- Eine neue globale Initiative, die vom ehemaligen UN-Generalsekretär Ban Ki-moon geleitet wird, soll der Welt helfen, sich den Auswirkungen durch den Klimawandel anzupassen.
- Die Globale Kommission für Anpassung unterscheidet sich von aktuellen Klimainitiativen, die ihren Schwerpunkt größtenteils auf Verringerung setzen, das heißt, sich darum bemühen, die Treibhausgase abzuschwächen.
- Der Start der Kommission fällt zusammen mit einem neuen Report der U.N., der vor den düsteren Konsequenzen des Klimawandels warnt mit Beeinträchtigungen für Hunderte Millionen Menschen weltweit, sollte die globale Erderwärmung nicht unter 1,5 Grad Celsius (2,7 Grad Fahrenheit) gehalten werden.
- Aber selbst, wenn dies Ziel erreicht wird, gibt es irreversible Veränderungen, die sich bereits in jahreszeitlich unüblichen Hitzewellen, mehr zerstörerischen Stürmen und anderen extremen Wetterereignissen zeigen – die eher eine Anpassung als eine Abschwächung durch die Staaten weltweit erfordern werden.
Staatschefs aus 17 Ländern, darunter China und Indien, haben sich für eine neue Initiative zusammengeschlossen, die gefährdeten Ländern helfen soll, die Auswirkungen des Klimawandels bewältigen zu können.
Die Globale Kommission für Anpassung, die am 16. Oktober in Den Haag gestartet wurde, wird von Ban Ki-moon, dem ehemaligen UN-Generalsekretär, dem Microsoft-Mitbegründer und Philanthropen Bill Gates und Kristalina Georgieva , der Geschäftsführerin der Weltbank, geleitet.
Die Kommission sucht nach weiterführenden Maßnahmen, um die globale Erwärmung einzuschränken und sich stattdessen mit der Frage auseinanderzusetzen, wie man den Ländern helfen kann, sich den Bedrohungen des Klimawandels anzupassen.
Der Start der Kommission folgt einem richtungsweisenden Bericht des Weltklimarates (U.N. Intergovernmental Panel on Climate Change -IPCC), der davor warnt, dass der Menschheit nur noch zwölf Jahre bleiben, die globale Erwärmung unter 1,5 Grad Celsius (2,7 Grad Fahrenheit) zu halten. Ein Scheitern, sagt der Bericht voraus, hätte katastrophale Folgen: Bis zu zehn Millionen mehr Menschen wären permanenten Überschwemmungen und einige hundert Millionen mehr Menschen klimabezogenen Risiken ausgesetzt, und dadurch armutsgefährdet. Malaria und Denguefieber würden sich weiter ausbreiten und Ernteerträge von zum Beispiel Mais, Reis und Getreide würden geringer, vor allem in Afrika südlich der Sahara, Südostasien, Mittel- und Südamerika.
„Es ist schwierig, aber möglich, unter 1,5 [Grad Celsius] zu bleiben“, sagte Ban auf einer Pressekonferenz. „Es steht außer Frage, dass die Reduzierung der Emissionen vordringlich ist, und wir müssen alles Mögliche tun, um [globale Erwärmung] zu verhindern. Aber selbst, wenn es gelingt, die Emissionen zu verringern, werden die Veränderungen, die sich bereits im Planetensystem festgesetzt haben, große Hitzewellen, stärkere Stürme und übersäuerte Meere verursachen. Deshalb müssen wir alle Maßnahmen ergreifen, um uns auf die klimatischen Auswirkungen vorzubereiten.“
Extreme Wetterereignisse, die im Zusammenhang mit dem Klimawandel stehen, haben immense Schäden in diesem Sommer angerichtet, der einer der heißesten seit der Temperaturaufzeichnung war. Es gab verheerende Hurrikane in den Vereinigten Staaten, eine beispiellose Hitzewelle in Japan, eine Rekorddürre in Kapstadt und Waldbrände in der Arktis.
Gates sagte, was gefährdete Menschen brauchten, um sich dem Klimawandel anzupassen, sei eine starke Politik.
„Und wir müssen gewährleisten, dass Regierungen und andere Interessengruppen Innovationen unterstützen und helfen, diese Durchbrüche an die Menschen und Orte zu liefern, die sie am dringendsten benötigen“, sagte er auf einer Pressekonferenz. „Wenn jeder seinen Teil erledigt, können wir Kohleemissionen verringern, den Zugang zu bezahlbarer Energie erhöhen und Landwirten weltweit helfen, produktiveres Getreide anzubauen.“
Georgieva sagte, dass ein Scheitern der Anpassung an den Klimawandel die am meisten gefährdeten Gesellschaften der Welt treffen würde.
