- Eine Kurzstudie die unlängst im Magazin Current Biology (dt.: Biologie Aktuell) veröffentlich wurde, untersucht die Umweltbelastung durch verschiedene Ölpflanzen, wie Palmöl und Kokosnuss, indem die Anzahl der Spezies, die durch die Produktion des jeweiligen Öls bedroht werden, quantifiziert wird.
- Die Studie und die darauffolgende Darstellung in den Medien schien darauf hinzuweisen, dass Kokosnussöl wesentlich schädlicher für die globale Artenvielfalt ist, als Palmöl, doch diese Aussage wird von den Daten nicht gestützt. Laut der IUCN hat die Palmölproduktion fünf Mal so viele Spezies bedroht, wie die Kokosnussölproduktion.
- Die Current Biology Autoren haben seitdem erklärt, dass man sehr vorsichtig damit sein müsse und nicht sagen könne, dass die Kokosnuss tatsächlich ein größeres Problem als das Palmöl darstelle. Nun erklärt ein CEO der Kokosnussindustrie, wie man in der Kurzstudie zu diesen Schlussfolgerungen gelangt ist und warum Kokosnuss nachhaltiger ist.
- Dieser Artikel ist ein Kommentar. Die Ansichten, die hier zum Ausdruck gebracht werden, sind die des Autors, und nicht unbedingt die Mongabays.
Sie haben eventuell vor kurzem einen Artikel mit dem Titel “Coconut oil production threatens five times more species than palm oil – new findings” (dt.: Kokosnussproduktion bedroht fünf Mal so viele Spezies wie Palmöl – neue Erkenntnisse) gesehen (oder Sie sind möglicherweise hier, hier auf Mongabay, oder hier auf ähnliche Artikel gestoßen). Einige Kommentatoren haben sich darüber beschwert, dass der Autor, Erik Meijaard, Gelder von der Palmölindustrie erhält, doch wir alle haben Vorurteile wenn es um gewisse Streitpunkte geht.
Ich bin zufälligerweise ein großer Fan von Kokosnüssen: Ich verdiene meinen Lebensunterhalt durch sie und, was wichtiger ist, ich habe gesehen, wie wichtig diese Nutzpflanze für einige der ärmsten Bauern weltweit ist. Ich habe außerdem eine Leidenschaft für den Waldschutz, auf den ich mich in der ersten Hälfte meiner professionellen Laufbahn konzentriert habe. Als ich diesen, vor kurzem veröffentlichten Artikel gesehen habe, waren die grundlegenden Mängel bei der Analyse für mich daher unmöglich zu ignorieren. Ich möchte Ihnen nun erklären, was mir aufgefallen ist.
Zunächst einmal muss man wissen, dass die hochangesehene Weltnaturschutzunion (IUCN) eine Liste aller weltweit bedrohten Spezies pflegt, einschließlich der Gründe, warum eine jede Spezies zu der Liste hinzugefügt wurde. Palmöl wird als Faktor für die Bedrohung von 321 Spezies genannt, wohingegen Kokosnuss als Faktor für die Bedrohung von 66 Spezies genannt wird. Im Gegensatz zu dem Titel des oben genannten Artikels hat die Palmölproduktion, laut der IUCN, tatsächlich fünf Mal so viele Spezies bedroht, wie Kokosnüsse!

Es ist jetzt vielleicht eine Überraschung, dass Meijaard sich bei seinen Behauptungen über das Kokosnussöl auf die gleichen IUCN Daten stützt. Auf welche Weise er das gemacht hat muss man ein bisschen ausführen. Meijaards Behauptungen basieren auf einer wissenschaftlichen Arbeit mit dem Titel “Coconut oil, conservation and the conscientious consumer” (dt.: Kokosnussöl, Naturschutz und der bewusste Verbraucher), die vor kurzem in Current Biology veröffentlicht wurde. Meijaard war der Hauptautor dieser Arbeit, die ein “Bericht”, bestehend aus 9 Paragraphen, die zehn Zitate enthalten, ist, anstatt der typische, rigorose Forschungsartikel.
In dem Current Biology Artikel untersuchen Meijaard und seine KollegInnen die Umweltauswirkungen der verschiedenen Ölpflanzen, indem sie die Anzahl der Spezies, die durch die jeweilige Pflanze (laut den Daten der IUCN) bedroht werden, durch die Menge an Öl die pro Jahr von der Pflanze produziert wird, teilen. Dies ergibt 3,8 Spezies pro eine Millionen Tonnen Palmöl und 18,3 Spezies pro eine Millionen Tonnen Kokosnussöl.
