- Eine neue Studie zeigt, dass die Kokosnussölherstellung, laut einigen Messungen, zerstörerischer ist, als die Palmölherstellung: Die Produktion einer Million Liter Kokosnussöl hat Auswirkungen auf 20 bedrohte Spezies. Bei Palmöl sind es nur 3,8 Spezies pro eine Million Liter.
- Weltweit nehmen Kokosnussfarmen 12,3 Millionen Hektar (30,4 Millionen Acker) Land ein, ungefähr zwei Drittel des Gebiets das Ölpalmenplantagen einnehmen, und die meisten Farmen befinden sich in Indonesien und auf den Philippinen.
- Die Studie zielt nicht darauf ab, Kokosnussöl als ein Produkt darzustellen, das vermieden werden sollte, sondern darauf, zu zeigen, dass die meisten Speiseöle, wie Oliven-, Soja- und Rapsöl, negative Auswirkungen auf die Umwelt haben, auch, wenn diese Auswirkungen weniger bekannt oder öffentlich gemacht worden sind.
Für bewusste Konsumenten ist Palmöl oft die Paria unter den Nutzpflanzen, die in den Tropen angebaut werden. Dies liegt an der weithin bekannten Tatsache, dass Palmölplantagen extrem zerstörerisch für die Artenvielfalt sind, da sie vom Aussterben bedrohte Spezies vertreiben, zum Beispiel Orang-Utans. Doch Palmöl ist nicht das einzige Speiseöl, dass Umweltschäden verursacht, so eine neue Studie. Es wird die Behauptung aufgestellt, dass die Öffentlichkeit, was den ökologischen Fußabdruck der meisten pflanzlichen Öle angeht, extrem uninformiert ist, oder sogar in die Irre geführt wird. Um dies zu veranschaulichen, haben die Autoren eine beliebte, von einer Hülse umgebene Saat, mit fleischartiger, milchiger Mitte, ins Rampenlicht gerückt: die Kokosnuss.

Laut der Studie, die in Current Biology (dt.: Biologie Aktuell) veröffentlicht wurde, hat die Produktion einer Million Liter Kokosnussöl Auswirkungen auf 20 bedrohte Spezies. Wenn man es hieran misst, ist Kokosnussöl zerstörerischer als Palmöl, das nur 3,8 Spezies pro eine Millionen Liter beeinträchtigt, oder sogar Sojaöl, das Auswirkungen auf 1,3 Spezies pro einer Millionen Liter hat. Jedoch wissen dies nur wenige Menschen, so Erik Meijaard, Hauptautor der Studie, gegenüber Mongabay.
“[Es gibt eine] Diskrepanz zwischen dem was die Menschen auf Grund ihrer kulturellen Vorurteile und eines Mangels an Verständnis oder Wissen denken, und dem, was uns die Realität sagt.”, so Meijaard. “Denn wenn ein Teil des Bildes fehlt, in diesem Fall die Tatsache, dass die Kokosnuss in der Tat problematisch für die Artenvielfalt ist…dann thematisiert das niemand und wir lösen das Problem nicht.”
Meijaard, der Leiter von Borneo Futures ist, einem wissenschaftlichen Beratungsunternehmen mit Sitz in Brunei Darussalam, und der seit 28 Jahren im Tropennaturschutz arbeitet, sagt, dass er sich immer darüber gewundert hat, dass Naturschützer und Konsumenten Ölpalmen so hassten, jedoch nicht Kokosnusspalmen. “Das sind beides tropische Pflanzen, die große Gebiete einnehmen, auf denen vorher natürlicher Wald gewesen ist.”, sagte er. “Wie kommt es dann, dass eine furchtbar und die andere wunderbar ist?”

Erst als Meijaard und seine KollegInnen jedoch angefangen haben an dieser Abhandlung, die Daten der Roten Liste der IUCN verwendet, zu arbeiten, wurden ihm, so Meijaard, die tatsächlichen Auswirkungen des Kokosnussöl, ebenso wie der anderen Ölpflanzen, auf die Artenvielfalt wirklich bewusst. Die Ergebnisse der Studie, so Meijaard, waren eine “Überraschung”.
Kokosnüsse werden in vielen Teilen der Welt angebaut, doch der Großteil der Produktion findet auf kleinen Bauernhöfen in Indonesien und auf den Philippinen statt, wo der Artenendemismus und -reichtum bei Pflanzen für gewöhnlich 9,5 Mal so groß und bei Wirbeltieren 8,1 Mal so groß sei, wie auf dem Festland, so heißt es in der Studie. Auf globaler Ebene nehmen Kokosnussfarmen weniger Platz ein als andere Ölpflanzen: Kokosnusspalmen nehmen 12,3 Millionen Hektar (30,4 Milllionen Acker) ein, verglichen mit Ölpalmen, die 18,9 Millionen Hektar (46,7 Millionen Acker) einnehmen. Dennoch beeinträchtigen Kokosnussplantagen 66 Spezies, die auf der Roten Liste der IUCN stehen, einschließlich 29 Wirbeltiere, sieben Gliederfüßer, zwei Weichtiere und 28 Pflanzen, so die Studie.
Man geht zum Beispiel davon aus, dass Kokosnussfarmen für das Aussterben des Mariannebrillenvogels (Zosterops semiflavus), einem winzigen, ehemals auf den Seychellen heimischen Vogels, und für den Untergang des Ontong Java Flughundes (Pteropus howensis) auf den Salomoninseln, einer Spezies, die das letzte Mal vor 42 Jahren gesichtet wurde und von der man befürchtet, dass sie ausgestorben ist, verantwortlich sind. Weitere Spezies, die durch die Kokosnussproduktion einer Bedrohung ausgesetzt sind, sind der gefährdete Sangihe-Koboldmaki (Tarsius sangirensis), ein kleiner Primat, der auf der indonesischen Insel Sangir heimisch ist, und der Balabac-Kantschil (Tragulus nigricans), ein Tier, dass es auf drei der philippinischen Inseln gibt.

