Amazonas-Schwimmer Martin Strel. Foto mit freundlicher Genehmigung von amazonswim.com.
Schon seit Jahrhunderten befahren wagemutigen Erforscher den mächtigsten Fluss des Planeten. Die Reisen zahlloser Menschen wurde frühzeitig beendet, als sie in seinen trüben Wassern ertranken, von Tieren gefressen wurden, sich verfuhren, Tropenkrankheiten erlagen oder von Piraten oder feindseligen Eingeborenen umgebracht wurden. Heutzutage ist eine Fahrt auf dem Amazonas jedoch weitaus weniger außergewöhnlich: einige unerschrockene Abenteurer haben den Fluss inzwischen sogar mit Floß und Kajak bewältigt, und die Gesamtlänge des Amazonas lässt sich nun mit Leichtigkeit auf einem kommerziellen Boot überqueren, insofern die nötige Zeit und Geduld vorhanden sind.
Doch dann traute sich ein Slowene etwas Unglaubliches: er schwamm den gesamten Fluss hinunter.
Das Abenteuer dauerte 66 Tage und brachte enorme körperliche und psychische Beanspruchungen mit sich, doch Martin Strel überlebte, und drückte dadurch eine einfache, aber kraftvolle Nachricht aus: wir sind eins mit unserer unserer Umwelt.
Strels Reise über 5.268 Kilometer ist das Thema eines neuen Dokumentarfilms namens “Big River Man”, der auf dem Sundance Festival 2009 einen Preis für die beste Kamera erhielt.
In einem Interview im Dezember 2010 diskutierte Strel sein Abenteuer mit mongabay.com, und erzählte von seinem Trainingsprogramm, seiner Botschaft, seiner Motivation und den Herausforderungen, die sich ihm auf seinem Weg stellten: Erschöpfung, Krankheit, und Bedrohungen durch Kaimane, Piranhas, Treibholz und reißende Strömungen.
EIN INTERVIEW MIT MARTIN STREL, MARATHONSCHWIMMER
mongabay.com: Was hat Dich dazu inspiriert, die größten Flüsse der Erde zu beschwimmen?
Martin Strel. Foto mit freundlicher Genehmigung von amazonswim.com. |
Martin Strel: Schon seit ich klein war, habe ich es geliebt, im Wasser zu sein – man könnte fast sagen, das Wasser sei mein zweites Zuhause. Meine Liebe zu diesem wunderbaren Element, dem WASSER, ist zweifelsohne der Grund für das, was ich heute mache. Als ich später in meiner Karriere als arathonschwimmer feststellte, wie wichtig sauberes, frisches Wasser für uns ist, entschied ich mich, für meine Gefühle zum Wasser und zu unserer Umwelt auszusprechen. Inzwischen ist mein Schwimmen nicht mehr nur Schwimmen: ich studiere und beobachte auch die Qualität des Wassers, während ich mich meinen Herausforderungen stelle.
mongabay.com: Hattest Du jemals Angst, als Du im Amazonas schwammst? Immerhin gibt es dort allerlei Kreaturen, groß und klein, die ordentlichen Schaden anrichten könnten. Welche Vorsichtsmaßnahmen haben Du und Dein Team getroffen? Wurde es auch mal knapp?
Martin Strel: Stimmt, der Amazonas ist keine ideale Umgebung zum Schwimmen. Die Artenvielfalt ist fantastisch, und wir müssen solche wertvollen Gegenden unserer Erde um jeden Preis beschützen. Mein Team und ich haben den Fluss und seine Umgebung über einige Jahre hinweg studiert, bevor wir schwammen. Ich selbst reiste dreimal hin, denn ich wollte alle Details des Wassers genau kennen – was sich darin befindet, was sich um das Wasser herum befindet, und was im Himmel über dem Wasser ist. Es gibt so viele Dinge, die man neben dem eigentlichen Schwimmen kennen und wissen muss. Ich hatte großes Glück, so viele großartige Menschen zu treffen, die mir bei meinem Erfolg geholfen haben. Nochmals vielen Dank an mein Team, dafür, dass ihr so hart gearbeitet und immer an mich geglaubt habt.
