- Der Lebensraum der Andenkatze reicht von abgeschiedenen Gebieten Zentralperus bis hin zu den Steppen Patagoniens. Diese kleine Katze hat sich an extreme Umgebungen angepasst und wird durch Lebensraumverschlechterung und Jagd bedroht, leidet aber vor allem unter ihrer Anonymität: Es ist sehr schwer, ein Tier zu retten, das niemand sieht.
- Es sind so wenige dieser bedrohten Katzen in solch weiten Landschaften verstreut, dass nicht mal ein Großteil ihrer Befürworter, die versuchen, sie zu schützen, sie je gesehen haben. Aber die Naturschutzbestrebungen, die diese Katze retten könnten, könnten auch die wilden Orte schützen, in denen die Andenkatzen leben.
- Als eine männliche Andenkatze in einem Fußballfeld gefunden wurde, waren sich die Mitglieder der Andean Cat Alliance einig, diese außergewöhnliche Gelegenheit nicht zu nutzen. Man entschied sich das Tier nicht in Gefangenschaft zu beobachten, sondern „Jacobo“ stattdessen in die Wildnis zurückzubringen.
- Die Koordinatoren von Andean Cat Alliance Rocío Palacios und Lilian Villalba arrangierten den multinationalen Aufwand von Freiwilligen die Katze freizulassen. Naturschützer statteten Jacobo mit einem GPS-Halsband aus. Man hoffte, durch die Aufnahme seiner Reise neue Daten über diese geheimnisvolle Katze aufdecken zu können, die als ein Symbol der Anden gilt.
Als eine Andenkatze (Leopardus jacobita) plötzlich mitten in einem künstlichen Fußballfeld in Bolivien auftauchte, war die Wildkatze weit von dem Ort entfernt, der ihr Zuhause sein sollte. Da sich die Anwohner nicht anders zu helfen wussten, setzten sie die gefährdete Katze in einen Vogelkäfig, um sie den Behörden zu übergeben.
Wie die hauskatzengroße Katze so weit von ihren normalen Lieblingsplätzen — hoch in den Bergen von Chile, Argentinien, Bolivien und Peru — entfernt auftauchen konnte, ist bis heute ein Rätsel. Dieser außergewöhnliche Umstand ermöglichte es Naturschützern jedoch, mehr über das Tier zu erfahren, dass sie schützen wollten, aber nur selten sichten konnten.
Es ist nicht einfach, eine Andenkatze zu finden. Es gibt laut erster Populationszahlen, die letztes Jahr auf der Webseite der Roten Liste der IUCN veröffentlicht wurden nur 1.378 ausgewachsene Katzen. Diese kleinen Katzen sind dabei auf mehr als 150.000 Quadratkilometern Hochlande vom Nordosten Perus bis hin nach Patagonien verstreut. Diese Schätzung der einzelnen Population ist einer der größten Erfolge der Andean Cat Alliance. Das liegt daran, dass das Schätzen von Populationszahlen für eine Art mit einer so geringen Dichte eine echte Herausforderung ist, sagt Rocío Palacios. Palacios ist ein Biologe und der Koordinator der Freiwilligen-Organisation, die sich dem Schutz dieser Wildkatzen über die ganzes Artenvielfalt hinweg widmet.
Obwohl die Katzen in entfernten Gebieten in Höhen von bis zu 3.700 m leben, sind ihre Lebensräume reich an Kohle, Öl und Mineralien, wie Zinn, Silber und Gold. Daher muss die zurückgezogene Katze mehr und mehr mit der Minenbranche um ihr Territorium konkurrieren. Sie werden aber auch von einheimischen Jägern bedroht, die, im Bemühen, ihre Nutztiere vor größeren Raubtieren zu schützen, oftmals auch die kleinen Katzen töten.
Die dick ummantelte Wildkatze leidet auch unter einer Identitätskrise. Da so wenige in einer solchen weiten Berglandschaft Lateinamerikas herumstreifen, wissen die meisten Leute nicht, wie sie aussehen. Wenn sie gesichtet werden, können Andenkatzen für die Pampaskatze gehalten werden, die im sich überschneidenden Lebensraum angesiedelt ist. Mit so einem niedrigen Profil kann es schwierig werden, genügend Unterstützung für den Schutz zu finden.
„Hier geht es um mehr als nur der Schutz einer Katze“, sagt Palacios. „Dieses Tier ist ein Symbol der Anden. Wenn wir davon reden, diese Katze zu schützen, sprechen wir auch davon, eine komplette Landschaft zu retten.“
Mongabay: Was motiviert Sie, ein Tier zu schützen, dass Sie niemals zu Gesicht bekommen?
