- Kläger in fünf europäischen Staaten und den Vereinigten Staaten von Amerika erhoben am Montag, den 4. März, vor dem Gericht der Europäischen Union in Luxemburg eine Klage gegen die Europäische Union. Der Anklagepunkt ist die schnelle Umstellung von Kohlekraftwerken durch die Europäische Union, um Holzpellets und Sägespäne zu verbrennen, ein Prozess, der als Bioenergie bekannt ist.
- Bioenergie wurde unter dem Kyoto Protokoll als kohlenstoffneutral eingestuft, was bedeutet, dass Staaten das Verbrennen von Holz zur Gewinnung von Energie nicht zu ihren Kohlen-stoffemissionen gemäß des Übereinkommens von Paris zählen müssen. Aber durch Studien in den letzten 20 Jahren wurde belegt, dass Bionergie, technisch zwar kohlenstoffneutral, aber nicht neutral ist innerhalb des dringenden Zeitrahmens, in der die Welt Emissionen senken muss.
- Zuätzlich braucht es viele Jahrzehnte für einen neuen Baumbestand, um die Menge von Kohlenstoff zu resorbieren, die an einem Tag freigesetzt wird bei der Verbrennung von ausgewachsenen Bäumen. Aber der Ausschuss für Klimaänderungen der Vereinten Nationen erklärte letzten Oktober, dass der Welt nur noch zwölf Jahre blieben – nicht Jahrzehnte – um die Emissionen drastisch zu senken oder voraussichtlich einem dramatischen Temperaturanstieg und Klimaeinflüssen gegenüberzustehen.
- Den klagenden Aktivisten steht ein schwieriger Kampf bevor. Nur Mitgliedstaaten und Institutionen der Europäischen Union sind üblicherweise befugt, ein Gesetz anzufechten. Um die Befugnis zu erhalten, müssen sie beweisen, dass sie durch die Bioenergiepolitik der Europäischen Union beeinträchtigt werden.
Kläger in fünf europäischen Staaten und den Vereinigten Staaten reichten am Montag, den 4. März, eine beispiellose Klage vor dem Gericht der Europäischen Union in Luxemburg gegen die Europäische Union ein.
Ihr Vorwurf lautet, dass die Erneuerbare-Energien-Richtlinie (Richtlinie 2009/28/EG) – die die Mitgliedstaaten verpflichtet, bis 2030 mindestens 32 Prozent ihrer Energie durch erneuerbare Energien zu erzeugen – die Nachfrage nach Holzpellets und Sägespäne ansteigen lassen wird, weil eine aktuelle Richtlinie der Vereinten Nationen das Verbrennen von Biomasse zur Gewinnung von Energie für kohlenstoffneutral hält.
Als Folge davon werden die Emissionen, die durch das Verbrennen von Holz entstehen, nicht den gesamten Kohlenstoffemissionen eines Landes angerechnet. Ursprünglich hat das Kyoto Protokoll die Kohlenstoffneutralität von sogenannter Bioenergie vor über 20 Jahren festgelegt, aber viele wissenschaftliche Studien haben seitdem belegt, dass diese Entscheidung falsch ist. Diese neue Erkenntnis, die als Bioenegie-Kohlenstoff-Bilanzschlupfloch bezeichnet wird, ist der Kernpunkt der Anklage.
„Die Politik der Europäischen Union beruft sich auf die falsche und rücksichtslose Annahme, dass das Verbrennen von Waldholz kohlenstoffneutral sei. Aber Wissenschaftler weltweit, sogar einschließlich der eigenen Berater der Europäischen Union, [haben] davor gewarnt, dass das Verbrennen von Waldholz tatsächlich die Emissionen steigere bezüglich fossiler Brennstoffe,“ sagte
Mary S. Booth, die Leiterin der Partnership for Policy Integrity (Partnerschaft für politische Integrität PFPI), die ihren Sitz in den Vereinigten Staaten hat und deren Forschungen zu Biomasse die Entstehung der Klage veranlasst hat.
Ole W. Pedersen, ein Umweltanwalt an der juristischen Fakultät von Newcastle in Großbritannien, erzählte Mongabay, dass die Kläger einen harten Kampf vor sich haben werden, um sich Geltung vor dem Gericht der Europäischen Union zu verschaffen, was auch immer der Sachverhalt sein mag. Normalerweise haben natürliche Personen und Nichtregierungsorganisationen nicht das Recht, Gesetze anzufechten, es sei denn, sie können nachweisen, dass sie direkt betroffen sind, was die Klage anstrebt.
