- Unterhändler aus fast 200 Ländern kommen diese Woche in Bonn zusammen um Klimaverhandlungen zu führen, die auf die Erfüllung des Pariser Abkommens abzielen. Trotz Präsident Trumps Klimawandelskeptizismus und seiner signalisierten Allianz zur Ölindustrie werden auch amerikanische Vermittler daran teilnehmen.
- Unter Präsident Obama spielten die USA eine Schlüsselrolle als Wortführer in den Verhandlungen. Sie holten China mit ins Boot und halfen 2015 das bahnbrechende Pariser Abkommen auszuhandeln. Präsident Trump mit einem Vertragsausstieg gedroht und will diesen Monat eine endgültige Entscheidung treffen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit würde China die von den USA hinterlassene Führungslücke füllen.
- Verhandlungsführer in Bonn bleiben aber unbeeindruckt von Trumps Klimawandelverleugnung und seiner Drohung aus dem Pariser Abkommen auszusteigen. Alle Vertragsstaaten sind dabei, die freiwilligen Ziele zur Senkung des Kohlendioxid-Ausstoßes zu erfüllen. Einige Politiker machen sich jedoch Sorgen über den Verlust von mehreren Milliarden Dollar US-Beihilfe zum Klimaschutz und wie die Beteiligten des Pariser Abkommens diesen kompensieren könnten.
Kaisa Kosonen, Politikberaterin für Klimaschutzmaßnahmen von Greenpeace in Deutschland, bereitet sich gerade auf den UN-Klimagipfel vor, der vom 8. bis 18. Mai in Bonn stattfindet. Doch sie hält inne um meine Frage zu beantworten. Es sieht folgendermaßen aus, sage ich:
Unter Präsident Obama spielten die USA seit 2014 eine Führungsrolle in den weltweiten Klimaverhandlungen. Sie brachten die Chinesen mit an den Tisch und drängten 2015 auf das historische Pariser Abkommen, in dessen Rahmen sich 196 Nationen dazu verpflichteten ihre CO2-Bilanz zu verbessern. Unter Präsident Trump schwindet die Führung der USA oder könnte sich sogar in Gegenwind verwandeln, da sich der Präsident mit der Ölindustrie verbündet und den Ausstieg aus dem Pariser Abkommen androht. Währenddessen scheint China sich auf die Übernahme der hinterlassenen Führungslücke vorzubereiten. — Wie sehr beunruhigt Sie das?
Kosonens Antwort: „Natürlich müssen sich die USA aktiv an der Lösung dieses Problems [der Erderwärmung] beteiligen. Die deutliche Mehrheit der Amerikaner möchte das auch, und zwar parteiübergreifend. Allem Anschein nach wird Trump aber nicht auf sein Volk, seine führenden Wissenschaftler oder gar die amerikanischen Unternehmen hören.“ Diese haben sich lautstark für den Verbleib der USA im Pariser Vertrag eingesetzt, ebenso wie einige republikanische Abgeordnete.
Dann, als würde sie aus einer dunklen Wolke hervorkommen, fasst Kosonen die allgemeine Stimmung der fast dutzend von mir befragten Bonner Teilnehmer zusammen:
„Falls die USA austreten, werden immer noch 200 Länder und 87 Prozent der globalen Emissionen [unter diesem Abkommen reglementiert]. Und bis jetzt habe ich von keinem Land Andeutungen gehört, das sie im Falle des Austritts der USA ebenfalls austreten wollen. Oder dass sie ihre Klimaschutzmaßnahmen zurückdrehen würden. Ganz im Gegenteil: der weltweite Übergang zu grüner Energie wird vorangehen – mit oder ohne die USA. Denn er ist in wirtschaftlichen, sozialen und technischen Entwicklungen verwurzelt, die schwerer wiegen als ein einzelnes Land.“
Sara Shaw ist der selben Meinung. Die internationale Programmkoordinatorin der Friends of the Earth International in London sagt: „Der Rest der Welt darf sich von den USA nicht entmutigen lassen. Er muss auch ohne die USA unverzüglich Klimamaßnahmen einleiten. Weltweit sollten Regierungen mit allen Mitteln wirtschaftlichen und politischen Druck ausüben um Trump dazu zu zwingen, den gerechten Anteil der USA an Klimaschutzmaßnahmen zu tragen.“
Echos aus Marrakesch
Die Nachricht über Trumps Wahlsieg brach wie eine dunkle Schockwelle über die COP 22 (die jährliche UN-Klimakonferenz in Marrakesch) im letzten November herein und machte die internationalen Politiker fassungslos. Doch anstatt der düsteren Stimmung zu verfallen und ihre Versprechen zur Senkung des CO2-Ausstoßes zu brechen, verabschiedeten alle Länder die Proklamation von Marrakesch und bekräftigten damit ihr Engagement des Pariser Klimavertrages.