Schutz vor Amazonaspiraten. Foto mit freundlicher Genehmigung von amazonswim.com. |
Es wurde ab und zu recht knapp. Mein Rücken hat ein paar Piranhabisse abbekommen, ich hatte eine sehr nahe Begegnung mit einer tödlichen Schlange namens Buschmeister, und sah auch einige Alligatoren und Jaguare, die sich aber nicht besonders für mich interessierten. Ich glaube, die Amazonasdelphine haben mir das Leben gerettet, und mir dabei geholfen, meine Reise zu beenden. Sie folgten mir den ganzen Weg entlang, schwammen jeden Tag sehr nah bei mir, und ich glaube felsenfest daran, dass sie dort waren, um mich zu beschützen. Ich konnte sie über und unter Wasser kommunizieren hören – extrem beeindruckend.
Aber um auf die Gefahren zurückzukommen: vor den meisten Tieren und anderen Lebewesen hatte ich keine Angst; ich glaubte irgendwie, dass ich zu einem Teil ihrer Umgebung werden könnte, und das wurde ich dann auch. Ich fürchtete mich hauptsächlich davor, in einem der wilden Strudel zu ertrinken, mich auf irgendeine Art zu verletzen, oder durch Bakterien und Parasiten krank zu werden. Um mich von all diesen Gefahren abzulenken, gewöhnte ich mir an, einfach zu vergessen, wo ich war. Dadurch habe ich es geschafft, in den trüben, düsteren Wassern einfach weiterzuschwimmen, obwohl ich nichts sehen konnte, und der Dschungel um mich herum voller merkwürdiger Geräusche war.
mongabay.com: Und die körperlichen Herausforderungen? Die Stromschnellen im Bereich des oberen Amazonas, und Treibholz?
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Martin Strel: Ja, es gibt Stromschnellen, und am gefährlichsten sind die Unterwasserströmungen dort, wo zwei Flüsse sich treffen und Strudel entstehen. Es ist ziemlich beängstigend, da zu sein, denn man ist selbst so schwach, dass das Wasser einen einfach herunter zieht. Man kann sich einfach von der Luft zum Atmen verabschieden. Nicht nur Treibholz befindet sich im Wasser, sondern ganze Inseln; Teile des Flussbettes und Bäume werden flussabwärts gespült, wenn der Regen besonders intensiv ist. Das Wasser ist so kraftvoll, dass es den Boden mit sich reißt, wenn es die Richtung wechselt.
mongabay.com: es Bereiche des Flusses, die weniger angenehm waren als andere? Hattest Du Probleme mit Wasserverschmutzung in der Nähe von Großstädten? Wie war es am Flussdelta mit seinen Gezeitenwellen?
Martin Strel: Hmm, an manchen Stellen hatte ich eine tierische Angst. Am Anfang gab es einen Punkt, an dem vor einigen Jahren 170 Menschen ums Leben kamen, als ihr Boot einfach komplett unter Wasser gezogen wurde. Und an genau diesem Punkt mussten wir vorbei, als wir die Konfluenz des Ucayali und des Pachitea passierten. Der Amazonas hat viele Namen, und im oberen Bereich wird er auch ‘Ucayali’ genannt. Außerdem gab es Stellen im unteren Bereich (nach Santarém), von denen wir wussten, dass es dort Piraten gibt, die uns wahrscheinlich als einfache Beute ansehen und verfolgen würden, um uns dann anzugreifen.
Gezeitenwellen sind in dem riesigen Flussdelta normal und ich rechnete mit ihnen, von daher waren wir vorbereitet. Aber die Gezeiten waren zu gewissen Zeiten so stark, dass ich ab und zu nachts geschwommen bin, um überhaupt voranzukommen.
Mit Verschmutzung durch Städte hatten wir keine Probleme, das Wasser roch nur ein wenig anders. Der Fluss ist dunkel und trüb und man kann absolut nichts sehen, aber ich glaube, es ist noch nicht chemisch verschmutzt.
mongabay.com: Was waren für Dich die größten Herausforderungen beim Durchschwimmen des Amazonas?
Martin Strel. Foto mit freundlicher Genehmigung von amazonswim.com. |
Martin Strel: Zuallererst die Herausforderung, die Reise vom Anfang bis zum Ende durchzuziehen. Zweitens, den Menschen bewusst zu machen, wie wichtig Regenwälder und sauberes Wasser sind. Drittens, meine Geschichte durch alle möglichen Medien zu verbreiten: Bücher, Filme, das Internet, etc. Ich habe das Gefühl, dass die Geschichte sehr erfolgreich ist, und dass ich meinen Plan verwirklicht habe. Es ist meine bisher größte Leistung, und ich hoffe, dass es Menschen gibt, die sich dadurch inspiriert fühlen.
mongabay.com: Als Du den Fluss endlich durchschwommen hattest, warst Du in einer sehr schlechten Verfassung. Was waren Deine schlimmsten gesundheitlichen Probleme, und wie lange hat es gedauert, bis Du dich erholt hattest?
