- Ein Drittel der weltweiten Treibhausgasemissionen entfallen auf die Landwirtschaft und die Lebensmittelindustrie, daher spielen diese Sektoren bei den Bemühungen, die Überschreitung der planetarischen Klimagrenze zu bekämpfen eine entscheidende Rolle. Sie haben auch tiefgreifende Auswirkungen auf Süßwassersysteme, biologische Vielfalt und biogeochemischen Kreisläufe.
- Neue und aufkommende Technologien könnten in den nächsten zwei Jahrzehnten den Weg zu einer emissionsfreien Landwirtschaft ebnen, indem sie Robotik, Elektrofahrzeuge, verbesserte Pflanzenvarianten und dezentralisierte Überwachungssysteme einsetzen, zeigt eine neue Studie. Die Präzisionslandwirtschaft könnte die Emissionen um 71% senken und dazu beitragen Kohlenstoffspeicher in der Erde aufzubauen.
- In einer zweiten Studie wird berichtet, dass der Anbau von Einzellerprotein unterstützt von Sonnenkollektoren einen bis zu zehnmal höheren Proteinertrag pro Flächeneinheit erzielen könnte als der Anbau von Nutzpflanzen wie Soja, wodurch die Treibhausgasemissionen aus der Landumwandlung und synthetischen Düngemitteln reduziert würden.
- Ein dritter Bericht zeigt, dass Europa bis 2050 eine geschätzte Bevölkerung von 600 Millionen Menschen allein durch ökologischen Landbau ernähren könnte, indem man den Konsum von tierischen Produkten auf etwa 30% der Gesamtnahrungseinnahme reduziert, Fruchtfolgen einführt und Viehzucht und Ackerbau durch die Verwendung von Dung wieder miteinander verbindet.
Neue und aufkommende Technologien könnten den Weg zu einer kohlenstofffreien Landwirtschaft in den nächsten zwei Jahrzehnten ebnen, so eine Studie die letzten Monat in der amerikanischen Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) veröffentlicht wurde.
Zahlreiche neue und aufkommende Agrartechnologien stehen am Horizont, die unser Denken über die Nahrungsmittelproduktion revolutionieren könnten, aber ein separater Bericht der in der Fachzeitschrift One Earth veröffentlicht wurde, legt nahe, dass Low-Tech-Lösungen ebenso effektiv sein könnten.
Landwirtschaft und Nahrungsmittelproduktion sind für 34% der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich, was diese Sektoren zu einem entscheidenden Faktor bei den Bemühungen macht die derzeitige Überschreitung der planetarische Klimabelastungsgrenze zu bewältigen. Dieser Sektor hat auch tiefgreifende Auswirkungen auf Süßwassersysteme, biologische Vielfalt und den Stickstoff- und Phosphornährstoffkreislauf – dieses sind alle planetarische Belastungsgrenzen, die wir ausgleichen müssen wenn wir die Erde für zukünftige Generationen bewohnbar halten wollen.
Doch in der Agrar- und Ernährungsproblematik liegt möglicherweise eine einmalige Chance für Klimalösungen: Das liegt daran, dass die Produktivität und letztlich auch die Rentabilität der Agrar- und Ernährungssysteme auf der Photosynthese beruhen, einem Prozess, der CO2 aus der Atmosphäre entfernt und auch daran, dass unsere landwirtschaftlichen Flächen ein enormes Potenzial haben, zu einer Netto-Kohlenstoffsenke zu werden und einen positiven Beitrag zur Bewältigung der Klimakrise zu leisten.
Schlüsselrolle neuartiger Technologien bei der Verringerung der Kohlenstoffemissionen
In einem perspektivischer Artikel für PNAS verglichen Daniel Northrup und Kollegen die prognostizierten Treibhausgasemissionen verschiedener Agrarnahrungsmitteltechnologien mit den aktuellen Emissionen des Maisanbaus.
Sie kamen zu dem Ergebnis, dass eine Kombination neuartiger Technologien – dazu gehören digitaler Landwirtschaft, Pflanzengenetik und Elektrofahrzeugen – als Teil eines dreistufigen Übergangs eine 71%ige Reduzierung der Treibhausgasemissionen aus der Reihenkultur in den nächsten 15 Jahren. Gleichzeitig zielen diese Praktiken auf den Aufbau von Kohlenstoffspeichern im Boden ab, was den Weg zu negativen Nettoemissionen des Sektors ebnen könnte.