Obwohl die Chancen, sich Geltung zu verschaffen, schlecht stehen, sagte Pedersen Mongabay, dass die Kläger die Klage als nächstbestes Handeln ansehen wegen eines kontinuierlichen Scheiterns, die Staatsführer der Europäischen Union zu überzeugen, sich mit dem Bioenergie-Kohlenstoff-Bilanzschlupfloch zu befassen.
Biomasse produziert mehr Emissionen als Kohle
Die Anklage lautet, dass Kohlekraftwerke innerhalb der Europäischen Union schnell auf das Verbrennen mit Holzpellets, deren Holz hauptsächlich aus Wäldern aus dem Südosten der Vereinigten Staaten und Osteuropa stammt, umgestellt werden. 2016 bestand fast die Hälfte der erneuerbaren Energien, die in der Europäischen Union produziert worden ist, aus Holzbiomassebrennstoff, laut der Anklage, mit deutlich steigender Nachfrage in der Zukunft.
Forscher, die die Klage unterstützen, argumentieren, dass Holz sogar mehr Kohlenstoffemissionen produziert als Kohle, weil mehr Holzpellets benötigt werden, um die gleiche Menge Energie wie Kohle zu erzeugen. Aber durch die veraltete Politik der Kohlenstoffneutralität des Kyoto Protokolls werden diese Emissionen nicht angerechnet.
Die Kohlenstoffneutralität im Falle von Biomasse basiert auf einer inzwischen kritisierten Annahme, dass, weil neue Bäume dort gepflanzt werden, wo ausgewachsense Bäume abgeholzt wurden, das neue Wachstum als Ausgleich für den Kohlenstoff dient, der durch das Verbrennen von Holz freigesetzt wird. Aber Untersuchungen, durch das Woods Hole Research Center in Massachusetts in den Vereinigten Staaten haben neben anderen Studien gezeigt, dass sogar, wenn die gleiche Anzahl von Bäumen gepflanzt wird – was häufig nicht der Fall ist – es mehrere Jahrzehnte dauern würde, bis diese Bäume die Kohlenstoffemissionen in der Atmosphäre absorbieren würden, die durch die Tonnen von Holzpellets, die an einem Tag verbrannt werden, entstehen.
Obwohl es technisch gesehen irgendwann einen Kohlenstoffausgleich gibt, ist die mehrere Jahrzehnte dauernde Verzögerung infolgedessen viel zu langfristig, angesichts der extremen Dringlichkeit, den Temperaturanstieg unter die kritischen 1,5 º Celsius des vorindustriellen Levels zu halten. Der Welt bleiben nur noch zwölf Jahre, um Kohlenstoff ausreichend zu reduzieren zur Vermeidung eines katastrophalen Klimawandels laut des wegweisenden Berichts des Ausschusses für Klimaänderungen der Vereinten Nationen im letzten Oktober.
Schließlich argumentierten die Umweltschützer beim Klimagipfel der Vereinten Nationen in Polen im letzten Dezember , dass die Gefahr bestehe, dass das Ziel des Kernpunktes des Pariser Klimaübereinkommen untergraben werde, falls Biomasse weiterhin als kohlenstoffneutral eingestuft werde. Dieses Abkommen hat sich zum Ziel gesetzt, den globalen Temperaturanstieg bei 1,5 º Celsius zu halten, indem sowohl die Emissionen von fossilen Brennstoffen reduziert als auch Wälder erhalten werden als starke Kohlenstoffspeicher und Schützer von Biodiversität. Durch das Bioenergie-Schlupfloch der Vereinten Nationen würden beide Ziele unerreichbar mit dem Ergebnis, dass es eine viel zu hohe Freisetzung von Kohlenstoff und einen untragbaren Temperaturanstieg in der Gefahrenzone geben wird, sagen Wissenschaftler.
Die Verrechnung von Emissionen ist fraglich
Da alle Kohlenstoffemissionen nicht vollständig und korrekt berechnet werden, besonders durch das Verbrennen von Holz , während immer mehr Wälder zerstört oder durch Kahlschlag gefällt werden, streiten Umweltschützer darum, dass Treibhausgas-Emissionen zusammen mit der Temperatur steigen werden – auch wenn Staaten Gutachten vorlegen, in denen behauptet wird, dass sie ihre Ziele zur Reduzierung der Emissionen erreichen.
Das Bionergie-Schlupfloch zu schließen, sei dringend, sagen Wissenschaftler. Die letzten fünf Jahre waren offiziell die heißesten weltweit, die zu verstärkten Klimaeinflüssen geführt haben vom steigenden Meeresspiegel bis zum Schmelzen der Eiskappen; zu heftigen Stürmen, Dürren, Waldbränden und dem weltweiten Absterben von Korallenriffen, Schäden im Ökosystem, einer steigen Anzahl von Klimaflüchtlingen und wirtschaftlichem Elend.
