- Im Juni 2019 veröffentlichte Mongabay, als Reaktion auf einen Aufschrei der Medien wegen einer angeblich stattfindenden weltweiten „Insektenapokalypse“, eine sorgfältig durchgeführte, vierteilige Studie über den Zustand der Insektenspezies weltweit und ihrer Populationen.
- In vier ausführlichen Artikeln interviewte Wissenschaftsautor Jeremy Hance 24 führende Insektenforscher und andere Wissenschaftler, die in 12 Ländern, verteilt über sechs Kontinente, arbeiten, um von den Experten zu erfahren, wie sie die Rückgangsrate der Insekten in Europa, den USA und vor allem den Tropen, einschließlich Lateinamerika, Afrika und Australien, sehen.
- Nach 16 Monaten kontaktiert Hance nun sieben dieser Wissenschaftler, damit sie ihn auf den neuesten Stand bringen. Es gibt viele schlechte Neuigkeiten: Der Schmetterlingsbestand in Ohio geht um 2 % pro Jahr zurück, 94% weniger Interaktion von Wildbienen mit einheimischen Pflanzen in Neuengland und die Menge an Grashüpfern in einem geschützten Gründland in Kansas ist innerhalb von 20 Jahren um 30 % gefallen.
- Wissenschaftler sagen, dass diese Verluste keine Überraschung sind, was jedoch erschreckend ist, ist wie tatenlos wir dabei zusehen. Ein Forscher schlussfolgert: „Echter Insektenschutz würde bedeuten, dass komplette große Ökosysteme geschützt werden und zwar sowohl vor Angriffen durch Punktquellen, ALS AUCH vor dem allgemeinen Klimawandel und den sechs Milliarden Menschen, die es zu viel auf dem Planeten gibt.“
Mitten in der Covid-19 Pandemie, im Zentrum dessen, was immer mehr zu einem weltweiten Lockdown wird, regnete es endlich in Ostafrika. Der Regen kam nach mehreren Jahren Dürre und nur mittelmäßigen Regenzeiten. Und mit diesem Regen kamen die Insekten, so Dino Joseph Martins, Geschäftsführer des Mpala Forschungszentrums.
„Es gibt diese wunderschöne Fülle an Schmetterlingen und alle sind bei ihren Familien oder daheim, oder sie versuchen die Kinder zu unterhalten, die nicht in der Schulde sind, und sie schauen sich Dinge im Garten an oder gehen spazieren.“, so Martins im August.
Martins, ein Insektenforscher und Schmetterlingsliebhaber, wurde von neugierigen Insektenbeobachtern im Lockdown so „überschwemmt“ mit Fragen, dass er überlegt, „Social Media zu verlassen“, nur, damit er mal wieder durchatmen kann.
„Ich denke, dass die Natur [seit Beginn der Pandemie] wieder viel mehr geschätzt wird und das liegt an der Einsamkeit durch den Lockdown, an der Isolation.“, so Martins. „Das war ein herber Schlag für so viele Menschen.“ Doch laut Wissenschaftlern hat die Pandemie auch dazu geführt, dass sich viele Menschen der Wunder der Natur ganz unerwartet bewusst geworden sind, ebenso wie unserer Vernetzung mit ihr.
In einem Jahr, in dem wir nicht nur, auf Grund der Pandemie, tiefgreifende weltweite Veränderungen durchlebt haben, sondern in dem auch eine Fülle neuer Forschungsarbeiten über den potenziellen Rückgang der Insekten auf der ganzen Welt veröffentlicht worden ist, was von den Medien oft etwas dramatischer als die „Insektenapokalypse“ bezeichnet wird, ist dies eine schöne Anekdote.