Martin Strel: Ja, in den letzten Tagen war ich wirklich nicht auf der Höhe. Abgesehen davon, dass ich nach zwei Monaten des Schwimmens völlig erschöpft war, hatte ich mir auch eine Parasitenkrankheit namens ‘Bilharziose’ oder ‘Schistosomiasis’ zugezogen, und mein ganzes Gesicht war von der Sonne verbrannt. Ich war auch psychisch sehr schwach, und am Ende schleppte ich mich nur noch voran. Es hat lange gedauert, bis ich wieder auf den Beinen war. Körperlich war ich nach ein paar Monaten in Ordnung, aber ich
wache heute noch ab und zu nachts auf und kann wegen der schlimmen Erinnerungen und des psychischen Traumas nicht mehr einschlafen. Aber das glückliche Ende erlaubt mir, weiterzumachen und mich auf neue Herausforderungen zu freuen.
mongabay.com: Wie waren die Reaktionen auf Dein Abenteuer? Haben die Menschen Deine Nachricht verstanden?
Martin Strel: Die Reaktion war und ist großartig. Das wird voraussichtlich auch eine Weile lang anhalten, denn nicht viele Menschen machen, was ich mache. Ich glaube, die Leute haben meine Botschaft begriffen. Ich hoffe, dass ich einige dazu inspiriert habe, sich ihren eigenen Herausforderungen zu stellen, und mehr über unsere Umwelt nachzudenken.
mongabay.com: Du hast die Donau, den Mississippi und den Jangtsekiang durchschwommen, und nun auch den Amazonas. Der Kongo scheint zu gefährlich zu sein; was kommt also als nächstes, jetzt, da Du den mächstigsten Fluss von allen bezwungen hast? Oder willst Du Dich erstmal für eine Weile ausruhen?
Martin Strel: Schaut euch bitte diesen Artikel an, der meine nächste Herausforderung beschreibt, den Colorado River in den USA:
Marathon swimmer Martin Strel to take on the Grand Canyon
mongabay.com: WWie bereitest Du Dich auf ein solches Schwimmabenteuer vor? Abgesehen vom Training, wie beschaffst Du das notwendige Geld für diese Unternehmungen?
Martin Strel: Ich trainiere mehrere Stunden täglich, durch Schwimmen am Morgen und anderen Freiluftaktivitäten am Nachmittag, von Skilanglauf über Bergsteigen bis hin zu Gymnastikübungen und Meditation. Ich weiss, dass ich ohne extreme körperliche und psychische Vorbereitung keinen Erfolg haben werde. Im Endeffekt wurde mir klar, dass die geistige Vorbereitung und meine lange Erfahrung mit psychologischem Training wichtiger sind als meine körperliche Kraft. Außerdem muss ich mich mästen wie ein Bär, bevor ich anfange. Als ich in Atalaya (Peru) losschwamm, wog ich 114 Kilo; als ich fertig war, waren es nur noch 97. Man kann sich einfach nicht vollständig im Voraus darauf vorbereiten, 66 Tage lang gegen schlammiges Amazonaswasser anzuschwimmen, besonders mit den ganzen Gefahren um einen herum. Ich habe es größtenteils durch mentale Kontrolle geschafft, indem ich mich in eine meditative Stimmung versetzte. Das ist wohl auch der Grund dafür, dass viele Leute mich heutzutage “Fischmann” oder “menschlicher Fisch” nennen. Meine Gliedmaßen und meine gesamte Ausrüstung waren lediglich Werkzeuge, die mich weitermachen ließen.
mongabay.com: Gibt es etwas, dass Du den Lesern von mongabay.com mitteilen möchtest?
Martin Strel: Sucht nach der richtigen Motivation, einer Herausforderung, der ihr euch stellen möchtet, und verfolgt dann euren Traum. Meine Träume sind wahr geworden, und ich glaube, dass ihr das auch könnt.