In der ersten Phase soll die derzeitige Agrarnahrungsmitteltechnologie mithilfe digitaler Landwirtschaft optimiert werden. Diese Methode reduziert die Nutzung von Stickstoffdünger, indem kleinere Mengen mit größerer Präzision verwendet werden, was Emissionen um 23% senken könnte.
Als Nächstes sollen bestehende Technologien durch emissionsarme Alternativen ersetzt werden, einschließlich umweltfreundlicher Methoden zur Synthese von Düngemitteln und des Ersatzes von mit fossilen Brennstoffen betriebenen landwirtschaftlichen Geräten durch elektrische Alternativen, die mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Dieser Schritt könnte die selektive Züchtung oder gentechnische Veränderung bestimmter Pflanzeneigenschaften miteinbeziehen, wie z. B. eine verbesserte Stickstoffaufnahme durch Pflanzenwurzeln.
Die letzte Stufe des agrartechnischen Wandels würde eine völlige Umgestaltung des Agrarsystems bedeuten, bei der Schwärme von kleinen Landwirtschaftsrobotern zum Einsatz kämen, um automatisierte Präzisionslandwirtschaft mit hochleistungsfähigen Pflanzensorten zu betreiben, die von plazierten Sensoren gesteuert werden. Ein fortschrittliches landwirtschaftliches System dieser Art könnte der Studie zufolge die Kohlenstoffemissionen um mehr als 1.700 Kilogramm pro Hektar reduzieren.
“Der Bericht konzentrierte sich auf eines der am weitesten verbreiteten Anbausysteme der Welt – der hochintensive Maisanbau – und erarbeitete einen Weg zur drastischen Dekarbonisierung”, erklärte Northrup.
Er argumentierte, dass Hightech-Lösungen den Übergang zu einem nachhaltigeren Pflanzenanbau beschleunigen können, der lebenswichtige Ökosystemleistungen wie die Bindung von Kohlenstoff und die Wasserfilterung aufrechterhält. “Da diese Methoden problemlos auf den aktuellen Agrarmärkten eingesetzt werden können, sind sie ein hervorragender Start, um Vertrauen aufzubauen und sich eine Einigung auf nachhaltige [landwirtschaftliche] Lösungen zu erreichen”, sagte er.
Lösungen zur Dekarbonisierung der Viehbestände
Aber Kulturen erzählen nur die Hälfte der Geschichte, sie definieren nur die Hälfte des Problems und die Hälfte der Lösung: 50% der landwirtschaftlichen Emissionen stammen aus der Tierproduktion, und auch hier können neue Technologien helfen.
In einer separate Studie ebenfalls in der Fachzeitschrift PNAS veröffentlichten Studie untersuchte ein Team unter der Leitung von Arren Bar-Even vom Max-Planck-Institut für molekulare Pflanzenphysiologie in Deutschland, wie mikrobielles Protein genutzt werden könnte, um den ökologischen Fußabdruck der Fleischproduktion zu verringern und gleichzeitig ein gesundes, nachhaltiges, veganes Protein für den menschlichen Verzehr anzubieten.
Seit dem Ersten Weltkrieg werden Mikroben zur Herstellung von Proteinen für Futter- und Lebensmittel kultiviert, und in jüngster Zeit haben viele Unternehmen mikrobielle Systeme entwickelt, um dieses “einzellige Protein” (“single-cell protein” auch SCP genannt) als Quelle für Tierfutter, Fischfutter und kommerzielle Lebensmittel zu produzieren. Normalerweise verwenden Unternehmen Methan oder landwirtschaftlich angebauten Zucker, um Bakterien für Futter- und Lebensmittel zu züchten, aber die Produktion beider Substrate ist mit entsprechenden Umweltauswirkungen verbunden.
