- Malta gilt als Rastplatz für etwa 170 Vogelarten auf ihrem Weg zwischen Europa und Afrika. Aber Wilderer töten oder fangen bis zu 200.000 Wildvögel jedes Jahr – ein weitverbreitetes Problem im gesamten Mittelmeerraum.
- Besonders das illegale Fangen der Vögel wie zum Beispiel Finken hält weiterhin an, obwohl der Europäische Gerichtshof ein Verbot gegen Malta für das Fangen von geschützten Arten verhängt hat.
- Um das Fangen der Finken im Rahmen des Europäischen Rechts zu legalisieren, gebrauchte Malta einen legalen Schachzug, eine sogenannte Ausnahmevorschrift, indem es sich darauf berief, dass das Fangen von Finken eine traditionelle Praxis im Land sei.
- Solche legalen Ausnahmevorschriften werden als Vorwand genutzt, um Finken und andere geschützte Arten nicht nur auf Malta, sondern auch in anderen Ländern zu fangen.
Innerhalb nur eines Tages nach ihrer Ankunft auf der Mittelmeerinsel Malta auf ihrem Weg Richtung Süden im letzten August wurden drei von 18 Weißstörchen von Wilderern angeschossen und getötet.
Nicht mal zwei Wochen später lebte nur noch einer der Vögel. Bis zum 29. August, 19 Tage nach der Ankunft des Schwarms, waren alle Weißstörche verschwunden.
Malta dient als Rastplatz für ungefähr 170 Vogelarten aus mindestens 48 verschiedenen Ländern auf ihrem Weg zwischen Europa und Afrika. Der größte Teil dieser Vögel, einschließlich des Weißstorches (Ciconia ciconia) und des Schwarzstorches (Ciconia nigra), stehen unter strengem Schutz durch die Vogelschutzrichtlinie der Europäischen Union. Aber auf Malta töten oder fangen Wilderer jedes Jahr bis zu 200.000 Wildvögel: geschossen als Nahrung, zur Präparation oder einfach als Ziel für Schießübungen, gefangen, um sie als Haustiere zu halten oder als lebende Köder für die Jagd.
Im breiteren Mittelmeerraum fangen und töten Wilderer jährlich elf bis 36 Millionen Vögel in 26 verschiedenen Ländern. Von diesen Vögeln werden zwischen 5,5 und 14,5 Millionen in neun Migliedstaaten der Europäischen Union gewildert, einschließlich Malta, Italien, Frankreich und Zypern – Länder mit umfassenden Vogelschutzgesetzen, die scheinbar das Töten und Fangen von ziehenden Tierarten verbieten, ähnlich des Migratory Bird Treaty Act (Zugvogelgesetz) der Vereinigten Staaten von Amerika.
Auf Malta kann das Töten geschützter Arten zu einem Bußgeld von bis zu 10.000 € ($11,500) und dem Entzug von Jagdlizenzen führen oder zu einer Gefängnisstrafe für Wiederholungstäter.
Aber das Problem bleibt: 2018 war das schlimmste Jahr seit 2012 bezüglich der Wilderei von geschützten Vogelarten mit 114 bestätigten getöteten Vogelindividuen, einschließlich Störchen, Weihen und Falken laut BirdLife Malta. Trotz dieser großen Anzahl gab es 2018 weniger polizeiliche Ermittlungen als 2017.
„2017 wurden 40 Fälle von der Polizei wegen Jagens und Fangens vor Gericht gebracht, am 17. Oktober waren es für 2018 elf Fälle“, sagte Nicholas Barbara, Naturschutzleiter von BirdLife Malta.
Illegales Fangen von Vögeln
Während einige Wilderer Wildvögel erschießen, ist die am meisten verbreitete und größtenteils illegale Praxis in den Mittelmeerländern der Gebrauch von Fallen und Netzen. Dies ist besonders verbreitet während des Vogelzugs, wenn Vögel sich verstärkt sammeln entlang der Zugvogelrouten über dem Mittelmeer.
Um zum Beispiel Finken zu fangen, die traditionell als Käfigvögel gehalten werden, verwenden maltesische Vogelfänger sogenannte Klappfallen, eine Vorrichtung, die aus einem langen Element mit Netzen besteht, das aufspringt und Vögel fängt, die darauf landen.
Als Malta 2004 der EU beitrat, gab man dem Staat fünf Jahre Zeit, die Praxis des Vogelfangs stufenweise abzuschaffen, die laut der Vogelschutzrichtlinie illegal ist. Aber die maltesische Regierung tat nicht genug, um diesen Erlass durchzusetzen, laut Barbara, und seit 2009 ging das illegale Fangen unvermindert weiter.