Die AutorInnen wenden diese Gleichung noch auf fünf weitere Ölpflanzen an, präsentieren eine schöne Karte, die zeigt, wo die verschiedenen Ölplanzen angebaut werden, und widmen den Großteil der Arbeit einem Aufruf für eine differenziertere Herangehensweise an den Umweltschutz, die “nicht von Kurzsichtigkeit und Doppelmoral behindert wird”, und der Notwendigkeit, bessere Mittel zu finden, um die positiven und negativen Auswirkungen verschiedener Pflanzen zu bewerten.
Hier ist anzumerken, dass die AutorInnen in der Abhandlung, die sie veröffentlicht haben, irrtümlicherweise von 20,3 bedrohten Spezies pro eine Millionen Tonnen Kokosnussöl berichten, anstatt 18,3 Spezies. Dies ist jedoch nur einer der vielen Fehler, die ein sehr irreführendes Bild von der Wirklichkeit zeichnen, wenn es um die Umweltauswirkungen der Kokosnussölproduktion geht.

Zunächst einmal gehen die AutorInnen davon aus, dass alle Kokosnüsse für Kokosnussöl, und zwar ausschließlich Kokosnussöl, verwendet werden. Tatsächlich werden aber nur ungefähr zwei Drittel der Kokosnüsse die weltweit produziert werden, zu Kokosnussöl weiterverarbeitet. Wenn die AutorInnen diese simple Tatsache mit einbezogen hätten, dann wäre die Zahl in ihrem Bericht 12,2 Spezies anstatt 20,3 Spezies gewesen.
Dies Anzahl scheint immer noch hoch zu sein, doch wir müssen uns eine andere wichtige Tatsache in Erinnerung rufen, die die AutorInnen bei ihren Berechnungen für das Kokosnussöl ignoriert haben: pro Tonne Kokosnussöl, die produziert wird, enstehen zwei bis sieben Tonnen wertvoller Nebenprodukte. Dies beinhaltet praktisch immer 0,5 Tonnen Kopra-Trester (proteinreiches Tierfutter) und 1,5 Tonnen Schale (verwendet für verschiedenste Dinge, von Treibstoff bis hin zu Wasserfiltern). In vielen Fällen beinhalten die Nebenprodukte, die vertrieben werden, auch 3 Tonnen Kokosbast (sehr gefragt für den Gartenbau und andere Dinge) und 2 Tonnen Kokosnusswasser. Es hat seinen Grund, warum die Kokosnusspalme der “Baum des Lebens” genannt wird!
Aus einer Tonne Palmöl gewinnt man im Grund genommen nur eine Tonne Palmöl und ein bisschen Treibstoff für die Palmölfabrik.
Die Tatsache, dass Meijaard und seine KollegInnen davon ausgehen, dass Kokosnüsse nur für Kokosnussöl verwendet werden ist unter Umständen noch nicht einmal der Hauptgrund dafür, ihre Analyse der Kokosnuss zu verwerfen. Der Hauptgrund ist möglicherweise etwas, das die AutorInnen bestätigen, da sie schreiben, dass die Daten der IUCN, die das Kernstück ihrer Analyse bilden, “sich darauf konzentrieren, was in der Vergangenheit geschehen ist, anstatt auf die marginalen Auswirkungen weiterer Produktion”.
Es ist möglicherweise interessant, zu wissen, welche Umweltschäden in der Vergangenheit angerichtet wurden, aber was Konsumenten und politische Entscheidungsträger wirklich wissen müssen, ist, wodurch Spezies heutzutage bedroht werden und wodurch sie voraussichtlich in Zukunft bedroht werden. Leider zeigen die Daten die Meijaard und seine KollegInnen präsentieren nur wenig relevante Informationen über die derzeitigen Bedrohungen für die Artenvielfalt.

Wenn man sich auf die Umweltschäden konzentriert, die in der Vergangenheit verursacht wurden, anstatt auf die derzeitigen Umweltbedrohungen, dann sieht es bei den Auswirkungen der Kokosnuss auf die Umwelt grundsätzlich düsterer, und beim Palmöl rosiger aus. Die Kokosnuss wird seit über einem Jahrhundert umfangreich angebaut und die meisten Kokosnussplantagen, die es heute gibt, wurden vor mindestens 50 Jahren angelegt. Es ist kein Zufall, dass die einzigen Ausrottungen die Meijaard und seine KollegInnen erwähnen und mit denen die Kokosnuss in Verbindung steht, in den 1940er Jahren stattgefunden haben. Die Palmölproduktion im industriellen Ausmaß ist auf der anderen Seite noch recht neu: Der Großteil der Landfläche hierfür wurde in den letzten 20 Jahren geschaffen.