In der neuen Studie wurde jedoch festgestellt, dass diese Auswirkungen durch eine einzellige Proteinkultivierung mit Hilfe von Solarzellen umgangen werden könnten. Mit dieser neuen Technologie, die als photovoltaisches einzelliges Protein (PV-SCP) bezeichnet wird, könnte ein bis zu zehnmal höherer Proteinertrag pro Flächeneinheit erzielt werden als mit Nutzpflanzen, wie Soja, wodurch die Treibhausgasemissionen aus der Landumwandlung und synthetischen Düngemitteln verringert würden.
“Ingenieurwesen [und] Elektrochemie sind in bestimmten Dingen sehr gut, und die Biologie ist in anderen Dingen sehr gut, und wenn wir das Beste aus beiden nehmen, können wir neue Möglichkeiten erschließen, die vorher nicht verfügbar waren”, sagte der Hauptautor der Studie, Dorian Leger, der jetzt ein Praktikum bei der Europäischen Weltraumorganisation macht.
Das Verfahren funktioniert folgendermaßen: Der Strom aus einer Solarfarm wird in eine elektrochemische Einheit geleitet, die das aus der Atmosphäre abgeschiedene CO2 aus der Atmosphäre nutzt, um ein energiereiches Wachstumsmedium für mikrobielles Protein zu erzeugen, das dann in Tierfutter umgewandelt oder als essbares Protein für eine Vielzahl von menschlichen Lebensmitteln weiter gereinigt werden kann. Das produzierte Protein ist sehr nahrhaft und erfüllt die Empfehlungen der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) für eine gesunde Aminosäurenzusammensetzung und ist außerdem reich an B-Vitaminen.
Das Team berechnete die Energieeffizienz von PV-SCP und Nutzpflanzen und fand heraus, dass mit dieser Technik 1,2 kg Protein pro Quadratmeter Land pro Jahr erzeugt, werden können – zehnmal mehr als mit der ertragreichsten alternativen Nutzpflanze, Soja, die im Durchschnitt 0,115 kg Protein pro Quadratmeter pro Jahr liefert.
Die rapide Einführung dieser Technologie könnte die Rettung des Amazonas-Regenwaldes und der Cerrado-Savanne in Brasilien bedeuten, wo jedes Jahr riesige Flächen der ursprünglichen Vegetation in Soja umgewandelt werden.
“Die Photosynthesemaschinerie der Pflanzen ist, gelinde gesagt, unglaublich beeindruckend, aber es überrascht mich nicht, dass die vom Menschen entwickelten Systeme sie in Bezug auf die Energieeffizienz übertreffen können”, so Leger.
Mikroben können den Großteil ihrer Energie in die Produktion von Proteinen stecken, während Nutzpflanzen wie Soja zusätzliche Energie in Wurzelsysteme, Blätter und andere nicht essbare Komponenten investieren müssen, erklärte er. SCP umgeht auch einen wichtigen Kompromiss, der bei Pflanzen zwischen Photosynthese und Wasserverlust besteht, da Mikroben in geschlossenen Behältern gezüchtet werden können, in denen fast kein Wasser durch Verdunstung verloren geht. Der Prozess schützt also eine weitere planetarische Belastungsrenze: unsere Süßwassersysteme.
Neue Konzentration auf alte, Low-Tech landwirtschaftliche Techniken
Trotz großer Begeisterung, Forschung und Investitionen neue Agrartechnologien sind einige Experten der Meinung, dass das gleiche Ziel auch mit bestehenden, Low-Tech Lösungen erreicht werden könnte. Der Schlüssel: ein geschlossener Stickstoffkreislauf in der Landwirtschaft.
Eine weitere neue Studie die in der Fachzeitschrift One Earth veröffentlicht wurde, berichtet, dass Europa durch die Umsetzung von drei einfachen Prinzipien seine wachsende Bevölkerung ernähren, seine Abhängigkeit von Futtermittelimporten beenden und eine erhebliche Reduzierung der Treibhausgasemissionen erreichen könnte.
Die drei Grundsätze: den Konsum tierischer Erzeugnisse reduzieren, ökologische Fruchtfolgesystem einführen und die Verbindung zwischen Tierhaltung und Ackerbau wiederherstellen durch den Gebreauch von Dung.