„Die Klage ist notwendig, weil die Europäische Union bisher nicht gewillt war, die Wissenschaft der Biomasse zu berücksichtigen“, äußerte Martin Luiga, ein Leiter der Estischen Waldhilfe (Estonian Forest Aid ) gegenüber Mongabay. „Das bedeutet, dass die Umweltzerstörung durch die Erneuerbare-Energien-Richtlinie nicht aufhören wird, während gleichzeitig europäische Steuerzahler betrogen werden: Sie werden nicht das „Grüne Energie“-Resultat bekommen, für das sie bezahlen“.
Kläger in dem Prozess aus Estland, Frankreich, Irland, Rumänien, der Slowakei und den Vereinigten Staaten machen geltend, dass sie bereits Schäden erlitten haben durch Abholzung und das Verbrennen von Biomasse, und sie rechnen mit einer Steigerung der Umweltschäden durch die steigende Nachfrage nach Holzpellets. Jeder Kläger kommt aus einem Teil der Welt, in dem bestehende Wälder, sogar alte Waldbestände, abgeholzt werden, um Holzpellets zur Gewinnung von Bioenergie zu produzieren.
Kent Robinson ist ein Kläger aus Williamston im Östlichen North Carolina. Er macht geltend, dass die 300 Morgen Land, die seine Familie seit 1898 bewirtschaften, auf denen sie jagen und leben, ökologisch beschädigt worden sind durch die intensive Abholzung für Holzpellets rund um sein Land. Vögel und andere Tiere sind verschwunden und Wälder, die als Schutz gegen Fluten und starke Stürme dienten, wie der Hurrikan Florence im letzten Jahr, sind ebenfall verschwunden.
„Die Europäische Union hat praktischerweise die Folgen ignoriert, die das Verbrennen von Holz auf das weltweite Klima und besonders auf die Wälder und die Gemeinden in den Südstaaten der USA hat“, sagte Adam Colette von der Dogwood Alliance (eine US-amerikanische Non-Profit-Umweltschutzorganisation, Anm.d.Übers.) mit Sitz in North Carolina, ein Zeuge im Prozess. „Die Europäische Union muss damit aufhören, unsere Wälder zu verbrennen und soll in den Schutz der Wälder weltweit investieren für unsere beste Verteidigung gegen den Klimawandel.“
Verteidigung der Bioenergie
Die Weltbioenergie Organisation in Stockholm, Schweden, unterstützt ihrerseits das Verbrennen von Biomasse, einschließlich Holz, als eine Alternative zum Verbrennen von Kohle. Sie unterstützte die Politik der Europäischen Union gegenüber der Positionen von Mongabay.
„Bioenergie ist eine wichtige Alternative zum Verbrennen von fossilem Brennstoffen,“ antwortete die Organisation in einer Mail. „Bioenergie ist kohlenstoffneutral und das nachhaltige Management von Biomasse zur Gewinnung von Energie und Produkten ist Teil des natürlichen Kohlenstoffzyklus.“
Die Führungskräfte der Holzindustrie argumentierten auch damit, dass sie keine gewachsenen Wälder abholzen, sondern eher bewirtschaftete Bäume, tote Bäume, Holzreste vom Waldboden und Holzabfälle von Sägewerken verwenden, um daraus Holzpellets für die Verbrennung zu produzieren.
Kate Doley, eine Forscherin des australisch-deutschen Klima- und Energiecolleges der Universität von Melbourne, trat diesen Behauptungen in einem Mongaby Interview entgegen.
„In Victoria, wo ich lebe, haben wir das Problem, dass es nur erlaubt ist, Reste für die Bioenergie zu verwenden, aber die Holzindustrie klassifiziert dann einen Teil ihrer Ernte als Reste ein“, sagte sie. „ Deshalb garantiert nicht einmal die Beschränkung auf den Gebrauch von Resten für Biomasse den Schutz der Wälder.“
Abhängig von der Rechtsfindung diesbezüglich liegt es jetzt vielleicht an den Gerichten diesen hitzigen Streit über das Verbrennen von Biomasse in der Europäischen Union und das Schlupfloch der Vereinten Nationen zur Waldanrechnung zu entscheiden.
Titelbild: Drax Biomassekraftwerk in Großbritannien. Bildnachweis: nican45 on Visualhunt.com / CC BY-NC-SA.
Justin Catanoso, ein fester Mitarbeiter von Mongabay, ist Professor für Journalismus an der Wake Forest Universität in North Carolina, USA. Folgt ihm auf Twitter @jcatanoso