Die vielleicht wichtigste Frage, wenn es darum geht, wie groß die Bedrohung, die von einer bestimmten Pflanze ausgeht, für die Artenvielfalt ist, ist die, wie schnell sich die Pflanze im Moment verbreitet und wie schnell sie die natürlichen Ökosysteme zerstört. Meijaard und seine KollegInnen haben dies in ihrer Analyse komplett ignoriert. Dies liegt vielleicht daran, dass sich Kokosnussplantagen im Schneckentempo verbreiten. Laut Daten der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) breitete sich die Kokosnuss in den letzten drei Jahrzehnten über eine Landfläche von 1,8 Millionen Hektar aus – ein Gebiet das man in ungefähr fünf Stunden umfahren könnte.
Im Gegensatz zur Kokosnuss ist die Ölpalme eine Pflanze, die sich sehr schnell verbreitet und die derzeit einer der wesentlichen Faktoren bei der Abholzung tropischer Wälde ist. In den letzten drei Jahrzehnten wurden 12,1 Millionen Hektar Land, ein Gebiet so groß wie die Hälfte des Vereinigten Königreichs und hauptsächlich Primärregenwald, in Ölpalmenplantagen verwandelt.
Siehe auch: New player starts clearing rainforest in world’s biggest oil palm project
Entgegen den Behauptungen Meijaards und seiner KollegInnen ist der Grund, warum sich der Zorn der Umweltschützer gegen Palmöl und nicht gegen Kokosnussöl richtet, nicht “Doppelmoral”, sondern stattdessen eine korrekte Einschätzung der unterschiedlichen Bedrohungen, die diese Rohstoffe im Moment für die Gesundheit unseres Planeten darstellen.
Meijaard und sein Kollege Douglas Shield haben auf fast alles, was Sie hier gelesen haben, geantwortet. Sie können ihre Antworten hier lesen und sie selbst interpretieren, doch meine Interpretation der Hauptaussage der Antwort ist: ‘Wir räumen ein, dass unsere Daten keineswegs perfekt sind, doch wir fanden es trotzdem interessant und, dass es veröffentlich werden sollte. Außerdem ging es in unserem Artikel nicht darum, Kokosnussöl zu verteufeln, sondern um einen Aufruf für bessere Informationen über die Auswirkungen verschiedener Pflanzen, um es dem Konsumenten zu ermöglichen, bessere Entscheidungen zu treffen.’
Dieser Gedanke wird in einem früher veröffentlichten Mongabay Artikel, in dem der Current Biology Artikel diskutiert wird, ebenfalls aufgegriffen und Meijaard wird wie folgt zitiert: Man müsse sehr vorsichtig damit sein und könne nicht sagen, dass die Kokosnuss tatsächlich ein größeres Problem darstelle als das Palmöl
Weitere Informationen über Palmöl:
Da die AutorInnen einräumen, dass ihre Daten nicht ausreichen, um zu behaupten, dass Kokosnussöl tatsächlich besser oder schlechter für die Artenvielfalt ist, als andere Öle, ist es verwirrend und vielleicht auch besorgniserregend, dass Meijaard die Arbeit seines wissenschaftlichen Teams der Öffentlichkeit in einem Artikel mit dem Titel “Coconut oil threatens five times more species than palm oil – new findings” präsentiert.
Dass es besserer Informationen bedarf, wenn es um die Nachhaltigkeit aller Pflanzen geht bestreitet kaum jemand. Dass man jedoch versucht, dies zu erreichen, indem man einen Artikel veröffentlicht, der für unnötige Verwirrung der Öffentlichkeit sorgt, und zwar über eine Pflanze, die das Lebenselixier für Millionen Kleinbauern ist, ist eindeutig kontraproduktiv.
Asa Feinstein ist der Gründer und CEO von CocoAsenso, einem Sozialunternehmen, dass Kokosnüsse direkt von den Bauern auf den Philippinen kauft, und das ein Netzwerk an Kokosnussverarbeitungszentren in entlegenen Regionen des Landes aufbaut.
Eine frühere Version dieses Artikels erschien hier auf der der CocoAsenso Webseite.