Außerdem erließ die regierende Labour Partei 2014 ein Gesetz zur Legalisierung des Finkenfangens. Nach Barbaras Meinung geschah dies, um eine große Unterstützung zu erhalten durch die maltesische Jägerschaft während der Wahlen. Um das Finkenfangen innerhalb des gesetzlichen Rahmens der EU zu legalisieren, benutzte Malta einen legalen Schachzug, eine sogenannte Ausnahmevorschrift, die eine teilweise Unterdrückung des Rechts bedeutet, indem sich Malta darauf beruft, dass das Fangen von Finken eine traditionelle Praxis des Landes und deshalb nach Artikel 9 der Vogelschutzrichtlinie der EU erlaubt sei.
Umwelt-NGOs lehnen das Fangen von Vögeln aus mehreren Gründen ab. Durch Fallen kann eine große Anzahl von Vögeln gefangen werden und es wird nicht unterschieden, welche Art gefangen wird. Das Fangen von Finken fördert die Nachfrage nach lebenden Finken als Köder wodurch ein illegaler Wildtierhandel zwischen Malta und Sizilien unterstützt wird. 2016 haben BirdLife Malta und das Komitee gegen den Vogelmord eine Luftbildvermessung durchgeführt, um festzustellen, welchen Schaden Wilderer dem Lebensraum zufügen durch die Vernichtung der Vegetation und durchgefundene Fallen innerhalb der von der EU als Natura 2000 gekennzeichneteten Schutzgebiete.
In einem als grundlegend anzusehenem Fall hat der Europäische Gerichtshof im letzten Juni gegen Malta entschieden wegen seiner Ausnahmevorschrift, die das Fangen von Finken erlaubt. Das Urteil besagt, dass Finken weder unter der Europäischen Vogelschutzrichtlinie gejagt oder durch eine Ausnahmvorschrift in irgendeiner Art gefangen werden dürfen. Jägerschaften auf Malta, denen ungefähr 10.000 lizensierte Jäger angehören, widersprachen dieser Entscheidung.
Marc Bonici, der Präsident der Kaccaturi San Ubertu (KSU), einer Jägerschaft auf Malta, sagte, das Fangen von Finken als Singvögel und zur Zucht sei nur „gering, kontrolliert und überwacht“ und „sollte deshalb auf der Basis der langen Tradition erlaubt sein“.
Malta ist mit einer Gesetzesübertretung und anschließenden täglichen Bußgeldern konfrontiert, die auf über eine Million Euro (1,15 Million Dollar) ansteigen können, falls Malta es nicht schafft, die Gesetze des Europäischen Gerichtshofs, die das Fangen von Finken dauerhaft verbieten, zu erfüllen. Bisher scheint Malta die Gesetze zu erfüllen – der Inselstaat hat im Herbst 2018 keine Ausnahmevorschrift für das Fangen von Finken genehmigt. Aber das Land hat 2018 eine andere Ausnahmevorschrift verwendet, die das legale Fangen von zwei anderen Arten erlaubt, die Singdrossel (Turdus philomelos) und den Goldregenpfeifer (Pluvialis apricaria).
Alexander Heyd, der Generalsekretär des Komitees gegen den Vogelmord, sagte, er glaube, dass maltesische Fänger legale Ausnahmevorschriften als Vorwand benutzen werden, um weiterhin illegal Finken und andere geschützte Arten zu fangen. Obwohl 2018 fast 2000 legale Fangplätze erlaubt wurden, zählte das Komitee gegen den Vogelfang mehr als 30 Fälle illegaler Fänge, einschließlich das Fangen von Finken und den nächtlichen Gebrauch von elektronischen Lockanlagen, seitdem die Fangsaison am 20. Oktober eröffnet wurde.
Legal gegen Illegal
Heyd sagte, das illegale Vogelfangen bliebe die problematischste Art der Wilderei auf Malta, zum Teil weil legale und illegale Fangplätze schwer zu unterscheiden seien. „Die Geldbußen für illegales Fangen sind unglaublich niedrig. Mehrere hundert Euro für ein großes Fangnetz für Finken. Und sie beschlagnahmen das Netz und heben die Fanglizenz für ein Jahr auf und das war´s dann“, sagte er.
