- Eine korrupte Verwaltung im ukrainischen Holzsektor versorgt die EU mit großen Holzmengen aus den dichten Wäldern des Landes.
- Die in London ansässige Non-Profit-Organisation Earthsight fand Beweise dafür, dass Forstbeamte Bestechungsgelder angenommen haben, um bedeutende europäische Firmen mit ukrainischem Holz zu beliefern, das möglicherweise illegal abgeholzt wurde.
- Earthsight argumentiert, dass Unternehmen mit Sitz in der EU nicht die von der EU-Holzverordnung geforderte Sorgfaltspflicht anwenden, wenn sie aus „risikoreichen“ Holzquellen kaufen.
Die nachlässige Sorgfaltspflicht europäischer Unternehmen treibt die illegale Abholzung in der Ukraine, einem der größten europäischen Lieferanten voran. Dies geht aus einem Bericht vom 14. Juli hervor.
„Es ist eine riesige Quelle risikoreichen Holzes, das in der EU ankommt“, sagte Sam Lawson, der die in London ansässige Non-Profit-Ermittlungsbehörde Earthsight leitet.
In der Ukraine gibt es einige der größten unberührten Wälder Europas. Aber diese Wälder, in denen Braunbären (Ursus arctos arctos), Wölfe (Canis lupus lupus) und Bisons (Bison bonasus) leben, liefern der EU auch mehr „Hochrisikoholz“ als alle Länder in den Tropen zusammen, führte Lawson an. Earthsight führte eine zweijährige Untersuchung des Holzsektors des Landes durch, arbeitete sich durch Gerichtspapiere und Zollunterlagen, befragte Mitarbeiter der Industrie und Regierungsbeamte und führte verdeckte Ermittlungen vor Ort durch.
Video © Earthsight.
Dieser Einsatz brachte Beweise für korrupte „staatliche Forstunternehmen“ und Abteilungsleiter in der Ukraine zu Tage. Die Korruption konnte bis zu den großen Sägewerken, Zulieferern und Einzelhändlern in der EU verfolgt werden – Unternehmen, die laut Earthsight, nicht ihrer Verantwortung nachgehen, zu überprüfen, ob das Holz, das sie kaufen, von Bäumen stammt, die gemäß der jeweiligen Gesetze gefällt wurden. Dies bedeutet, dass ein erheblicher Teil des Holzes in europäischen Produkten aus illegal abgeholzten Quellen stammt, äußerte sich Lawson gegenüber Mongabay.
„Es wird überall verwendet“, sagte er. „Sie werden kaum ein Produkt finden, das nicht ukrainisches Holz enthält.“
Die Holzindustrie ist eine riesige Einnahmequelle für das Land und bringt jedes Jahr rund 1,7 Milliarden US-Dollar ein, was etwa 2 Prozent des ukrainischen Bruttoinlandsprodukts 2016 entspricht. Das Earthsight-Team hat jedoch Beweise für erhebliche Korruption und einer fragwürdigen Verwaltung dieser wirtschaftlich wichtigen Ressource aufgedeckt, die sich von den dichten Wäldern der Westukraine bis hinauf in die Lieferkette erstreckt.
Eine von Earthsight finanzierte Studie ergab, dass mehr als zwei Drittel der im 2017 gefällten Bäume, gefällt wurden, da die Verantwortlichen ein Schlupfloch in einem Gesetz nutzten, das die Ausbreitung einer Krankheit stoppen sollte. In vielen Fällen wandten Forstwirte die Methode des „gesundheitlichen Holzschlages“ großzügig an, um mehr Bäume abzuholzen, als aufgrund des Gesundheitsschutzes nötig gewesen wären, sagte Lawson.
„Es ist ein übliches Fehlverhalten, das auch in anderen Teilen der ehemaligen Sowjetunion vorherrscht“, erläuterte er. Bäume, die unter diesem Vorwand abgeholzt werden, machen zwischen 38 und 44 Prozent der Gesamtproduktion und -exporte aus – eine Holzernte, die laut Earthsight, als „ungerechtfertigt“ und „illegal“ angesehen werden sollte.

Als Reaktion auf Probleme in der Holzbranche verboten ukrainische Behörden 2015 den Export von unverarbeitetem Holz.
„Wenn es viel Korruption in Ihrem Holzfällersektor gibt, die auch noch von der Nachfrage aus Übersee angetrieben wird“, erklärte Lawson, „dann ist ein Exportverbot von Holz eine heikle Angelegenheit, um genügend Luft zur Reformation der Industrie zu schaffen.“
Das Verbot gibt einem Land wie der Ukraine die Kontrolle über die Verarbeitungsanlagen, in denen Inspektoren die Herkunft der Rohstoffe überprüfen können, fügte er hinzu.
Die Daten der EU-Zollämter zeigen jedoch, „dass riesige Mengen Holzscheite nach Europa importiert werden, deren Export in der Ukraine vermeintlich verboten ist“, sagte Lawson. Das Team stellte fest, dass ein Großteil des als Brennholz markierten Holzes in EU-Länder gelangte.
Lawson erklärte, die europäischen Behörden hätten Druck auf die Ukraine ausgeübt, um wieder Holzexporte zuzulassen, mit dem Argument, dass Unternehmen mit Sitz in der EU nicht über genügend Informationen verfügten, die sie davon „überzeugen“ würden, ukrainisches Holz nicht mehr zu importieren.
„Warum muss man die Importeure davon überzeugen, Gesetze einzuhalten?“, fragte Lawson. Die EU-Holzverordnung (EUTR), die aus einer Reihe von Gesetzen besteht und 2013 in Kraft getreten ist, schreibt vor, dass Unternehmen die Holzquellen aus von ihnen importierten Hochrisikoquellen prüfen müssen.
„EUTR ist ein Gesetz“, fügte er hinzu. „Es ist keine freiwillige Sache.“

