- Die Arktis erwärmt sich schneller als jeder andere Teil der Welt und ihre Ökosysteme verändern sich rasch, dies kommt mit Verlagerungen in den Zeiten der Insektenschlüpfungen, des Pflanzenwachstums und mehr.
- Diese Veränderungen beeinflussen wandernde Arten, welche sich zwischen der Arktis, den tropischen- und den gemäßigten Gebieten bewegen. Eine solche Art ist der Knutt, ein Küstenvogel dessen arktische Nahrungsmittelversorgung und Energiespeicher durch den Klimawandel abgeschwächt sind.
- Eine kürzliche Studie fand, dass junge Knutts (Calidris canutus) seit 1985 um ungefähr 15 Prozent geschrumpft sind. Diese Schrumpfung beinhaltet kleinere Schnäbel, welches das Überleben der Jungvögel gefährdet, da diese nach Muscheln graben.
- Forscher haben eine Vielzahl von verschiedenen Risiken durch die Erderwärmung für diese Spezies entdeckt, während sie von tropischen Überwinterungsgebieten und arktischen Übersommerungsgebieten über Migrationsrouten wandern, welche schrumpfende Tundra; steigende Meere; zunehmend Extremwetter; Ozeanversauerung und Veränderungen in spezialisierten Umfeldern, welche z.B gemäßigte Zwischenstopps enthalten.

Was in der Arktis passiert, bleibt nicht in der Arktis: Einige Wissenschaftler behaupten, dass der Wandel als abgeänderter Jetstream südlich vom nördlichen Polarkreis fließt und damit Extremwetter zu den mittleren Breitengraden bringt. Dieser steigt auch auf, da auftauender Permafrost CO2 und Methan in die Atmosphäre entlässt, was die Temperaturen weltweit erhöht. Dazu fliegt es weiter und weiter aus dem Norden, in die gemäßigten und tropischen Ökosysteme, während die Zugvögel von dem heißeren arktischem Klima belastet werden.
In den letzten Jahren wurden Arten, welche von dem Klimawandel betroffen sind zu einem Schwerpunkt der Untergruppe zur Erhaltung der arktischen Flora und Fauna des arktischen Rates und dem Übereinkommen zur Erhaltung wandernder wild lebender Tierarten geworden. Beide versuchen nicht nur zu bestimmen, wie der Klimawandel das arktische Ökosystem verändert, sondern auch wie diese Versetzungen die Ökosysteme im Süden beeinflussen, wobei die wandernden Tierarten – insbesondere Vögel – als eine Art Vektor der Übertragung agieren.
Ein Hauptproblem welches sie dabei untersuchen: Die rapide wärmer werdende Arktis hat in drastischen Veränderungen in den Pflanzen und dem Aufbau sowie dem Timing von Insektennestern resultiert, was bedeutet, dass Vögel welche auf diese bestimmte arktische Nahrungsmittelversorgung angewiesen sind nun mit weniger gespeicherter Energie auf die langen Migrationswege aufbrechen als in den Jahren zuvor.
“Die Arktis ist für Küstenvögel und Wasservögel, etwa Gänse und Enten, und einige Seevögel, wie Seeschwalben sehr wichtig,” sagt Borja Heredia, Vorstand des Vogelteams des Übereinkommens zur Erhaltung wandernder wild lebender Tierarten. “Jedes von diesen Lebewesen nutzt die Arktis. Aber das Eis schmilzt, die Bedingungen ändern sich und das Timing der Wanderung wird vom Klimawandel betroffen.” Zugvögel, welche ihre Sommer in der Arktis verbringen, haben Winterdestinationen welche bis zu den Wäldern von Zentralamerika und dem Amazonasbecken, oder den Küsten von Westafrika gehen können – weshalb es noch wichtiger ist, die Lebensräume für Zwischenlandungen zu erhalten.
Der Knutt (Calidris canutus) ist ein wissenschaftlich belegtes Beispiel für eine vom Klimawandel betroffenen Spezies. Schwärme dieser Küstenvögel, welche mittelgroße Sandläufer sind, fliegen 15.000 Kilometer (9300 Meilen) von ihren Überwinterungsgebieten an der mauritanischen Küste bis zu der russischen Arktis. Wenn der Schnee dort schmilzt, paaren sich die Vögel. Sobald die Küken aus ihren Eiern entstehen, verbringen sie zwei Monate damit, sich an Insekten voll zu fressen, um Fett für die lange Reise zurück nach Afrika zu sammeln. So hat es zumindest früher funktioniert.