Der Autor dieses Artikels kontaktierte die Wild Bird Regulation Unit (WBRU), die Regierungsbehörde, die dafür verantwortlich ist, den Umweltschutz und nachhaltige Jagdmethoden umzusetzen. Ihm wurde aber mitgeteilt, dass der stellvertretende Leiter der Behörde, Richard Lea, für mehrere Woche abwesend sei, weil er selber auf Vogelfang unter der gesetzlichen Ausnahmevorschrift sei.
Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes erhöht den Einsatz für die maltesische Regierung, Jagdgesetze und die gegenwärtige legale Ausnahmevorschrift durchzusetzen. Ein Regierungssprecher sagte, dass Behörden wie die WBRU bereits verschiedene Arten von Patrouillen und Überprüfungen durchführten.
Der Gebrauch von Ausnahmevorschriften, um die Jagd auf sonst geschützte Arten zu erlauben, beschränkt sich nicht nur auf Malta. Im Südwesten Frankreichs erlaubt eine Ausnahmevorschrift, dass jährlich eine Millionen Feldlerchen (Alauda arvensis) gefangen werden dürfen, eine Art, deren Bestand in Westeuropa stark gefährdet ist. Eine ähnliche Ausnahmevorschrift in der französischen Provence erlaubt das willkürliche Fangen von Vögeln mit Leimruten, eine besonders grausame Methode, bei der eine mit Leim überzogene Rute benutzt wird und die nirgendwo sonst in Europa erlaubt ist.
Heyd sagte, die neueste Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs hätte ihm Hoffnung gemacht. „Jetzt haben wir einen Rechtsfall und wir können jedem anderen Land, wie Frankreich und Spanien und auch Italien, mitteilen, dass es Ausnahmevorschriften für jagdbare Arten erlassen kann. Aber nicht für Arten, die nicht gejagd werden dürfen“, so Heyd. Spanien, dass 2004 vor dem Europäischen Gerichtshof zu Rechenschaft dafür gezogen wurde, dass es keine Gesetze gegen Vogelwilderei erlassen konnte, reagierte auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes gegen Malta, indem es sofort das Fangen von Finken für illegal im Land erklärte – ein Beleg dafür, dass die Entscheidung innerhalb der Europäischen Union ernst genommen wird.
Die extreme Ausbeutung ist eine der Hauptbedrohungen für Vögel weltweit. 82 Vogelarten mögen innerhalb der Europäischen Union legal gejagd werden, aber die Behörden führen kein Buch über die jährlichen Fänge. Wissenschaftler sagen, dass das Fehlen dieser Daten effektiven Umweltschutz verhindern könne. In einer Studie aus dem Jahr 2017 schätzt das Komitee gegen den Vogelmord, dass die legale Jagd in Europa für mindestens 53 Millionen tote Vögel im Jahr verantwortlich ist, und die Gesamtzahl der gefangenen Vögel im Mittelmeeraum jährlich zwischen 64 Millionen und 89 Millionen liegt.
Malta präsentiert einen Mikrokosmos des größeren Problems der Vogelwilderei in der Europäischen Union und dem Mittelmeerraum. Die Wilderei ist in den letzten fünfzehn Jahren im Land zurückgegangen durch erfindungsreiche und beharrliche Arbeit vor Ort durch Aktivisten, die kontinuierlich die Einstellung und Aktionen einiger maltesischer Jagdgesellschaften verändert und die Umsetzung der Umweltschutzgesetze der Europäischen Union bewirkt haben. Aber die mangelnde Durchsetzung von Umweltgesetzen ermöglicht weiterhin den illegalen Fang und das Schießen von möglicherweise hunderttausenden Vögeln pro Jahr auf Malta und zehn Millionen im Mittelmeeraum.
„Nur sehr wenige Menschen in Brüssel kennen das Problem,“ so Heyd. „Ich würde sogar mit Sicherheit sagen, dass die Hälfte der Umweltschützer in Europa nicht denkt, dass es ein Problem sei. Sie denken, es gebe nur wenig Vogelfänger, die tausende Vögel fangen. Aber es sind Millionen Vögel. Und wenn Umweltschützer es nicht verstehen, werden es die Behörden nicht verstehen. Deshalb müssen wir immer noch beweisen, dass es ein Problem ist.“
Foto oben: Weißstorch von Carlos Delgado über Wikimedia Commons (CC By-SA 3.0)
Anmerkung der Redaktion: Jason J.Gregg hat als Freiwilliger für das Komitee gegen den Vogelmord von 2016 bis 2018 gearbeitet.
Update (14.01.2019): Wir haben einen Satz hinzugefügt, um klarzustellen, dass Malta bisher die Gesetze des Europäischen Gerichtshofes, das Fangen von Finken zu beenden, zu erfüllen scheint.