Neue Daten für zunehmend komplexes Gesamtbild
Ein Jahr nachdem Mongabay im Juni 2019 die Serie „The Great Insect Dying“ (dt.: Das große Insektensterben) veröffentlicht hatte, wendete ich mich erneut an einige meiner wissenschaftlichen Quellen, um zu sehen, wie sie die neuen Erkenntnisse der letzten zwölf Monate interpretierten. Keiner der sieben ForscherInnen mit denen ich sprach, zeigte eine große Veränderung in ihren gut fundierten Ansichten, die sich von Besorgnis über regionale Rückgänge bis hin zu einer weitreichenderen Überzeugung, dass die weltweite Insektenvielfalt und –fülle in großen Schwierigkeiten sein könnten, erstrecken.
„Meine Ansichten über den Rückgang haben sich nicht groß verändert, doch sie sind differenzierter geworden. Ich sehe nun, dass unterschiedliche Systeme auf der Welt unterschiedlich reagieren.“, so Martins, der hinzufügt, dass er im letzten Jahr gesehen hat, wie erstaunlich widerstandsfähig einige Insektenspezies sind. Dennoch macht sich der Entomologe immer mehr Sorgen um Orte wie den Amazonas, der durch von Menschen verursachte Feuer und den Klimawandel zerstört wird – und komplett verändert werden könnte.
Wenn es um Studien geht, die besonders herausstechen, so haben einige der Wissenschaftler auf eine Metastudie verwiesen, die im Magazin Science (dt.: Wissenschaft) veröffentlicht wurde und die sich mit Insektengutachten von 1.676 Orten, die auf der ganzen Welt verteilt sind, beschäftigt. In der Studie wird gezeigt, dass landgebundene Insektenspezies, einschließlich aller Bestäuber, um ungefähr 9 % pro Jahrzehnt zurück gehen. Dies ist eine alarmierende Statistik, dennoch ist die Zahl nicht ganz so hoch, wie die, die in anderen Forschungsarbeiten genannt wird, vor allem in Europa.
Es gibt aber auch eine positive Nachricht: Die Studie hat gezeigt, dass die Populationen der im Wasser lebenden Insekten im Durchschnitt ansteigen, was vielleicht an den Bemühungen im Umweltschutzbereich liegt, Gewässer zu säubern. Dennoch machen die Spezies, die Wasser lieben, nur ungefähr ein zehntel der weltweiten Insekten aus. Dies bedeutet, das der Großteil der Insektenfauna immer noch gefährdet zu sein scheint.
Tyson Weppich, ein promovierter wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Oregan State Universität bezeichnet dies als ein „Eckpunktepapier“. Dennoch, so fügte er hinzu, „gibt es so viele Unterschiede an den Orten und in den Insektengruppen [und] es ist einfach unmöglich für eine Metaanalyse wie diese zu beschreiben, was weltweit geschieht.“
Unterdessen wurden in Studien die über das letzte Jahr hinweg in Europa durchgeführt wurden, dort, wo zuerst Alarm geschlagen wurde, dass die Insektenpopulationen zurückgehen, weiterhin beträchtliche und erschreckende Rückgänge hervorgehoben. Zum Beispiel wurde durch eine Studie die Ende letzten Jahres in Deutschland durchgeführt wurde der Insektenrückgang dort bestätigt, da man sowohl im Grünland als auch in Wäldern massive Rückgänge feststellte. Währenddessen hat eine Studie in der Schweiz gezeigt, dass die Nahrungsfülle für Insekten im Land stark gefallen ist. Dies hat auch Tiere getroffen, die Insekten jagen: Eine weitere Schweizer Studie zeigte, dass die Populationsdichte der Radnetzspinne eingebrochen ist (140 Mal niedriger als der Durchschnitt in Europa in den 1970-80er Jahren). Forschungsarbeiten in den USA zeigen ein komplexeres Bild, da die allgemeine Fülle möglicherweise stabiler ist, es jedoch anhaltende Rückgänge bei Bestäubern und anderen Spezies gibt.
