- Neue Forschungsergebnisse zeigen, dass Saatgutbanken nicht ausreichen, um weltweit bedrohte Pflanzen- und Baumarten zu schützen.
- Laut einem Artikel, der in diesem Monat in der Fachzeitschrift Nature Plants veröffentlicht wurde, fanden Forscher des britischen Royal Botanic Gardens, Kew, heraus, dass 36 Prozent der vom Aussterben bedrohten Arten „widerspenstiges Saatgut“ produzieren. Diese können nicht getrocknet werden und daher nicht bei -20 °C eingefroren zu werden, der gängige Prozess, um Saatgut in Samenbanken aufzubewahren.
- Auf der anderen Seite erwiesen sich nur sehr wenige wild lebende Verwandte von Kulturpflanzen und Heilpflanzen als für konventionelle Saatgutbanken ungeeignet.
Neue Forschungsergebnisse zeigen, dass Saatgutbanken nicht ausreichen, um weltweit bedrohte Pflanzen- und Baumarten zu schützen.
Laut einem kürzlich in dem Journal „Nature Plants“ veröffentlichten Artikel fanden Forscher des britischen Royal Botanic Gardens, Kew (Kew Gardens), heraus, dass 36 Prozent der vom Aussterben bedrohten Arten „widerspenstiges Saatgut“ produzieren. Das bedeutet, dass die Samen ein Austrocknen nicht vertragen. Daher können sie nicht bei -20 °C eingefroren werden, dem Prozess, der für die Konservierung in einer Samenbank erforderlich ist.
Ziel 8 der „Globalen Strategie für den Pflanzenschutz“ (GSPC) sieht vor, dass 75 Prozent der bedrohten Pflanzenarten bis 2020 Ex-situ (außerhalb ihrer natürlichen Lebensräume) konserviert werden. Aufgrund des Fokus auf Samenbanking im Ex-situ-Schutz schreiben die Forscher in Nature Plants: „Das Ziel von 75 % ist ohne dringend notwendiger Investitionen in alternative Techniken nicht erreichbar.“
Auf der anderen Seite erwiesen sich nur sehr wenige wild lebende Verwandte von Kulturpflanzen und Heilpflanzen für das konventionelle Saatgutbanking als ungeeignet. Ziel 9 der GSPC erfordert, dass 70 % der genetischen Vielfalt von Kulturpflanzen und ihrer verwandten Wildtiere sowie anderer sozioökonomisch wertvoller Pflanzenarten erhalten bleiben.
„Wir haben herausgefunden, dass die Listen mit Wildpflanzen und Heilpflanzen wahrscheinlich nur eine geringe Anzahl von Arten haben, die nicht in einer herkömmlichen Saatgutbank gelagert werden können. Saatgutbanking bietet somit einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung von Ziel 9 der GSPC“, sagte die Hauptautorin Sarah Wyse gegenüber Mongabay. Wyse war als Wissenschaftlerin bei Kew Gardens tätig, als das Forschungsprojekt abgeschlossen wurde. Mittlerweile ist sie im Bio-Protection Research Center der Lincoln University in Neuseeland tätig.
„Wir haben jedoch auch festgestellt, dass die bedrohten Arten auf der Roten Liste der IUCN einen großen Anteil (36 % der Kategorie „kritisch gefährdet“) von Arten enthalten, die nicht mit traditionellen Samenbankmethoden konserviert werden können“, fügte Wyse hinzu. „Dies ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass viele dieser bedrohten Arten Bäume aus tropischen Feuchtwäldern sind. Diese gehören zu einer Pflanzengruppe, die die meisten widerspenstigen Arten enthält. Viele der weltweit am stärksten bedrohten Arten sind solche, die nicht mit herkömmlichen Samenbankmethoden geschützt werden können.
Wyse erklärte, dass Kew Gardens sich seit über 20 Jahren mit dem Pflanzenschutz befasst und eine Datenbank mit Informationen zu fast 20.000 Baum- und Pflanzenarten zusammengestellt hat. Das Forscherteam, das sie leitete, nutzte diese Datenbank zusammen mit Informationen zu den Lebensräumen der Arten, Pflanzen- und Saatgutmerkmalen und anderen Faktoren, um ein Modell zu entwickeln, um das, was sie als „wahrscheinliches Samenlagerverhalten“ bezeichnete, vorherzusagen: Ob eine Art in einer herkömmlichen Samenbank gespeichert werden kann oder nicht. Das Modell wurde letztes Jahr in den “Annals of Botanics” veröffentlicht.