Meijaard sagt, dass das Kokosnussöl nicht unbedingt verteufelt werden sollte, dass Konsumenten sich jedoch mit Informationen wappnen sollten.
“Wir sind ganz vorsichtig damit, nicht zu sagen, dass Kokosnuss tatsächlich ein größeres Problem als Palmöl ist.”, so Meijaard. “Was wir sagen wollen, und was wir der Öffentlichkeit vermitteln möchten, ist, dass alle landwirtschaftlichen Rohstoffe ihre eigenen Probleme haben.”
Auch wenn das Hauptaugenmerk dieser Studie auf der Kokosnuss liegt, so wird dennoch darauf hingewiesen, dass andere Ölpflanzen, wie zum Beispiel Oliven, Soja und Raps, beträchtliche Umweltprobleme mit sich bringen. Es wird zum Beispiel auf einen Artikel in Nature verwiesen, in dem es heißt, dass im spanischen Andalusien jedes Jahr 2,6 Millionen Vögel durch die leistungsstarken Maschinen getötet werden, die man für die Olivenernte einsetzt.
“Die Olivenölproduktion lässt bei Konsumenten und Umweltschützern jedoch kaum jemals Bedenken aufkommen.”, schreiben Meijaard und seine MitautorInnen in ihrer Studie. “Hier spielen unterschiedliche Wahrnehmungen eine Rolle – die Olivenölindustrie profitiert von dem Glauben, dass es sich hierbei um ein nachhaltiges Verfahren mit einer umfangreichen Geschichte und Mythologie handelt, den Behauptungen, dass es der Gesundheit nutzt und, dass es vor Ort produziert wird. Daher scheint der Umweltschutz oft von einer Kurzsichtigkeit und Doppelmoral behindert zu werden, die häufig von Umweltschutzkampagnen vorangetrieben werden.”

“Konsumente müssen sich bewusst werden, dass alle unsere landwirtschaftlichen Rohstoffe, und nicht nur tropische Nutzpflanzen, negative Auswirkungen auf die Umwelt haben.”, so Douglas Sheil, Mitautor der Studie in Current Biology und Professor an der Norwegian University of Life Sciences (dt.: Norwegische Universität für Biowissenschaften), in einer Stellungnahme. “Wir müssen Konsumenten fundierte Informationen zur Verfügung stellen, die ihnen bei der Auswahl helfen können.”
Meijaard sagte, dass er hoffe, dass diese Studie zu weiteren Forschungen im Hinblick auf die Umweltbelastung durch Ölpflanzen anregt, damit die Öffentlichkeit besser über die Produkte informiert wird, die sie konsumiert.
“So weit sind wir im Moment einfach noch nicht.”, so Meijaard. “Egal welche Nutzpflanze wir auswählen, es gibt sehr viel, das wir nicht verstehen und wissen im Hinblick auf die Auswirkungen, weshalb es ein Aufruf von uns an Wissenschaftler, Politiker und die Öffentlichkeit ist, bessere Informationen über Rohstoffe zu verlangen.”
Zitate:
Meijaard, E., Abrams, J. F., Juffe-Bignoli, D., Voigt, M., & Sheil, D. (2020). Coconut oil, conservation and the conscientious consumer. Current Biology, 30. doi:10.2139/ssrn.3575129
Da Silva, L. P., & Mata, V. A. (2019). Stop harvesting olives at night — it kills millions of songbirds. Nature, 569(7755), 192-192. doi:10.1038/d41586-019-01456-4
Anmerkung der Redaktion 15.07.2020: Erik Meijaard erhält Gelder vom “Runden Tisch für Palmöl”, der IUCN und Austindo Nusantara Jaya, einem indonesischen Palmölunternehmen.
Anmerkung der Redaktion 01.08.2020: Mongabay hat eine Gegendarstellung zu der Studie veröffentlicht, auf der im obigen Feature das Hauptaugenmerk liegt.
Bannerbild Untertitel: Kokosnussfarmer. Bild von Suhandri Lariwu / Pexels.