Earthsight hat Beweise dafür geliefert, dass sich Bestechungsgelder in Milliardenhöhe in der Industrie bewegen. Offenbar haben einige Schlüsselfiguren der Holzbranche persönlich von der korrupten Verwaltung profitiert. 2017 wurde Roman Cherevaty, der Direktor einer regionalen Forstbehörde in den Karpaten, im Rahmen einer Stichprobe von der Polizei festgenommen. Er hatte versucht, Beamte mit monatlichen Zahlungen von 10.000 US-Dollar zu bestechen, die über seine illegalen Abholzungspraktiken hinwegsehen sollten.
Viktor Sivets, der ehemalige Leiter der nationalen Forstabteilung, wurde kontrolliert, weil er auf Kosten der ukrainischen Wälder Bestechungsgelder in Höhe von etwa 30 Millionen Euro angenommen hatte.
„Sivets konnte diesen korrupten Plan verfolgen, da er im Wesentlichen einzelne Holzfällerunternehmen unter seiner Leitung anweisen konnte, diesen ausländischen Käufern Holzscheite zu bestimmten Preisen zu verkaufen“, meinte Lawson. „Das gab ihm die Macht, Bestechungsgelder zu erhalten.“
Sivets war auch ein Mitarbeiter des ehemaligen Präsidenten Viktor Janukowitsch, der selber beschuldigt wurde, während seiner Amtszeit ein breites Konsortium geführt zu haben, das die Ukraine möglicherweise 100 Milliarden US-Dollar gekostet hat.
Der österreichische Holzverarbeiter, Holzindustrie Schweighofer, war bis zum Exportverbot 2015 der führende Käufer von ukrainischem Holz. Das Earthsight-Team wies auf Berichte von ukrainischen Staatsanwälte, die darauf hindeuteten, dass Schweighofer und mehrere andere Importeure 13 Millionen Euro für „Marketingdienstleistungen“ an Sivets und seine Frau über in Großbritannien ansässige Briefkastenfirmen gezahlt hatten. Diese Briefkastenfirmen bestehen meist aus nichts weiter als einer Postanschrift. In anderen Fällen waren diese Unternehmen an Orten registriert, die für die Identitätsverschleierung der Eigentümer bekannt sind, wie Panama und Belize.

„Es ist unser Grundsatz, nur im Rahmen aller für unser Unternehmen relevanten nationalen und internationalen Gesetze zu handeln. Daher lehnen wir diese Anschuldigungen natürlich nachdrücklich ab“, sagte Thomas Huemer, Sprecher von Schweighofer, in einer E-Mail an Mongabay. Huemer fügte hinzu, dass es die Firmenpolitik sei, „keine Geschäfte mit verurteilten Straftätern aufgrund von Korruption und illegalen Fällungen zu machen.“
Schweighofer und eines der weltweit größten Paneel-Unternehmen EGGER, mit Sitz in Österreich, erhielten laut der Untersuchung von Earthsight auch Holz, das vermutlich zu reduzierten Preisen an Unternehmen verkauft wurde, die in Ländern mit strengem Bankgeheimnis wie Belize oder Panama registriert sind..
Ein Sprecher von EGGER teilte Mongabay in einer E-Mail mit, dass ein Teil des Nachhaltigkeitsansatzes des Unternehmens darin bestand, Holz aus „Waldverdünnungen [und] Hygieneaktivitäten als Rohstoffe im Produktionsprozess zu verwenden und sehr strenge Holzbeschaffungsrichtlinien zu verfolgen, um die Kontrolle des Holzursprunges sicherzustellen.“ Egger antwortete nicht direkt auf die Frage, ob ein Fällen für den Gesundheitsschutz als „hygienische Tätigkeit“ angesehen wurde.

„Das größte Anliegen von EGGER ist die Risikominderung von illegalem Holz. Wir werden auch weitere Ermittlungsschritte speziell für das Holz aus der Ukraine durchführen“, sagte der Sprecher. „Wir setzen auch auf die Unterstützung lokaler Behörden und europäischer Institutionen für ein striktes Gesetz zur Kontrolle der Holzherkunft.“
Lawson sagte, einige Unternehmen hätten sich auf die Zertifizierung durch den Forest Stewardship Council (FSC) in der Ukraine verlassen, um zu kontrollieren, ob die Holzquellen legal seien.
„Anstatt sinnvolle Sorgfaltspflichten zu ergreifen, wie es das Gesetz verlangt, kaufen sie stattdessen FSC-Holz, das den Sinn dessen, was dieses Gesetz erreichen soll, nicht erfüllt“, sagte Lawson.
Seiner Meinung nach könnte die Ersetzung von FSC-Standards durch die eigene Sorgfaltspflicht der Unternehmen, den Einfluss von der EUTR „unterlaufen“. Dies sei besonders beunruhigend, angesichts der Holzmenge, die die Ukraine dem Rest des Kontinents liefert.
„Ihr Dach, Ihr Boden, Ihr Tisch, die Zeitung, die Sie gerade halten, könnten alle aus ukrainischem Holz bestehen“, mahnte Lawson in einer Erklärung. „In dem Falle ist die Wahrscheinlichkeit auch groß, dass es illegal gefällt oder gehandelt wurde, begünstigt durch Korruption auf hoher Ebene.“
Bannerbild von Eisenbahnwaggons mit Holz © Earthsight.
John Cannon ist ein im Nahen Osten ansässiger Mongabay-Journalist. Finden Sie ihn auf Twitter: @johnccannon