„Unsere Analyse weist darauf hin, dass jetzt schon extreme Armut in vielen Staaten zunimmt wegen des Klimawandels,“ sagte sie. „Sehr wahrscheinlich werden 100 Millionen Menschen in extreme Armut zurückfallen [bis] 2030 als Ergebnis des Klimawandels, des extremes Wetters, dass sich auf das Leben auswirkt und Existenzen zerstört.“
„Es ist eine grausame Ironie, dass diejenigen, die am wenigsten zum Klimawandel beigetragen haben, die Betroffenen sind und am wenigsten in der Lage, sich vorzubereiten,“ sage sie. „Wir haben eine Wahl: Business as usual und auf das Beste hoffen, oder wir handeln jetzt und bauen eine belastbare Zukunft auf.“
Ein Wettlauf gegen die Zeit
Es gibt ein wachsendes Bewusstsein für die dringende Notwendigkeit von sinnvollen Maßnahmen, um sich dem Klima anzupassen, was die Ergebnisse des neuen Weltklimarat-Berichtes noch unterstreichen. Bislang haben sich die Entscheidungsträger größtenteils auf eine Abschwächung konzentriert – auf Initiativen, die den Ausstoß von Treibhausgasen verlangsamen. Aber trotz ihrer Bemühungen hatten sie wenig vorzuweisen: Energiebedingte Kohleemissionen erreichten letztes Jahr einen Höchststand laut der Internationalen Energiebehörde.
Mittlerweile ist kein Land auch nur annähernd auf die neue Klimarealität vorbereitet, eine, in der es mehr dramatische Wetterereignisse und unberechenbare Jahreszeiten gibt.
Während einige Städte und Länder wie New York und Bangladesch versuchen, sich dem Klimawandel anzupassen, bleibt die Mehrheit, unter anderem kleine Inselstaaten und Entwicklungsländer, hochgradig gefährdet. Für sie bedeutet ein schnellerer Anstieg des Meeresspiegels weniger Zeit, sich anzupassen, zum Beispiel durch Renaturierung der natürlichen Küstenökosysteme und der Verstärkung der Infrastruktur.
Bei den UN-Klimagesprächen 2010 versprachen die Industriestaaten gemeinsam 100 Milliarden US-Dollar oder ein Prozent ihres gemeinsamen Bruttoinlandsproduktes bis 2020 an Entwicklungsländer zu zahlen, um beim Übergang in eine kohlenstoffarme Wirtschaft und bei der Anpassung an die Auswirkungen durch das Klima zu helfen, die sie bereits zu spüren bekommen haben.
Aber die Industriestaaten haben das Versprechen nicht eingelöst. Bis Ende Juli diesen Jahres wurden nur 10,3 Milliarden US-Dollar zugesagt und davon nur 3,5 Milliarden US-Dollar eingesammelt, davon 1,4 Milliarden US-Dollar für Anpassungsprojekte.
Sowohl die Vereinigten Staaten als auch Australien haben erklärt, dass sie nicht mehr Geld zur Verfügung stellen würden.
„Die Welt hat eindeutig im entscheidenden Moment der Anpassung versagt,“ sagte Andrew Steer, Chef des World Resources Institut (WRI), das einer der Verwaltungspartner der Globalen Kommissin für Anpassung ist.
Ban sagte, dass die Finanzierung für die Klimaabschwächung auf 382 Milliarden US-Dollar in den Jahren 2015 und 2016 angestiegen sei, wovon 140 Milliarden aus dem öffentlichen Sektor kamen. Im gleichen Zeitraum hat der öffentliche Sektor gerade mal 22 Milliarden US-Dollar für die Finanzierung der Klimaanpassung gegeben. (Es gibt nur sehr wenige Daten über die private Finanzierung für die Anpassung.)
Es gibt ein ähnliches Missverhältnis bezüglich der Klimafinanzierung durch Entwicklungsorganisationen, bei der drei Viertel für die Klimaabschwächung und der Rest für die Anpassung ausgegeben werden laut Georgieva. Ebenso sind Studien zu Kosten und Nutzen der Bemühungen für die Klimaanpassung ungenügend verglichen mit den Studien zur Abschwächung.
Die Globale Kommission möchte das alles ändern.
Für das erste Jahr plant die Kommission, die Vorbereitung eines Hauptgutachtens zu überwachen, dessen Ergebnisse und Empfehlungen auf dem UN-Klimagipfel 2019 vorgestellt werden. Der Bericht wird den Input der weltweit führenden wissenschaftlichen, ökonomischen und politischen Analyseinstitute berücksichtigen und darlegen, warum die Anpassung an Klimarisiken und beschleunigte Aktionen notwendig sind, welche neue Aktionen nötig sind, was anders gemacht werden muss und wie Regierungen, Firmen und die Bevölkerung jetzt anfangen können, damit die Welt zu einem sicheren und besseren Ort wird.
Dieser Fokus auf eine detailliertere Forschung für die Klimaanpassung wird den Unterschied machen zu anderen Formen von Klimainitiativen laut Ban.