„Was überraschend ist, ist dass wir durch ökologischen Landbau, ohne synthetische Düngemittel, nur durch die Umstellung der Viehbestände und die Anpassung unserer Ernährung an die Gesundheitsstandards, die gesamte Bevölkerung ernähren können”, sagte der Hauptautor der Studie, Gilles Billen, ein Biogeochemiker und emeritierter Forschungsdirektor am französischen Nationalen Zentrum für wissenschaftliche Forschung (CNRS) in Paris.
Die Forscher haben berrechnet, dass regional angepasste Fruchtfolgesysteme, die den Ackerbau direkt mit der Viehzucht verbinden, im Jahr 2050, einem Zeitpunkt zu dem die Bevölkerug voraussichtlich ihren Höhepunkt erreicht haben wird, den Proteinbedarf von 600 Millionen Europäern decken könnten.
“Durch den Einsatz von Leguminosen – Pflanzen, die in der Lage sind, atmosphärischen Stickstoff in Proteinen in ihren Wurzeln zu binden – als Hauptbestandteil der Fruchtfolge kann dem Boden auf natürliche Weise viel Stickstoff zugeführt werden”, so Billen. Diese Art von vielfältigen Fruchtfolgen reduzieren auch Schädlinge und Krankheiten, die unter den gleichförmigen Bedingungen landwirtschaftlicher Monokulturen gedeihen, und verringern oder beseitigen somit den Bedarf an Pestiziden, die eine weitere planetarische Belastungsgrenze, nämlich die Verschmutzung neuartiger Organismen, betreffen.
Es dreht sich alles um den Stickstoff
Anstatt auf neue Technologien zu setzen, sieht Billens Szenario eine Rückkehr zu landwirtschaftlichen Prinzipien vor, die noch vor einem Jahrhundert gang und gäbe waren, die nun aber durch modernes agrarökologisches Know-how verbessert werden können.
In Europa herrschten damals Mischkulturen und Viehzuchtbetriebe vor, die den Viehdung zur Düngung einer vielfältigen Fruchtfolge verwendeten, darunter auch stickstoffbindende Leguminosen wie Klee und Luzerne. Diese alten Vorgänge wurden durch die Entdeckung des Haber-Bosch-Verfahrens im Jahr 1909 ersetzt. Bei diesem Verfahren wird Stickstoff unter hohem Druck und bei hohen Temperaturen aus der Atmosphäre extrahiert, was die die Landwirtschaft revolutionierte und billige synthetische Düngemittel leicht verfügbar machte.
Bis 2015 trug das Haber-Bosch-Verfahren zur Ernährung von schätzungsweise 44% der Weltbevölkerung bei. Der Haken: Für jede gewonnene Tonne Stickstoff, verbraucht das Haber-Bosch-Verfahren eine Tonne fossiler Brennstoffe und setzt dabei 1,87 Tonnen CO2 frei. Dieser industrielle Prozess alleine, ist für schätzungsweise 1,2% der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich.
Die Ironie dabei ist, dass nach dem hohen Energieaufwand für die Verarbeitung des Stickstoffs ein Großteil davon nicht in unsere Pflanzen gelangt.
“Die Schnittstelle zwischen Pflanze und Boden ist sehr ineffizient, was den Umgang mit Stickstoff angeht. Nur 50% des Stickstoffs, den wir als Dünger ausbringen, landet in unseren Lebensmitteln”, erklärt Leger.
Der Rest verwandelt sich in Umweltverschmutzung – er wird in die Gewässer gespült, wo er schädliche Algenblüten verursachen kann, oder er wird aus dem Boden zurück in die Atmosphäre freigesetzt. Hier wirkt es als starkes Treibhausgas mit dem 265-fachen Klimaerwärmungspotenzial von CO2. Tatsächlich hat der Missbrauch des Stickstoffkreislaufs durch die Menschheit bereits zu einer der schlimmsten Überschreitungen einer der planetarischen Belastungsgrenzen geführt.
“Obwohl dies oft übersehen wird, ist unser Einfluss auf den Stickstoffkreislauf viel größer als der Einfluss auf den Kohlenstoffkreislauf, und dieser hängt stark davon ab, wie wir unsere Lebensmittel produzieren”, so Silvio Matassa, Postdoktorand an der Universität Neapel in Italien und Mitautor der PV-SCP-Studie.
