Zwei Millionen Gnus, Zebras und Thomson-Gazellen, die auf ihrem Weg durch die Serengeti die weltweit größte Wanderung von Landsäugetieren bilden, könnten durch den geplanten Bau einer Straße, die ihre Wanderrute kreuzen würde, einer noch nie dagewesenen Bedrohung ausgesetzt werden. Nur 2.200 km weiter nördlich, in Äthiopiens Gambela-Nationalpark, wird eine weit weniger bekannte, aber fast genauso umfangreiche Wanderung mit ähnlichen Problemen konfrontiert. Die Wanderung von über einer Million Weißohr-Kobs, Tiang-Antilopen und Mongalla-Gazellen beginnt im Südsudan und überquert die Grenze nach Äthiopien und in den Gambela-Nationalpark. Dort stößt sie jedoch laut Fred Pearce von Yale360 auf große Agrarbetriebe, die immer weiter in die Wildnis vordringen. Der Gambela-Nationalpark ist nämlich nicht nur die Heimat für Millionen von Wildtieren, sein fruchtbarer Boden lockt auch ausländische Investoren ins Land.
Pearce zufolge hat Äthiopien 400.000 Hektar Land, ein großer Teil davon innerhalb des Nationalparks, an ausländische Agrarbetriebe wie den indischen Konzern Karuturi Global Limited und die Firma Saudi Star des Milliardärs Scheich Mohammed Hussein Ali Al Amoudi verpachtet. Das Problem ist, dass der Status des Nationalparks nicht eindeutig geklärt ist.
„Offensichtlich ist der Park, obwohl er auf Landkarten eingezeichnet ist, nie offiziell als solcher deklariert worden. Laut Cherie Enawgaw von der Ethiopian Wildlife Conservation Authority, einer Regierungsbehörde, verfügt der Park zwar über einige Ranger, aber es gibt keinen Verwaltungsplan und keine klar definierten Grenzen“, Pearce schreibt. Momentan plant die äthiopische Regierung, die Grenzen des Parks zu versetzen, um ihren Agrarentwicklungsplänen gerecht zu werden.
Yale360 berichtet außerdem, dass durch ausländische Agrarinvestitionen die örtliche Bevölkerung des Anuak-Stammes geschädigt wird. Durch die Landwirtschaft wird die Tier- und Pflanzenwelt der Wälder zerstört, die die Lebensgrundlage dieser Menschen bildet.
In Zeiten weltweit explodierender Lebensmittelpreise und wachsender Sorgen über die Ernährungssicherheit wird Afrika von vielen als die letzte Grenze der landwirtschaftlichen Expansion betrachtet. Einige aufstrebende Nationen, wie China oder Südkorea, haben sogar begonnen, große Landstriche in Afrika zu einem billigen Preis zu pachten, um die Ernährung ihrer wachsenden Bevölkerung sicherzustellen.
Die zweitgrößte Wanderung von Landsäugetieren der Welt, die aufgrund des Sumpfgebiets, wo sie beginnt, als Sudd-Wanderung bezeichnet wird, wurde erst kürzlich entdeckt. Im Jahr 2007 untersuchte die Wildlife Conservation Society (WCS) den Südsudan und stellte fest, dass die Tierwelt den jahrzehntelangen Bürgerkrieg in dieser Region überraschend gut überstanden hatte. Neben mehr als einer Million wandernder Antilopen leben hier auch gesunde Populationen Afrikanischer Büffel, Giraffen, Löwen und tausende Elefanten.
“Ich habe noch nie eine solche Vielzahl an Tieren gesehen, nicht einmal beim Flug über die Massenwanderungen in der Serengeti”, erklärte der bekannte Naturschützer und Leiter der Untersuchung, J. Michael Fay, im Jahr 2007.
Aber werden diese riesigen Herden auch in Zukunft die afrikanischen Savannen durchstreifen?