“Durch die Erwärmung der Arktis schaffen es junge Knutts zwar immer noch nach Westafrika, aber sobald sie da sind, sind sie so klein, dass sie Schwierigkeiten haben, Nahrung aus dem Bodensatz zu sammeln,” sagt Jan van Gils, ein Meeresökologe am Royal Netherlands Institute for Sea Research. In einer Studie aus dem Jahr 2016 im Science, hat van Gils herausgefunden, dass die Jungvögel seit 1985 um etwa 15 Prozent geschrumpft sind. Diese Schrumpfung enthält zum Teil eine Schrumpfung des Schnabels, was ihr Überleben gefährdet. Knutts essen Muscheln welche ungefähr drei bis vier Zentimeter tief im Sand vergraben sind, aber mittlerweile sind ihre Schnäbel häufig zu klein um diese Tiefen zu erreichen, weshalb die Vögel gezwungen sind, sich vom weniger nahrhaften Seegras am Leben zu halten.
In Folge dieses Problemes, als auch weiteren Stressfaktoren, ins Besondere den Verlust des Lebensraumes, sind Knutts von der Weltnaturschutzunion als gefährdet eingestuft.
Wissenschaftler vermuten dass das Schrumpfen der Knutts wahrscheinlich durch eine Diskrepanz zwischen den tropischen- und den arktischen Brutgebieten entsteht. “Da sie Wandervögel sind haben sie Schwierigkeiten mit den Veränderungen in der Arktis, insbesondere in Ihrer Nahrungsmittelversorgung,” sagt van Gils. Mit dem früher und früher schmelzenden Schnee erscheinen Insekten früher als vorhergesehen, während die Ankunfts- und Brutzeiten der Vögel gleich bleiben. Deshalb ist der Fortpflanzungszeitraum nun versetzt zur höchsten Nahrungsmittelverfügbarkeit, weshalb die Küken ohne eine vernünftige Proteinquelle aufwachsen.
Dieses Problem aus dem Norden “könnte sogar zu einem Teufelskreis führen, wo sie, wenn sie kleiner sind, sich nicht mehr an den Muscheln in Westafrika ernähren können und zu Seegras wechseln müssen, welches ein schlechterer Treibstoff ist, [was es] schwieriger [macht] früh nach Russland aufzubrechen um die Insekten zu kriegen.”

Was wesentlich beunruhigender ist, ist dass dieses Phänomen wahrscheinlich nicht nur auf Knutts eingeschränkt ist. Eine Vielzahl von Arten auf der Welt werden aufgrund der Erderwärmung kleiner, was auf verschiedenen Wegen ihre Ökosysteme beeinflusst. Bei wandernden Arten ist dieser Einfluss doppelt so stark.
Heredia betont, dass die regionalen Effekte des Klimawandels auf wandernde Arten keine Einbahnstraßen sind. “Diese Einflüsse passieren in der einen Richtung, aber [auch] in der anderen… Viele von diesen [arktischen] Arten werden in die Tropen ziehen, wo man dann Entwaldung haben wird,” neben eskalierenden Dürren und weiteren vom Klimawandel herbeigeführten Stressoren. Diese Probleme werden auch Langstreckenfliegern in den mittleren Breiten betreffen.
Eine Studie vom Jahr 2014 hat beispielsweise ergeben, dass der Klimawandel das Aussterberisiko von fast 90 Prozent der nordamerikanischen Küstenvögel verschlimmert, wobei jede von diesen Arten Zugvögel sind. Forscher haben in den tropischen Überwinterungs- und den arktischen Übersommerungsgebieten als auch den Migrationsrouten Risiken durch die Erderwärmung entdeckt — diese enthalten schrumpfende Tundra; steigende Meeresspiegel; zunehmend stürmisches, extremes Wetter; Ozeanversäuerung und Veränderungen in spezialisierten Umgebungen, wie die gemäßigten Zwischenstopps an welchem die migrierenden Tiere rasten.
Für nordamerikanische Knutts sorgt das für mehrere Klimawandel-bedingte Erschwernisse auf deren gesamten Routen. Neben den schrumpfenden Brutrevieren und einer Nahrungsmittelknappheit müssen die Vögel auch erwärmenden und säurehaltigen Ozeanen trotzen, welche den Wachstum von Meeresfrüchten (einer weiteren wichtigen und energiereichen Nahrungsquelle) hemmen; steigenden Meeresspiegeln welche Moore auf der Zugroute abbauen oder überfluten können, zuzüglich zu verändertem Brut- und Zwischenstoppgebieten, was sie für weitere Raubtiere angreifbar macht.
“Migration ist ein riskantes Abenteuer,” sagt Heredia. “Wenn die Vögel nicht gut vorbereitet sind, werden sie eine Menge Probleme haben.”

Eine Lösung für dieses Problem: Wissenschaftler und politische Entscheidungsträger versammeln aktuell Nationen, welche auf den Flugrouten liegen, um die Gebiete für Zwischenstopps, welche verschiedenen Vogelarten mit einem Ort zum Unterkommen, Ernähren und Rasten versorgen, zu konservieren.
Das Übereinkommen zur Erhaltung wandernder wild lebender Tierarten wird die Parteien noch in diesem Jahr einberufen, in der Hoffnung ein Abkommen zum Schutz des ost-asiatisch und ozeanischen Zugweges, einer Route welche sich von der Taimyrhalbinsel in Russland bis nach Alaska, danach südlich nach Asien, Australien, Neuseeland und letztendlich auch der Antarktis erstreckt. Man schätzt, dass 55 wandernde Arten diese Route entlang reisen, wobei ungefähr 5.000.000 Vögel diese jährlich verwenden.
Andere Migrationsrouten, Übersommerungs- und Überwinterungsgebiete müssen dringend eingeschätzt und beschützt werden. “Aus einer naturschutzfachlichen Perspektive ist es sehr wichtig, die gesamte Reiseroute [einer Zugvogelart] zu beobachten, nicht nur ein Land oder Ökosystem,” sagte Heredia. “Sollten wir diese Zwischenstoppstellen zerstören, können wir es vergessen. Dann ist das das Ende der Geschichte.”
Quelle:
Van Gils, J. (2016). Body shrinkage due to Arctic warming reduces red knot fitness in tropical wintering range. Science, 352 (6287).