Eine offenkundige Lücke in der Forschung, die in der Mongabay Studie im Juni 2019 hervorgehoben wurde, muss von der weltweiten Forschung die seitdem durchgeführt wurde noch geschlossen werden: fast keine der Studien befasst sich mit den Tropen. Die Häufigkeit und Vielfalt der Insekten sind in den Tropen am Höchsten – in der Tat ist es so, dass die Insekten dort dazu beitragen, dass die tropischen Regenwälder die vielfältigsten Ökosysteme auf unserem Planeten sind. Doch die Vielfalt in den Tropen ist durch die steigende Abholzungsrate, und die Ausweitung der Agrarindustrie, des Minenbaus und der Infrastruktur ebenfalls stark gefährdet.
„Ich bin immer noch enttäuscht davon, dass die Tropen…und vor allem Afrika nur sehr wenig repräsentiert sind.“, so Martins.
Zahlreiche Quellen verweisen auf eine Abhandlung aus Costa Rica, als eine der wenigen, jedoch besten Studien die in letzter Zeit über die Insektenfülle in den Tropen durchgeführt wurde. Die Erkenntnisse waren nicht ermutigend. Wissenschaftler fanden heraus, dass 40 % der 64 einst häufigen Raupengattungen in La Selva, einem 1600 Hektar (4000 Acker) großen Waldstück das von Landwirtschaft umgeben ist, in den letzten 22 Jahren zurückgegangen sind. Die Studie hat ebenfalls gezeigt, dass die Zahl der Parasitoide die von diesen Raupen abhängig sind, auch abnimmt.
Eine weitere Studie, dieses Mal durchgeführt im Amazonasgebiet in Brasilien, zeigte, dass die Mistkäferpopulation während der starken Dürre in den El Niño Jahren um mehr als 60 % gefallen ist und um 20 % wegen Waldbränden, die vor allem von Menschen verursacht wurden. Mistkäfer liefern wichtige ökologische Leistungen, da sie Abfall verarbeiten und Samen, sowie Bodennährstoffe verbreiten. Jährliche Rekordfeuer werden immer häufiger und stellen für das Amazonasgebiet, in dem es früher kaum brannte, eine Krise da, die gerade eskaliert.
Daniel Janzen, Professor an der Universität von Pennsylvania, der seit den 1960er Jahren Insekten auf Costa Rica studiert hat, fügt zu den alarmierenden Nachrichten aus den Tropen noch weitere Punkte hinzu. Janzen hat sich offen dazu geäußert, dass er Zeuge des langfristigen Insektenrückgangs im Guanacaste Naturschutzgebiet auf Costa Rica ist, der besonders alarmierend ist, weil die Verluste, im Gegensatz zu anderen Gebieten auf der Welt, innerhalb eines geschützten Gebietes stattfinden.
„Es hat sich nichts geändert.“, sagt er und bezieht sich dabei auf die Verluste über das letzte Jahr hinweg. Er merkt an, dass Taxonomen, die während der letzten Regenzeit Raupen gesammelt haben, zu dem Ergebnis gekommen sind, dass der Artenreichtum um 60-80 % gefallen ist, im Vergleich zu dem, was 10-20 Jahre vorher gefunden wurde.“
Der Rückgang der Insektenbiomasse „ist weiterhin offensichtlich, und der Stand bleibt niedrig, so wie in den letzten 5-10 Jahren.“, so Janzen.
Rückgang durch sich vertiefende systemische Probleme vorangetrieben
Wissenschaftler haben die Quellen dieses Rückgangs identifiziert und verweisen auf die gleichen treibenden Faktoren wie letztes Jahr: Klimawandel, Lebensraumzerstörung, Pestizide und die Überbevölkerung durch Menschen. Der Lebensraumverlust wurde in Regionen mit gemäßigtem Klima am meisten aufgeführt, wohingegen in den Tropen der Klimawandel als größter Grund zur Sorge genannt wurde.
