonialismus verdient und sich selber friedlich nennt.“

Jacobi sah seinen ersten Wasserbüffel, als er 2004 durch die Karparten wanderte. So wie er es erzählt, war er auf einer Mission, um „etwas über mittelständische Landwirtschaft zu lernen“ und er hatte den Wunsch, eine Arbeit in Verbindung mit Ökologie und Nachhaltigkeit einzufügen und gleichzeitig ein Leben größtenteils unabhängig von fossilen Brennstoffen zu führen; etwas, so sagt er, das in Deutschland nicht wirklich mehr möglich ist.
Als er entdeckte, dass diese eigenständige Rasse der Wasserbüffel aus den Karparten verschwand, fand der junge Mann in den Zwanzigern seine Mission.
Er zog von Deutschland in die Ukraine und begann, verschiedene Büffel zusammenzubringen. Er erklärt, dass die meisten der Tiere, die er um sich geschart hat, „traumatisiert“ waren. Landwirte, die zunehmend weniger über die Art wussten, hatten sie wie Kühe gehalten und nicht wie Wasserbüffel.
Jacobi sagt, er konnte nur „einige sehr alte Frauen“ finden, die sich daran erinnerten, wie man richtig mit [den Wasserbüffeln] umgeht.
„Das Geheimnis ist Geduld, Freundlichkeit, keine Gewalt“, erklärt er. „Auf diese Weise verbringe ich viel Zeit mit ihnen. Ich bin ein Schäfer geworden, ein Freund, ein Schüler und schließlich ein Teil der Herde. Ich benutze sie immer noch nicht zum Arbeiten. Mit mir sind sie halbwild und ich beschütze den Bestand gegen ökonomische Willkür.“
Obwohl Wasserbüffel als wild und launisch gelten, hält Jacobi sie für hochintelligent und sozial.
„Ich habe mich mein ganzes Leben für die Ethologie (Verhaltensbiologie) interessiert und war sofort fasziniert über die Vielfalt der Kommunikation und soziale Interaktion dieser sogenannten primitiven Haustierrasse,“ so Jacobi.
Er erklärt, dass Wasserbüffel mehr wie Elefanten als wie Rinder seien.
„Büffel vergessen nie, sie können bis zu 40 Jahre werden und ich habe eine tiefe Beziehung zu den meisten von ihnen“, sagt er. „Ich versuche, sie nicht zu sehr zu drängen, ich versuche, von ihnen zu lernen und höre zu. Sie sind so alt und tiefsinning, in ihnen hallt immer noch eine andere Zeit nach, die wir jetzt Saharasia nennen mögen oder als Arkadien kennen, wo die Verehrung Pans begann.“
Pan ist natürlich der griechische antike Gott der Hirten, einschließlich ihrer Musik und ihrer Lieblingsplätze im Gebirge. Teils Ziege, teils Mensch, kann gesagt werden, dass Pan eine Art von Mensch-Tier-Symbiose repräsentiert. Man nimmt an, dass Pan zuerst in Arkadien verehrt wurde, eine Landschaft im Zentrum der Peloponnes in Griechenland, und ein Wort ist, das gleichgesetzt wird mit einer verlorenen Utopie oder einem verlorenen goldenen Zeitalter.
Jacobi mag in die Karpaten gekommen sein, um diese seltene Wasserbüffelart zu retten, aber er hat sich seitdem auch anderer Projekte angenommen, unter anderem dem Versuch Tarpans (eurasisches Wildpferd; Anm.d.Übersetzerin) zu züchten und die Rischka-Kuh, die Bergkuh der Karparten, „zurückzuzüchten“.
Er erzählt, dass er mehr gelernt hat, als er erwartet hat.
„ Was ich gefunden habe, ist eine viel ältere Gemeinschaftsstruktur, die mir das wahre Leben gezeigt hat,“ sagt er.
Er lehnt es ab, sich selbt einen „Einsiedler“ zu nennen – er benutzt schließlich Facebook und YouTube, ist sehr aktiv in der örtlichen Gemeinde und nimmt Freiwillige auf – aber er sagt, er könnte die „Entfremdung der modernen Welt nicht aushalten“.
„Ich kann den Widerspruch zwischem [dem] Zeitalter der Aufklärung und [dem] modernen Lebensstil nicht aushalten; es fühlt sich an wie ein Salto rückwärts“, erzählt er mir. „Die moderne Welt möchte so ernst genommen werden, aber ist überhaupt nicht nachhaltig.“

Jacobi ist stattdessen seinen eigenen Weg gegangen, gleichzeitig getrennt von der modernen Welt und verbunden mit mit etwas Älterem, etwas vielleicht Pastoralem und Mythologischem. Und er bringt es zum Laufen und bietet zur gleichen Zeit dem Wasserbüffel in der Ukraine eine Chance.
In der Morgendämmerung kann man beobachen, wie Jacobi auf einem seiner ausgewählten Wasserbüffel zusammen mit dem Rest der Herde in Transkarpatien reitet. Und 1000 Kilometer entfernt, beim Sonnenaufgang über der Donau, grasen ihre Verwandten inmitten des Röhrichts, den Kaulquappen und des Flusses.
Wenn man blinzelt, könnte es eine andere Welt sein. Einige Hundert Jahre früher. Oder vielleicht zwanzigtausend. Was immer es ist, Michel Jacobi und Rewilding Europe schaffen eine ungeahnte Zukunft.