Tatsächlich schienen Trumps Wahlsieg und seine Tweets, in denen er den Klimawandel als Schwindel darstellte, die Regierungen und Klimaschützer eher wachzurütteln als sie zu zerütten, wie es im Jahr 2000 nach der Wahl von George W. Bush und seiner Ablehnung des Kyoto-Protokolls geschehen war.
„Die Frage ob [Trumps Haltung zum Klimaschutz] einen schwierigen Kontext für die Verhandlungen liefert ist eindeutig mit Ja zu beantworten“, sagt Paula Caballero, Gobal Director des Klimaschutzprogramms beim World Resources Institute (WRI). „Als ehemalige Verhandlungsführerin weiß ich, dass dies nicht das erste Mal ist, dass die Klimaverhandlungen vor Schwierigkeiten stehen. Und doch haben die Länder sich auch immer durch die schweren Zeiten geackert.“
Diese Woche in Bonn werden die Vermittler wenig Zeit für Trumps Tweets haben während sie versuchen sich auf die genauen Richtliniendetails zu einigen um bis Ende 2018 ein Regelwerk für die Implementierung des Pariser Klimaabkommens zu schaffen. Weltweit sind die Temperaturen bereits um 1 Grad Celsius seit 1880 gestiegen. Ziel des Vertrages ist es, den weiteren Temperaturanstieg bis 2100 auf unter 1 zusätzliches Grad Celsius zu beschränken. Doch das ist, wie Wissenschaftler und andere Experten immer wieder gewarnt haben, eine große Aufgabe.
Dieses Ziel zu erreichen und somit die schlimmsten Folgen der Erderwärmung noch zu verhindern, erfordert weitaus ehrgeizigere Ziele der Emissionsverringerung als die freiwilligen Zusicherungen von Paris. Außerdem ist mehr Transparenz bei den Messungen des CO2-Ausstoßes notwendig, ebenso wie Milliarden von Dollar um Wälder als Kohlenstoffsenken zu bewahren und um gefährdeten Staaten bei der Anpassung an längere Trockenzeiten, den Anstieg des Meeresspiegels und Extremwetter zu helfen.
Nach Trumps Aussagen beabsichtigt er bis Ende des Monats zu entscheiden ob er den vierjährigen Prozess des Austritts aus dem Pariser Abkommen einleiten wird. Seine Berater werden diesen Dienstag zu einem hochrangigen Treffen zusammenkommen um das Schicksal der amerikanischen Beteiligung am Vertrag zu besprechen.
Trotzdem wird die amerikanische Delegation des Außenministeriums in Bonn erwartet, und das obwohl die Position des Sonderbeauftragten (dem leitenden Vermittler der USA) von Trump unbesetzt blieb. Stattdessen wird die Delegation von dem US-Außenministerium angehörigen Trigg Talley angeführt, der zumindest vorläufig der stellvertretende Chefunterhändler für Klimafragen bleibt. Diese Position hatte er auch schon unter Obama und Bush inne.
Nach Aussage eines von der Chicago Tribune zitierten unbekannten Angestellten des US-Außenministeriums werden die USA im Vergleich zu vergangenen Jahren eine weitaus kleinere Delegation entsenden. Diese wird sich darauf konzentrieren in Bonn keine Entscheidungen zuzulassen, „die unsere politische Linie in Zukunft gefährden, die Wettbewerbsfähigkeit amerikanischer Unternehmen untergraben oder das wirtschaftliche Wachstum der USA bremsen könnten.“ Diese Ziele könnten unseren Quellen zufolge sehr schwierig zu erreichen sein.
Doch noch während die Trump-Regierung in Bezug auf das Paris-Abkommen gespalten bleibt, verflüchtigt sich das finanzielle Engagement der USA bereits. Dem Green Climate Fund (GCF) der UN hatte Obama 3 Milliarden Dollar zugesprochen, vor seinem Amtsabtritt aber erst 1 Milliarde ausgehändigt. Der Rest ist wohl vorerst verloren. Zahlungen an den forschungsbasierten Weltklimarat IPCC wurden um ca 2 Milliarden Dollar gekürzt. Und die an das Bonner Klimasekretatriat der Vereinten Nationen gezahlten Millionen werden wahrscheinlich auch noch gestrichen.
„Keiner ist bereit vorzutreten und die Lücke zu füllen“, sagt die Argentinerin Mariana Pauncio-Feldman, Senior Director of International Climate Cooperation des WWF. „Das ist ein Problem. Und es wird ein heiß diskutiertes Thema sein. Viele Länder brauchen die internationale Unterstützung um ihre Ziele für die [Reduzierung des Kohlendioxidausstoßes] zu erreichen. Es kann sein, dass wir uns da für ernsthafte [wirtschaftliche] Herausforderungen wappnen müssen.“
China betritt das Spielfeld
Als ich Diplomaten und Aktivisten fragte, wer die Führungslücke in der Klimapolitik wohl füllen würde, gab es weder Zweifel noch Zögern: China.