Palacios: Diese Frage wird mir oft gestellt. Erst war es sehr schwer, diese zu beantworten, da ich nicht verstehen kann, dass man das zu studierende Tier sehen muss, um damit zu arbeiten.
Ich hatte schon immer Freude daran, Raubtiere zu studieren. Aber dort wo ich lebe, in Argentinien, gibt es keine großen Löwen. Wir haben kleinere Katzen und sie sind immer in Bewegung, daher ist es sehr schwer, sie zu finden. Deswegen ist es Detektivarbeit: Ich suche nach Indizien und Spuren, um herauszufinden, was die Katzen gemacht haben oder wie sie miteinander interagieren. Durch die Sammlung von Beweisen können wir die Lebensgeschichte zusammensetzen. Aber es geht nicht nur um die Katzen. Die Katze ist ein Symbol für das, wofür meine Arbeit steht.
Eine der mächtigsten Erfahrungen in meinem Leben hatte ich bei meiner ersten Reise in die Anden. Ich suchte damals nach Katzen und sammelte Kot. Damals saß ich auf einem Stein und es gab weit und breit kein Zeichen menschlichen Lebens — keine Menschen, keine Straßen, keine anderen menschlichen Dinge. Ich war zwar seit meiner Kindheit immer wieder in den Bergen, hatte aber noch nie dieses Gefühl empfunden, ganz mit der Natur zu verschmelzen.
Der Naturschutz kann ein herausfordernder Job sein; oftmals sieht es wie ein Kampf aus, der bereits verloren ist. Die Andenkatze ist wie meine geheime Waffe, ein Symbol dieser Erinnerung an das komplette Verschmelzen mit der Natur.
Mongabay: Was haben Naturschützer von Jacobo gelernt?
Palacios: Der Fund von Jacobo war eine große Sache. Die freiwilligen Wissenschaftler und Experten von AGA (Alianza Gato Andino ist der spanische Name für die Andean Cat Alliance) arbeiten schon seit langer Zeit zusammen und haben viele Fragen zur Lebensgeschichte der Katze: Wie viele Junge haben sie? Wann sind die Paarungszeiten? Wie ist ihre Physiologie? Das sind grundlegende Fragen, die wie nicht beantworten können, da wir noch nie ein Tier zu Studienzwecken in Gefangenschaft hatten. Vor Jacobo kannten wir nicht mal die Komposition des Blutes der Katze.
Augenblicklich nachdem Jacobo gefunden wurde, wurde entschieden, dass der beste Ort für ihn der Vesty Pakos State Zoo in La Paz [Bolivien] ist. Sie machten besondere Käfige für ihn, damit er sich nicht an die Menschen gewöhnte und sorgten sich sehr gut um ihn, er nahm in der Zeit sogar an Gewicht zu.
Ein von der AGA organisiertes interinstitutionelles Komitee wurde gegründet, um nachzuforschen wie es um die Unversehrtheit von Jacobo stand. Wir wollten ihn nach dem Winter freilassen, wenn das Wetter nicht mehr so rau sein würde. Doch er zeigte schnell Anzeichen von Stress in Gefangenschaft — das war für uns eine alarmierende Warnung, dass wir ihn schnellstens freilassen mussten. Es fühlte sich wie ein Notfall an.
Auch wenn wir alles dasselbe wollten, war es schwierig zusammenzuarbeiten, weil die Leute in verschiedenen Ländern arbeiteten und jeder einen „Tagesjob“ hatte, um seine Rechnungen zu bezahlen. Auch der Freilassungsprozess war kompliziert. Beispielsweise brauchten wir Bluttests, um sicherzustellen, dass Jacobo vor seiner Freilassung gesund war, aber es gab kein Labor in Bolivien, das dies durchführen konnte, daher wurde die Probe zu einem Experten nach Chile geschickt. Dafür brauchten wir spezielle Genehmigungen in sehr kurzer Zeit. Nachdem die Ergebnisse positiv ausfielen, benötigten wir Trucks, Freilassungsexperten und ein Halsband, um ihn zu orten. All das kostet Geld und ist teuer. Mit Ausnahme der Trucks wird der größte Teil von der AGA finanziert.