„Die globale Kommission wird über die übliche Forschung hinausgehen, die normalerweise assoziert wird mit dieser Form von Initiative“, sagte er. „Der Bericht wird signifikant sein, weil wir zum ersten Mal darlegen, welch neue Aktionen nötig sind, was anders gemacht werden muss und wie der öffentliche und private Sektor und die Zivilgesellschaft zusammenarbeiten können. Und dieser Bericht wird besonders auf den Nutzen von Anpassungsaktionen abzielen, während frühere Analysen auf die Kosten fokussiert waren.“
Ban sagte, die Stärke der Kommission läge an der Beteiligung von 17 versammelten Staaten und 28 Kommissionsmitgliedern, die alle Regionen des Globus und alle Industrie- und Entwicklungssektoren repräsentieren.
Unter den versammelten Ländern befinden sich sowohl Entwicklungsländer wie die, die den höchsten CO2-Ausstoß produzieren wie China, Indien und Indonesien als auch Industriestaaten wie Kanada, Dänemark, Deutschland, die Niederlande und Großbritannien.
„Das Einzigartige an diesem Bemühen ist, dass wir glauben, politischer Wille kann eine verändernde Kraft sein, die nötig ist, um Handlungen für eine Anpassung zu mobilisieren in einer erforderlichen Größenordnung“, so Ban. „Wir werden beispiellos unterstützt von 15 versammelten Staaten und 23 globalen Kommisionsmitgliedern“ – zur Zeit der Pressekonferenz – „diese Unterstützung kann den politischen Willen nutzen und mobilisieren wie nie zuvor.“
In der Vergangenheit neigten Umweltaktivisten dazu, die Idee der Klimaanpassung als bequemen Weg abzulehnen, wie Al Gore, der frühere US-Vizepräsident und Nobelpreisträger, der sie 1992 in seinem Buch „Wege zum Gleichgewicht“ eine „Art von Faulheit, einen arroganten Glauben in unsere Fähigkeit, rechtzeitig zu reagieren, um unsere Haut zu retten“ nannte.
Georgieva sagte, dass Anpassung an den Klimawandel nicht das Gleiche sei, wie die Niederlage im Kampf gegen den Klimawandel zu akzeptieren.
„Die einfache Wahrheit hier ist, dass wir bereits den Konsequenzen eines wandelnden Klimas gegenüberstehen,“ sagte sie. „Selbst bei einem Grad Temperaturerwärmung sind die Konsequenzen bereits signifikant. Deshalb bedeutet es keine Niederlage, wir sehen der Realität ins Auge.“
Politische Verweigerer
Bemühungen, den Temperaturanstieg auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, werden zunehmend unwahrscheinlicher, da die Kluft zwischen der Wissenschaft und der Politik größer geworden ist.
US-Präsident Donald Trump ist mit seinem Land, die weltweit größte Quelle für historische Emissionen, aus dem Klimavertrag von Paris ausgestiegen. Sein Kabinett hat auch Maßnahmen zurückgefahren, die den Klimawandel verlagsamen sollten.
In einem kürzlichen Interview auf CBS´ „60 Minutes“ sagte Trump, dass er nicht glaube, dass der Klimawandel eine Zeitungsente sei – eine Kehrtwendung zu seiner früheren Haltung der Klimaverleugnung – fragte aber weiterhin, ob es durch menschliche Aktivitäten verursacht werde, was Wissenschaftler entschieden beantwortet haben.
„Ich denke, etwas geschieht gerade. Etwas verändert sich und es wird sich zurück verändern,“ sagte er in dem Interview. „Ich glaube, es ist keine Zeitungsente. Ich denke, es gibt wahrscheinlich einen Unterschied. Aber ich weiß nicht, ob es menschengemacht ist. Ich sage dieses: Ich möchte nicht Billionen und Billionen Dollar ausgeben. Ich möchte nicht Millionen und Millionen Arbeitsplätze verlieren.“
Sein Kabinett ist nicht gerade allein bei der Zerstörung der Hoffnung, die 1,5 Grad Celsius Grenze zu halten. In Brasilien gilt der weit rechts stehende Kandidat Jair Bolsonaro als großer Favorit der Präsidentschaftwahl für die Stichwahl nach einem überzeugenden Vorrundensieg. Wie Trump hat er damit gedroht, dass Brasilien aus dem Parisabkommen aussteigt. Er hat auch geschworen, das Umweltministerium des Landes abzuschaffen und den Regenwald, dessen Fähigkeit, Kohlendioxide zu absorbieren, bereits sinkt, für die mächtige Agrarindustrie des Landes zu erschließen.
Foto oben: Wasserhyazinthen lassen große Farmen schwimmen und schützen vor Fluten, eine einfache Methode, sich an den Klimawandel anzupassen. Foto von Katia Nicolova.