“Eine der schrecklichsten Folgen der Verallgemeinerung des Einsatzes von Haber-Bosch-Stickstoff-Synthetikdünger ist die Tatsache, dass dadurch eine völlige Entkopplung von Getreideanbau und Viehzucht möglich wurde”, so Billen. Im Zuge der Produktionsausweitung konzentrierten sich die Landwirte in den fruchtbarsten Regionen auf den Anbau hochproduktiver Getreidekulturen und verdrängten die Viehzucht in weniger fruchtbare Regionen, in die Futtermittel importiert werden mussten.
“Dies [die landwirtschaftliche Spezialisierung] führt zu einer schrecklichen Dysfunktionalität, weil man nicht in der Lage ist, die biogeochemischen Kreisläufe zu schließen”, erklärte er.
Durch die enge Verknüpfung von Viehzucht und Ackerbau im 2050-Szenario der Modellstudie konnten Billen und Kollegen die Abhängigkeit von synthetischen Stickstoffdüngern zugunsten von Dung und Leguminosen drastisch reduzieren, was zu einer 57%igen Verringerung der Stickstoffemissionen führte.
Auch andere Quellen von Stickstoffabfällen könnten in die Landwirtschaft umgelenkt werden. So sind beispielsweise Kläranlagen gesetzlich verpflichtet, Stickstoff zu entfernen, um zu verhindern, dass er in Bäche und Flüsse gelangt; nach der Extraktion wird er als Stickstoff und das Treibhausgas Lachgas wieder in die Atmosphäre freigesetzt.
“Das ist natürlich völlig verrückt, denn es handelt sich um denselben Stickstoff, den man mit einfachen Systemen beliebig lange wiederverwenden kann, ohne diesen Energieaufwand und ohne die damit verbundenen Treibhausgasemissionen”, so Billen. “Deshalb war es für uns ganz selbstverständlich, [die Wiederverwendung von Abwasserstickstoff] in unser Szenario zu integrieren.”
Die Wiederverwendung des aus dem häuslichen Abwasser gefilterten Stickstoffs in der industriellen Landwirtschaft könnte eine ökologische und wirtschaftliche Win-Win-Situation darstellen, da für jede Tonne wiederverwendeten Stickstoffs etwa 2 Tonnen fossile Brennstoffe eingespart werden.
Ähnliche Inhalte aus dem Mongabay-Podcast, hier (auf Englisch) anhören:
Die Ernährung ändern, die Welt verändern
Die für diesen Artikel befragten Experten sind sich einig, dass eine Verringerung der Dominanz von tierischen Produkten in der westlichen Ernährung eine notwendige Veränderung ist, wenn wir eine wachsende Weltbevölkerung mit einer gesunden, nachhaltigen und gerechten Ernährung versorgen wollen.
Der Anteil an tierischem Protein in der europäischen Ernährung ist von 35% im Jahr 1961 auf 55% im Jahr 2013 gestiegen, aber die Ernährungswissenschaft legt nahe, dass eine Umkehr dieses Trends erhebliche gesundheitliche Vorteile hätte. Zum Beispiel empfiehlt die EAT-Lancet-Kommission für gesunde Ernährung durch nachhaltige Lebensmittelsysteme eine Referenznahrung mit 33% tierischem Protein empfohlen. Billens Szenario geht von einer Ernährung aus, die zu 30% aus tierischem Protein besteht, während der Rest des menschlichen Bedarfs durch Getreide, Obst und Gemüse sowie Hülsenfrüchte wie Bohnen, Kichererbsen und Linsen gedeckt wird.
“Man kann nicht hoffen, die gesamte Weltbevölkerung [im Jahr 2050] mit einer Ernährung zu versorgen, die so reich an tierischen Proteinen ist wie die in Europa oder den Vereinigten Staaten”, so Billen. “Zwischen 30 und 40% [tierisches Protein] ist das Maximum dessen, was ich eine gerechte Ernährung nenne – eine Ernährung, die von allen Bevölkerungen der Welt geteilt werden kann”, erklärte er.