„Natürlich“, so Janzen,“wenn man ein [Wald-] Gebiet für Palmöl, Rinderzucht, Soja, Erdnüsse, Reis [oder] Zersiedelung vernichtet, dann bricht die Insektenvielfalt und –biomasse ein…Ein Zuckerrohrfeld beinhaltet nicht Mal mehr 1 % davon, was vorher dort war. Das gleiche gilt für ein Fußballfeld.“
Der „Hauptbelastungsfaktor ist natürlich die Kombination der Auswirkungen des Klimawandels (um das zu wissen, braucht man keine Forschung) mit Millionen winzigen Punktquellen-Störungen an kleinen Standorten die alle gleichzeitig [auftreten].“, schrieb Janzen in einer E-Mail. „Es ist so, als würde man jemanden der wegen COVID an ein Beatmungsgerät angeschlossen ist 1000 Mal mit einer Luftpistole beschießen. Es wird ihm damit nicht gut gehen.“
In dieser Analogie sind natürlich kleine, jedoch unzählige, und oft intensive, menschliche Einflüsse die Luftpistole, wohingegen der allumfassende globale Klimawandel COVID-19 ist. Bradford Lister, ein Biologie am Rensselaer Polytechnic Institute, sagt, dass die Forschung, die die Auswirkungen eines sich schnell erwärmenden Planeten auf den Insektenreichtum beweist, in den letzten Jahren nur noch „bestärkt“ wurde. Er verwies auf eine Reihe an Studien die belegen, dass Hitze dem Insektensperma schaden kann.
Die globale Erwärmung kann nicht nur Insekten in den Tropen beeinflussen, fügt Lister hinzu, und zitiert eine Studie, die dieses Jahr in Science (dt.: Wissenschaft) veröffentlicht wurde und zeigt, dass der Klimawandel möglicherweise zum Bienenrückgang in den USA und Europa beiträgt.
Wechselnde Medienberichte und neue Wissenschaft aus den USA
Während es im letzten Jahr immer mehr Berichte über den Insektenrückgang gab, einschließlich einer Titelgeschichte in National Geographic, gab es auch einige Wissenschaftler, die sich besorgt darüber äußerten, wie apokalyptisch manche dieser Berichte klangen.
„Es ist ein nicht ganz einfaches Problem: Generalisierungen über den Zustand aller Insektenpopulationen weltweit können ablenken und öffentliches und politisches Handeln behindern.“, so Manu Saunders, Professor an der Universität von Neu England in Australien. Saunders war der Hauptautor einer Abhandlung in Bioscience (dt.: Biowissenschaft), die einige der übertriebenen Reportagen, darüber, was allgemein als die „Insektenapokalypse“ bezeichnet wird, kritisierte. Sie denkt, dass diese Berichterstattung „übertriebene und unwahrscheinliche Erzählungen“ gefördert hat.
Saunders fügte hinzu: „Ich mache mir wegen den anhaltenden Bedrohungen denen Insekten, und die gesamte Artenvielfalt, ausgesetzt sind große Sorgen. Allgemein gibt es für Insekten viele Gefahren, die alle direkt und indirekt ein Ergebnis der menschlichen Aktivität sind“, aber „es gibt keine Patentlösung. Wenn wir effektiv und auf Fakten basierend handeln wollen, um den Bedrohungsgrad zu senken, dann müssen wir wesentlich mehr machen, als den Rückgang von Spezies zu quantifizieren oder uns über globale Trends und Prognosen zu streiten, die auf begrenzten Daten basieren.“
Andere Berichterstattung, auf anderen Medienkanälen, schlugen genau in die andere Richtung: Es wurde sogar behauptet, dass es diese Rückgänge schlicht und ergreifend nicht gibt. Eine solche Geschichte, die im libertären Magazin Reason (dt.: Vernunft) veröffentlicht wurde, verkündete: The Insect Apocalypse Has Been Cancelled (dt.: Die Insektenapokalypse wurde abgesagt).
