Ein an den Amazonas-Regenwald angrenzendes Sojafeld. Laut einer neuen Studie muss die Zerstörung von Regenwäldern durch die Landwirtschaft ein Ende haben. Foto: Rhett A. Butler.
Die Vereinten Nationen gehen davon aus, dass Ende diesen Monats die Weltbevölkerung auf 7 Milliarden Menschen angewachsen sein wird und sich somit in weniger als 50 Jahren verdoppelt hat. Doch während die Erde diesen neuen Meilenstein erreicht, leiden eine Milliarde Menschen Hunger. Zugleich ist die rasche Ausdehnung der Landwirtschaft eine der Hauptursachen globaler Umweltzerstörung. Sie trägt zum Ausstoß von Treibhausgasen, zu Waldzerstörung und Meeresverschmutzung, zu einem massiven Rückgang der Artenvielfalt, zu Wassermangel und Bodendegradation bei. Wie können wir also die menschliche Bevölkerung ernähren – die weiterhin zunimmt und voraussichtlich im Jahr 2050 auf neun Milliarden angewachsen sein wird – und zugleich die Ökosystemleistungen erhalten, die weltweit die Nahrungsmittelproduktion gewährleisten? Eine neue, in der Fachzeitschrift “Nature” veröffentliche Studie schlägt einen Fünf-Punkte-Plan zur Lösung dieses Dilemmas vor.
“Viele andere Wissenschaftler und Denker haben Vorschläge gemacht, wie die globalen Umwelt- und Ernährungsprobleme anzugehen wären, aber diese Lösungsvorschläge sind oft fragmentiert und betrachten jeweils nur einen Aspekt des Problems. Außerdem fehlt es oft an Details und einer fundierten Datenbasis”, erklärte Navin Ramankutt, einer der Koautoren der Studie an der McGill University. “Es ist das erste Mal, dass eine solche Bandbreite an Daten innerhalb eines gemeinsamen Bezugsrahmens zusammengeführt wurde. Dadurch konnten wir einige deutliche Muster erkennen, was es wiederum vereinfacht, konkrete Lösungen für die Probleme zu entwickeln, denen wir uns gegenüber sehen.”
Erstens: Die Zerstörung von Ökosystemen, vor allem der Regenwälder, durch die Ausweitung landwirtschaftlicher Flächen muss gestoppt werden. Tropische Regenwälder beherbergen schätzungsweise die Hälfte aller auf der Welt vorkommenden Arten und erbringen lebenswichtige Ökosystemleistungen von der Süßwasserbereitstellung bis hin zur Kohlenstoffdioxid-Fixierung. Laut der Studie ist es möglich die verbleibenden Ökosysteme, einschließlich der Wald- und Graslandökosysteme, zu schützen, ohne dass sich dadurch die landwirtschaftliche Produktion verringern müsste.
Zweitens schlägt das internationale Forscherteam, deren Mitglieder aus Kanada, den USA, Schweden und Deutschland stammen, vor, sich auf die Erhöhung landwirtschaftlicher Erträge zu konzentrieren und zwar mithilfe besserer Nutzpflanzensorten, besserer Genetik (sprich: genetisch veränderter Organismen, GVO) und durch insgesamt bessere Bewirtschaftung derzeitiger landwirtschaftlicher Nutzflächen. Die Autoren gehen davon aus, dass durch die Erhöhung der Ernteerträge auf den existierenden landwirtschaftlichen Nutzflächen die Nahrungsmittelproduktion um 60 Prozent gesteigert werden könnte.
Drittens: Gerechtere Verteilung landwirtschaftlicher Hilfsstoffe, wie Wasser, Düngemittel und Agrarchemikalien. Mit anderen Worten sollte der Einsatz dieser Produktionsmittel der jeweiligen landwirtschaftlichen Region angemessen sein. Derzeit leiden manche Regionen unter deren übermäßigen Einsatz, während es anderen Regionen daran mangelt.
Viertens sollten laut der Autoren die besten Ackerböden nicht für den Anbau von Futtermitteln oder Energiepflanzen genutzt werden. Derzeit wird ein Drittel der Ackerflächen auf der Erde für die Futtermittelproduktion genutzt. Durch eine Ausrichtung auf den Anbau von Nutzpflanzen, die direkt der menschlichen Ernährung dienen, könnten fast 50 % mehr Kalorien pro Person produziert werden. Letztendlich erfordert dies auf globaler Ebene einen Wandel der Ernährungsweise hin zu weniger Fleischkonsum. Zudem konkurriert auf den besten Böden die Erzeugung von Biokraftstoffen mit der Nahrungsmittelerzeugung.
Fünftens müsste das Problem der Nahrungsmittelverschwendung angegangen werden: Ein Drittel der weltweit produzierten Nahrungsmittel verdirbt, wird von Schädlingen gefressen oder landet im Müll. Durch einen effizienteren Umgang könnten 50 % mehr Nahrungsmittel zur Verfügung stehen, ohne dass hierfür mehr Anbaufläche benötigt würde.
Die Forscher gehen davon aus, dass diese fünf Maßnahmen zusammengenommen die globale landwirtschaftliche Produktion verdoppeln und gleichzeitig die Umwelt, die ja letztendlich deren Produktionsgrundlage bildet, schützen würden.
“Wir konnten erstmalig zeigen, dass es möglich ist die Menschen auf der Erde ausreichend zu ernähren und gleichzeitig unseren bedrohten Planeten zu schützen”, sagte Jonathan Foley, Erstautor der Studie und Leiter des Umweltinstituts der University of Minnesota. “Es sind große Anstrengungen erforderlich, um dieses Ziel zu erreichen, aber es ist machbar.”
Allerdings argumentieren andere Forscher, dass sich die Menschheit bei gleichzeitiger Minderung der Umweltauswirkungen der Landwirtschaft nur durch eine Ausrichtung hin zu kleinbäuerlicher und ökologischer Landwirtschaft wird ernähren lassen. Der Einsatz von Chemikalien wie Pestiziden, Herbiziden und Kunstdüngern sowie genetisch veränderte Nahrungsmittel stünden diesem Ansatz diametral entgegen.
ZITIERTE PUBLIKATION: Jonathan A. Foley, Navin Ramankutty, Kate A. Brauman, Emily S. Cassidy, James S. Gerber, Matt Johnston, Nathaniel D. Mueller, Christine O’Connell, Deepak K. Ray, Paul C. West, Christian Balzer, Elena M. Bennett, Stephen R. Carpenter, Jason Hill, Chad Monfreda, Stephen Polasky, Johan Rockström, John Sheehan, Stefan Siebert, David Tilman, David P. M. Zaks. Solutions for a cultivated planet. Nature (2011). doi:10.1038/nature10452.