Die Ortungstechnologie eignet sich nicht gut für kleine Katzen und man kann sie nicht für ein einzelnes Exemplar maßschneidern lassen. Es wurden insgesamt nur 5 Andenkatzen mit Halsbändern ausgestattet und wir haben bei Weitem nicht genügend Informationen von ihnen. Die erste Katze namens Sombrita erhielt in Bolivien ein Halsband und wurde knapp sechs Monate später von einem Einheimischen getötet, der Probleme mit dem kürzlich festgelegten geschützten Gebiet in der Region hatte. Später wurden mehr Katzen in Argentinien mit Halsbändern ausgestattet, aber jeder davon hatte irgendwelche Probleme: die Halsbänder fielen ab oder hörten mit der Aufnahme einfach auf. Es gibt keine geeignete Technologie für diese Art, daher stammen die meisten Informationen von Kot und Bildern von Kamerafallen.
Am Schluss kam alles zusammen und wir konnten Jacobo im Nationalpark Sajama in Bolivien freilassen. Nach den ersten Tagen der Ortung seines Radiosignales begann er, sich weiter von dem Ort zu entfernen.
Mongabay: Wie sieht der nächste Schritt für den Schutz von Andenkatzen aus?
Palacios: Unser unmittelbares Ziel ist es, die Jagd zu stoppen. Als ich meine Forschung in Nordpatagonien beendete, stammte mehr als die Hälfte der Aufzeichnungen von toten Katzen. Das sind mehr als 20 tote Katzen, eine immense Zahl für eine Art mit einer so niedrigen Dichte.
Teil unseres Bekämpfungsprogrammes in Chile und Argentinien beinhaltete das Training von Wachhunden, um Raubtiere von den Ziegenherden in den [Berg-]Gemeinden fernzuhalten. Dadurch werden kleine Katzen nicht zusammen mit Berglöwen getötet, die die wahren Jäger von Nutztieren sind. Wir wollen das Programm so schnell wie möglich erweitern.
Ein anderer Teil des Programms bringt Künstler zu Schulen, die den Schülern helfen, Wandbilder zu malen, die die Andenkatze zeigen und ihren wichtigen Platz in der Landschaft. In diesen isolierten Regionen schaffen Schulen eine Plattform für Gemeinden, um diese Schutznachrichten zu verbreiten.
Wir benötigen auch eine Grundlagenforschung zu den Leveln der Populationsgenetik. Es klingt vielleicht langweilig, aber ich habe den starken Verdacht, dass es zwei Unterarten der Andenkatzen gibt und wir müssen wissen [ob dies stimmt oder nicht], um unsere Naturschutzpläne anzupassen.
Nächstes Jahr wollen wir auch ein Überwachungsnetzwerk in den geschützten Gebieten beginnen. Das war mein Hauptprojekt in der vorherigen Feldforschung. Wenn es gut umgesetzt wird, wird die Andenkatze Teil des Aktionsplanes für geschützte Regionen. Das funktioniert als Naturschutzmittel, da es dabei hilft, plötzliche Änderungen in Populationstrends aufzudecken.
Und natürlich ist da noch Jacobo. Wir müssen ihm weiter folgen. Er wurde an einem sehr abgeschiedenen Ort freigelassen, in einem Park der Bolivien und Chile überspannt. Als wir in das Gelände gingen, um nach [Radiohalsband-]Signalen im Oktober, November und Dezember zu suchen, gab es einmal ein Signal weit entfernt und dann nie wieder. Wir versuchen einen Überflug zu organisieren, um nach ihm zu sehen, bevor die Radiobatterie stirbt.
Auch wenn es enttäuschend ist, nicht zu wissen, wo genau er ist, ist es gut, dass sich Jacobo von dem Ort seiner Freilassung wegbewegt hat und nach einem geeigneten Ort für sein eigenes Territorium sucht. Er ist irgendwo da draußen und weil jedes Lebewesen zählt, wissen wir, dass wir das Bestmögliche getan haben, indem wir ihn damals freiließen.
Jacobo ist weit mehr als nur eine Katze für uns; er ist das Symbol der Anden. Genau wie ein lebendes Wesen eine Seele braucht, wird die Seele der Anden von Jacobo repräsentiert.
Weiter Informationen zu diesem Thema:
Lucherini M, Palacios R, Villalba L, Iverson E. (2012) A new Strategic Plan for the conservation of the Andean cat. Oryx. Vol. 46, pp. 16-17.
Novaro AJ, Walker S, Palacios R, et al. (2010) Endangered Andean cat distribution beyond the Andes in Patagonia. Cat News. Vol. 53, pp. 8-10.
Villalba L, Lucherini M, Walker S, Lagos N, Cossios D, Bennett M, Huaranca J. 2016. Leopardus jacobita. The IUCN Red List of Threatened Species 2016: e.T15452A50657407.
Walker S, Funes M, Heidel L, Palacios R. (2014) The Endangered Andean cat and fracking in Patagonia. Oryx. Vol. 48, pp. 14-15.