„Bis 2020 wird China 360 Milliarden US-Dollar für erneuerbare Energien ausgeben – vor allem für Solarenergie, aber auch Wind- und Hydroenergie“ meint Brandon Wu, amerikanischer Leiter der Klimapolitik und -kampagnen der Londoner ActionAid. „Sie bewegen sich schon seit einiger Zeit in diese Richtung und zeigen keinerlei Anzeichen einer Verlangsamung.“
Der chinesische Präsident Xi Jinping hat erneut seine Zusicherung zum Pariser Abkommen und zum langsamen Wechsel weg von den Kohlekraftwerken bestätigt, die Chinas Städte in Smog versinken lassen. Unsere Quellen betonen, dass Chinas Führung und die US-Etatkürzungen für fossile Brennstoffe dazu führen könnten, dass die USA aus den Innovationsvorhaben und dem internationalen Markt für erneuerbare Energien ausgeschlossen werden. Mit hoher Wahrscheinlichkeit würde das amerikanische Arbeitsplätze bedrohen und einen globalen Glaubwürdigkeitsverlust bedeuten.
Auch Indien, das Land mit den weltweit dritthöchsten Kohlendioxid-Emissionen, hat ein enormes Investment in erneuerbare Energien zugesichert, während die Kohlenutzung zurückgeschraubt werden soll. Die EU steht weiterhin uneingeschränkt hinter dem Pariser Abkommen, wobei sich Deutschland einen 50-prozentigen Anteil an Windenergie zum Ziel gesetzt hat. Uruguay und Costa Rica sind schon fast komplett unabhängig von fossilen Energieträgern. Unterdes haben Norwegen und Schweden versprochen bis jeweils 2030 und 2045 Klimaneutralität zu erreichen. Länderübergreifende Unternehmen haben ähnliche Zusagen gemacht, darunter die Bank of America, Facebook, General Motors, Microsoft, VF Corporation, Starbucks, Walmart, Ikea und dutzende andere.
„Die internationale Wortführung ist zerstreuter als je zuvor und andere Länder, große und kleine, treten vor um inner- und außerhalb der Verhandlungen die Führung zu übernehmen“, erklärt Caballero vom WRI.
Eine Vielzahl von Quellen in Bonn merkt an, dass ein Großteil der USA unabhängig von Trumps Regierungsmaßnahmen seinen eigenen Weg geht. Amerikanische Städte und Bundesstaaten investieren in hohem Maße in Sonnen und Windenergie, Elektrofahrzeuge für den öffentlichen Verker und LED-Straßenbeleuchtung. Kohleverbrennung zur Stromgewinnung nimmt rapide ab, ebenso wie die niedergehende Kohleindustrie. Während Trump noch die Wiedergeburt der Kohle verkündet, fragen sich die Fachleute an wen die Industrie ihre Produkte denn verkaufen soll. Zur selben Zeit schraubt die Ölindustrie ihre langfristigen Bedarfs- und Gewinnprognosen zurück, da die Entwicklung der Elektroautos so rasch voranschreitet..
„Dreißig Staaten konnten wirtschaftliches Wachstum verzeichnen und die CO2-Emissionen gleichzeitig reduzieren“, sagt Pauncio-Feldman des WWF. „Den Nutzen des Pariser Abkommens für die US-amerikanische Wirtschaft müssen wir immer wieder unmissverständlich klarmachen. Die Zielvorgaben [von Paris] einzuhalten bedeutet mehr Arbeitsplätze. Das sehen wir anhand anderer Länder. Wir können zeigen, dass amerikanische Führung nicht immer nationale Führung ist.“
Alex Hanafi, Klima-Unterhändler des Environmental Defense Fund in Washington DC, meint, vom Pariser Vertrag zurückzutreten würde den USA wahrscheinlich weitaus mehr schaden als die globale Klimaschutzbewegung. Er sieht eine gewisse Ironie in einem bestimmten Aspekt von Trumps Führungsversagen:
„Wie Präsident Reagan zu sagen pflegte: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser (engl.: trust but verify) und die USA haben sich seit Jahren parteiübergreifend für das Konzept der Transparenz in Klimaverhandlungen eingesetzt“, so Hanafi. „Vertrauen und Kontrolle sind das Herzstück des Pariser Vertrages. Sollten die USA austreten, werden die Transparenzregelungen, die dabei helfen zu bestimmen ob die Länder ihre Versprechen auch einhalten, wohl nicht so streng ausfallen. Wenn wir nicht mit am Tisch sitzen, können wir auch nicht beeinflussen was auf den Tisch kommt. Das wäre ein riesiger Verlust für die USA.“
Justin Catanoso schreibt regelmäßig für Mongabay und ist Professor für Journalismus an der Wake Forest University in North Carolina. Sie finden ihn auch auf Twitter, @jcatanoso..