Der Artikel, der etwas ernsthafter war als der Titel, basierte auf einer vor kurzem durchgeführten Studie, die zeigte, dass die allgemeinen Insektenpopulationen in den USA an 68 Orten generell stabil seien, obwohl die Studie auch zeigte, dass manche Spezies abnehmen. Die Wissenschaftler stellten die Theorie auf, dass der Rückgang in den USA nicht so weit verbreitet sei wie in Europa, da die Bevölkerungsdichte nicht so hoch ist. Sie bezeichneten ihre Studie als „beruhigend“, andere jedoch warnten davor, wie solche Forschung wahrgenommen wird.
„Es macht mir Sorgen, dass neue Studien über den Insektentrend ihre Erkenntnisse so formulieren, als würden sie den Bericht über die Insektenapokalypse ‘widerlegen’.“, schrieb Wepprich, von der Oregon State Universität in einer E-Mail und verwies darauf, wie diese US-amerikanische Studie in einer Pressemitteilung der Universität von Georgia dargestellt, und wie über sie in Reason und anderen Medien berichtet wurde. „Wir sollten uns einfach darauf einigen, dass wir keine apokalyptische Terminologie mehr verwenden, um unsere Erkenntnisse zu beschreiben, ganz gleich ob positiv oder negativ!“, fordert er.
Vor kurzem veröffentlichte Forschungsarbeiten über die Insekten in den USA zeichnen ein differenzierteres, aber immer noch besorgniserregendes Bild. Wepprich selbst veröffentlichte letztes Jahr eine Studie, die zeigte, dass die Schmetterlinge in Ohio pro Jahr um ungefähr 2 % zurückgehen. Dies ist ein ziemlich starker Rückgang. Eine andere Studie, die dieses Jahr veröffentlicht wurde, zeigt, dass Wildbienen in New England 94 % weniger mit einheimischen Pflanzen interagieren. Eine weitere Abhandlung zeigte, dass die Grashüpferfülle in einem geschützten Grünland in Kansas über die letzten 20 Jahre hinweg um 30 % gefallen ist. Obwohl es den Insekten in den USA allgemein vielleicht besser geht als in Europa, so kämpfen viele unverzichtbare Bestäuber und andere bedrohte Arten dennoch, oder sie verschwinden in alarmierend hohen Zahlen.
Martins sagt, dass die unterschiedlichen Reaktionen der Medien und die scheinbar widersprüchlichen Erkenntnisse über diese Krise zu erwarten waren, wenn man die große Vielfalt, die unterschiedlichen Lebensweisen und Lebensräume, sowie die Komplexität der Auswirkungen bedenkt.
Während es keine Überraschung ist, dass manche Insekten in unserer zunehmend fragmentierten, von Pestiziden durchdränkten wärmeren Welt in großen Schwierigkeiten stecken, so behauptet der Wissenschaftler, dass andere Spezies die Bedingungen vor Ort möglicherweise nutzen und gedeihen könnten.
„Insekten sind sehr gut darin, sich anzupassen und es gibt definitiv viele Opportunisten, die im von uns geschaffenen Klimawandelkasino, wie ich es nenne, gewinnen. Ein gutes Beispiel ist die Wüstenheuschrecke, die [dieses Jahr] das erste Mal seit langer Zeit in Ostafrika aufgetaucht ist.“
Doch im Großen und Ganzen, sagt er, geht der Trend in Richtung Verlust.
„Wir haben durch unseren Einfluss auf die Welt keine neue Artenvielfalt geschaffen, die wirklich in der Lage ist, auch nur einen Bruchteil der Artenvielfalt die wir verlieren zu ersetzen oder ihr wenigstens gleichzukommen.
