Nackte Hügel: Diese Luftaufnahme zeigt Entwaldung und Bodenerosion auf Madagaskar. Foto : Rhett A. Butler.
Spricht man von Artenvielfalt, dann gehören die stark gefährdeten Wälder Madagaskars vermutlich zu den reichsten Gebieten der Welt. Nach Einschätzung von Wissenschaftlern sind auf der Insel vor der afrikanischen Küste mindestens 10.000 Baum- und Straucharten beheimatet, von denen über 90 Prozent nirgendwo sonst auf der Welt zu finden sind. Bisher wurden kaum grundlegende Daten über die Ökosysteme Madagaskars erhoben, aber eine neue Studie – die erste überhaupt, die die Artenvielfalt der Bäume in den madagassischen Tiefland-Regenwäldern zum Thema hat – möchte bei diesem Prozess einen Anfang leisten. Im öffentlich zugänglichen Journal von mongabay.com, Tropical Conservation Science, haben wir diese aktuelle Studie veröffentlicht, in der drei Tropical Conservation Science haben wir diese aktuelle Studie veröffentlicht, in der drei Baumarten im Betampona-Reservat im Osten Madagaskars untersucht werden.
Alles in allem zählten die Forscher in über hundert Flurstücken mit einer Gesamtfläche von 0,79 Hektar insgesamt 244 Arten von Bäumen und Sträuchern, die zu 49 Familien gehörten. Dies ist eine der höchsten Artendichten weltweit. Es existiert nur eine ähnliche Studie aus Yanomamo in Peru, bei der mehr Arten gezählt wurden: 292 auf einer Fläche von einem Hektar. Aber die Artenvielfalt auf Madagaskar übertraf ähnliche Studien über Tiefland-Regenwälder in Malaysia, Kolumbien, Kamerun und Papua Neuguinea (siehe untenstehende Tabelle).
Der Regenwald auf Madagaskar besitzt aber nicht nur eine enorm hohe Artenvielfalt, sondern ist auch im Vergleich zu anderen Regenwäldern auf der Erde einzigartig.
Wie die Autoren der Studie schreiben, sind die östlichen Tiefland-Regenwälder Madagaskars auch durch ihren einzigartigen Reichtum an Palmen (Arecaceae), Schraubenpalmen (Pandanaceae), Bambus (Graminaceae) und Baumfarnen (Cyatheaceae) bemerkenswert. Die häufigsten Baumarten des Waldgebietes gehörten zu den Euphorbiaceae oder Wolfsmilchgewächsen.
„Die Insel, deren Artenvielfalt mit zu den höchsten auf der Welt gehört, steht in mancher Hinsicht kurz vor dem ökologischen Kollaps”, schreiben die Autoren weiter. Die Regenwälder Madagaskars sind fast vollständig verschwunden; nur 10 Prozent der Primärwälder der Insel haben überlebt.
Aufgrund von Armut, Überbevölkerung, Missmanagement und einem Ackerbau, der auf Brandrodung beruht, sind die meisten Regenwälder Madagaskars entweder verschwunden oder stark gefährdet. Während einer kürzlichen Krise in der Holzwirtschaft wurde sogar in vielen Schutzgebieten illegal abgeholzt. Der Verlust der Wälder des Landes bedroht nicht nur die einzigartigen Spezies der Insel, sondern verschlechtert auch die Lebensbedingungen der Einwohner Madagaskars. Diese sehen sich nun mit drastischer Erosion, Verschlechterung der Bodenqualität, übermäßiger Ausbeutung von Ressourcen und der Zuwanderung fremder Arten konfrontiert.
In der Studie wird prognostiziert, dass bei der Geschwindigkeit, mit der zurzeit die Fragmentierung und Vernichtung insbesondere der Tiefland-Regenwälder voranschreiten, bis zum Jahr 2020 keine Primärwälder mehr außerhalb von Schutzgebieten existieren werden. Dies könnte aber sogar noch früher der Fall sein, da der von Menschen verursachte Druck auf Flora und Fauna sowie auf die Ressourcen, die diese zu ihrem Erhalt benötigen, seit dem Regierungsumsturz Anfang 2009 aufgrund mangelnder Durchsetzung von Schutzmaßnahmen immer stärker anwächst.
Manche Experten warnen, dass Madagaskar in Bezug auf Abholzung und den kompletten ökologischen Kollaps zum nächsten Haiti werden könnte. Dadurch würden die Lebensbedingungen der zumeist armen Bevölkerung des Landes verschlechtert und einer der artenreichsten Lebensräume der Erde zerstört werden.
QUELLEN: Armstrong, A. H., Shugart, H. H. and Fatoyinbo, T. E. 2011. Characterization of Community Composition and Forest Structure in a Madagascar Lowland Rainforest. Tropical Conservation Science Vol. 4(4):428-444.