„Für unser aktuelles Forschungsprojekt haben wir die vorhandenen Daten mit Vorhersagen aus unserem Modell von noch nicht getesteten Arten kombiniert, um die wahrscheinlichen Anteile von Arten in verschiedenen Pflanzenlisten abzuschätzen, die in herkömmlichen Samenbanken aufgenommen werden können“, sagte Wyse. „Diese Listen waren die Rote Liste der IUCN, eine Liste bekannter Heilpflanzen, wilde Verwandte von Pflanzen sowie eine Liste aller bekannten Baumarten.“
Widerspenstige Samen werden von ihrer Mutterpflanze mit einem hohen Feuchtigkeitsgehalt abgegeben und sind bereits metabolisch aktiv. Orthodoxe Samen werden, laut Wyyse, bei Erreichen der Reife jedoch ausgetrocknet, mit einem niedrigen Feuchtigkeitsgehalt und in einem ruhenden Zustand abgegeben. „Arten mit widerspenstigen Samen sind typischerweise Baumarten aus tropischen Feuchtwäldern. In der Theorie haben solche widerspenstige Samen unter diesen Bedingungen einen evolutionären Vorteil. Das liegt daran, dass sie, indem sie metabolisch aktiv bleiben, keimen und die Sämlinge sich sehr schnell entwickeln. So haben sie einen Vorteil gegenüber Samen, die erst „aufwachen“ müssen.“
Der Unterwuchs eines tropischen Waldes ist hart umkämpftes Gebiet. Daher kann eine frühe Keimung die Überlebenschancen eines jungen Sämlings erheblich verändern, indem er sich beispielsweise in neu öffnenden Lichtlücken behaupten kann. „In tropischen Wäldern, in denen die Umweltbedingungen das ganze Jahr über recht stabil sind, brauchen die Samen im Gegensatz zu den gemäßigten Regionen keine Ruhephase, um den Winter zu überleben“, erklärte Wyse. Eichen sind eine gemäßigte Art, die widerspenstige Samen hervorbringt, aber warum sie dies tun, ähnelt der Theorie für tropische Baumarten: „Sie keimen und setzen sehr schnell eine Stichwurzel ab, dann wechselt der sich entwickelnde Sämling im Winter in eine Ruhephase. Im Frühling befindet sich die Wurzel bereits unter der Erde, die Pflanze kann ihre Blätter schnell aufstellen und loslegen – wieder ein Zeitvorteil gegenüber den Konkurrenten, wenn es darum geht, Lichtlücken zu monopolisieren.“
Wyse und ihre Mitautoren schlagen Kryokonservierung vor, bei der der Embryo aus einem Samen entfernt und dann bei -196 °C mit flüssigem Stickstoff eingefroren wird – als Alternative zum Samenbanking. Ein Grund, warum Samenbanking als gute Option für die Ex-situ-Konservierung angesehen wird, besteht darin, dass eine große Anzahl von Individuen und somit die genetische Vielfalt auf relativ kleinem Raum erhalten werden kann. „Die Kryokonservierung hat denselben Vorteil“, sagte Wyse. „Sie ist jedoch viel forschungs- und arbeitsintensiver als herkömmliches Samenbanking und auch kostspieliger. Wenn es sich um eine Technik handelt, die zu einem wichtigen Akteur im Ex-situ-Schutz werden soll, müssen wir die Forschungsanstrengungen und -investitionen erhöhen.“
Die Forscher betonen auch den Wert der In-situ-Konservierung, bei der Arten in ihren natürlichen Lebensräumen erhalten werden. „Ex-situ-Konservierungsmaßnahmen wie Samenbanken sind nur die letzte Maßnahme oder sollten zur Vermehrung von Arten für Wiederherstellungsprojekte dienen, um sie wieder in der Wildnis einzuführen“, so Wyse. „Wir sind beispielsweise der Meinung, dass es naiv und sogar gefährlich für tropische Feuchtwälder sein könnte, anzunehmen, dass die Ex-situ-Erhaltung ein sinnvolles Mittel ist, um diese Arten vor dem Aussterben zu bewahren. Eine In-situ-Erhaltung ist möglicherweise das einzig mögliche Mittel, das wir wirklich brauchen, um die Erhaltungsbemühungen in diesen Gebieten zu bestärken, bevor es zu spät ist.“
Wyse weist auch darauf hin, dass, selbst wenn geschätzte 36 Prozent der vom Aussterben bedrohten Arten widerspenstige, nicht bankfähige Samen haben, die restlichen 64 Prozent wahrscheinlich orthodoxe, bankfähige Samen haben. „Es geht darum herauszufinden, wie sich das Saatgut der einzelnen Arten verhält, bevor wir sie sammeln und konservieren. Genau dafür wurde das hier verwendete Vorhersagemodell entwickelt.
QUELLEN
• Wyse, S. V., & Dickie, J. B. (2017). Taxonomic affinity, habitat and seed mass strongly predict seed desiccation response: a boosted regression trees analysis based on 17 539 species. Annals of botany, 121(1), 71-83. doi:10.1093/aob/mcx128
• Wyse, S. V., Dickie, J. B., & Willis, K. J. (2018). Seed banking not an option for many threatened plants. Nature Plants 4. doi:10.1038/s41477-018-0298-3
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