Die Zukunft der Insekten
Der intensivere Fokus auf den Insketenverlust im letzten Jahr, die ganze neue Forschung und die Versuche zu messen wo die Rückgänge stattfinden und wie groß sie sein könnten, sind zweifellos nützlich, um eine Artenvielfaltskrise zu definieren, die bis vor kurzem noch zum großen Teil unentdeckt war. Doch Janzen sagt, dass wir nicht mehr Forschung brauchen. Wir wissen, dass die Insekten in Schwierigkeiten stecken, versichert er, genau so wie die gesamte Artenvielfalt und wir wissen, was es verursacht (sprich Klimawandel, Lebensraumzerstörung, Pestizide, etc.). Was wir brauchen sind Taten.
„Wesentlich wichtiger [als mehr Forschung] ist, dass wir alles daran setzen, dass das unersättliche menschliche Getier die letzten Überreste von dem, was einst gewaltige tropische Artenvielfalt war, nicht auch noch verschlingt, und erst recht, dass es bereit ist, [diese Vielfalt] als produktiven und wichtigen Teil des globalen Gartens der Menschheit willkommen zu heißen.“, so Janzen. „Richtiger Insektenschutz würde bedeuten, dass komplette, riesige Ökosysteme geschützt werden und zwar sowohl vor Angriffen durch Punktquellen, als auch dem allumfassenden Klimawandel und den sechs Milliarden Menschen zu viel auf dem Planeten.“
Es gibt ein paar politische Bewegungen, etwas Hoffnung, wenn auch bis jetzt lokal. Hans de Kroon, ein Professor an der Radboud-Universität Nijmegen in den Niederlanden, schreibt der Wissenschaft und den Berichten über den Insektenrückgang auf dem Kontinent eine helfende Hand bei der Beschleunigung des Europäischen grünen New Deals zu, der im Januar vom EU-Parlament unterstützt wurde, ausgenommen von Polen.
Auf der anderen Seite geben die meisten Quellen an, dass sie keinen Beweis für eine wachsende Sensibilisierung, oder Taten, bei den Führungskräften oder der Öffentlichkeit gesehen haben. Saunders merkte an, dass es in Australien durch die massiven, vom Klimawandel angetriebenen Feuer letztes Jahr, die ganze Biome zerstört haben, zu einigen Diskussionen bezüglich Bemühungen zur Rückgewinnung der Tierwelt kam, jedoch waren bei keinem dieser Gespräche die Insekten im Fokus.
Seit Juni 2019 hat sich die Welt unwiderruflich verändert. Die COVID-19 Pandemie hat bereits zum Tod von über einer Millionen Menschen geführt, tiefe Risse in der globalen Wirtschaft weiter aufgedeckt und die Grenzen und Anpassungsfähigkeit aller Regierungen getestet, wobei sich manche als klüger und widerstandsfähiger erwiesen haben als andere. Ob es durch diesen neuartigen Coronavirus, der wahrscheinlich durch Abholzung und den Wildtierhandel in China zum Vorschein gekommen ist, zu einer richtigen Konversation über unsere selbstzerstörerische Beziehung mit der Natur kommt und, ob es zu weltweiten Umweltschutzmaßnahmen führt bleibt abzuwarten.
„Wenn man mich fragt, was eines der Dinge ist, die sich im letzten Jahr verändert haben, dann, dass ich nicht mehr so pessimistisch bin…da eine der wichtigen Lektionen aus dieser Pandemie die ist, dass die Natur unglaublich widerstandsfähig ist.“, schlussfolgert Martins. „Sie ist eine zähe alte Dame, die es schaffen wird, wenn wir ihr nur die Chance geben.“
Jeremy Hance ist Feuilletonist und Mitwirkender bei Mongabay und der Autor des neuen Buches Baggage: Confessions of a Globe-trotting Hypochondriac.
Zitate:
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Bannerbild: Das Larvenstadium der Xylophanes Anubus Motte auf Costa Rica. Die Erforschung des Verlustes tropischer Insekten ist nach wie vor verhalten und es Bedarf dringend mehr Studien. Bild von Daniel H. Hanzen.