“Ich bin nicht gegen die Viehzucht und ich denke auch nicht, dass wir die gesamte Viehzucht abschaffen sollten, aber wir müssen wahrscheinlich ein ausgewogeneres Gleichgewicht finden, als wir es bisher im Westen getan haben”, stimmte Leger zu.
Gegenwärtig werden 30-40 % aller Flächen für die Landwirtschaft genutzt, und dennoch sind etwa 800 Millionen Menschen – jeder Zehnte – unterernährt”, stellte er fest. “Wir gehen zwar davon aus, dass es in Zukunft Probleme im Lebensmittelsystem geben wird, aber es gibt bereits jetzt Grenzen für das, was wir erreichen können, und trotz dieser Grenzen hat es bereits eine enorme Umweltbelastung, also müssen wir etwas tun.”
Hightech- und Lowtech-Lösungen werden oft getrennt voneinander betrachtet, aber die Integration dieser Ansätze könnte der schnellste Weg zu einer nachhaltigen Landwirtschaft und geringeren Kohlenstoffemissionen sein. Stellen Sie sich ein zukünftiges Agrarsystem vor, das die digitale Landwirtschaft (z. B. automatische Pflanzenüberwachung und robotergestützte Düngung) mit regenerativen Praktiken (z. B. Fruchtfolgen auf der Basis von Hülsenfrüchten und Mischkulturen) kombiniert und durch mikrobielles Protein das mithilfe erneuerbaren Energien erzeugt wird, ergänzt.
“Ich fände es sehr cool, wenn PV-SCP in landwirtschaftliche Flächen integriert werden könnte, so dass es mit den Nutzpflanzen [und] mit der Natur zusammenarbeiten könnte, so dass es das es sich die Landfläche mit Insekten, Tieren und Pflanzen teilt”, sagte Leger.
Höchste Zeit für einen Paradigmenwechsel in der Agrar- und Ernährungswirtschaft
Ein Umdenken im globalen Ernährungssystem ist unabdingbar, wenn wir das Ziel des Pariser Abkommens erreichen wollen, den Anstieg der globalen Durchschnittstemperaturen auf 1,5-2° Celsius (2,7-3,6° Fahrenheit) gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Eine ernüchternde Tatsache: Die gegenwärtigen Trends bei den Treibhausgasemissionen, die durch unser globales Agrar- und Lebensmittelsystem bei unveränderten Bedingungen entstehen, reichen aus, um das gesamte Kohlenstoffbudget der Menschheit noch vor dem Jahr 2063 aufzubrauchen.
Angesichts der jahrhundertelangen Investitionen in das derzeitige industrielle Agrarsystem wird es nicht leicht sein, einen radikalen Kurswechsel vorzunehmen, aber “es gibt Momente in der Geschichte, in denen man gezwungen ist, das Paradigma zu wechseln, und das ist jetzt wegen der Dringlichkeit des Klimas und des Verlusts der biologischen Vielfalt dringend notwendig”, so Billen. Glücklicherweise glaubt er, dass sich das Blatt zu wenden beginnt: “Ich bin ein optimistischer Mensch”.
Hören Sie diesen Reporter im Mongabay-Podcast über die planetarischen Grenzen, hören Sie hier (auf Englisch):
Literatur:
Northrup, D. L., Basso, B., Wang, M. Q., Morgan, C. L., & Benfey, P. N. (2021). Novel technologies for emission reduction complement conservation agriculture to achieve negative emissions from row-crop production. Proceedings of the National Academy of Sciences, 118(28). doi: 10.1073/pnas.2022666118
Leger, D., Matassa, S., Noor, E., Shepon, A., Milo, R., & Bar-Even, A. (2021). Photovoltaic-driven microbial protein production can use land and sunlight more efficiently than conventional crops. Proceedings of the National Academy of Sciences, 118(26). doi: 10.1073/pnas.2015025118
Billen, G., Aguilera, E., Einarsson, R., Garnier, J., Gingrich, S., Grizzetti, B., … & Sanz-Cobena, A. (2021). Reshaping the European agro-food system and closing its nitrogen cycle: The potential of combining dietary change, agroecology, and circularity. One Earth, 4(6), 839-850. doi: 10.1016/j.oneear.2021.05.008
Banner-Bild: Ein Hirte mit weidenden Schafen. Bild über Pixabay (Public domain).