- Die Population der Königstiger im Chitwan-Nationalpark steigt an - vor allem aufgrund der positiven Umweltschutzmaßnahmen, die in den dortigen Gemeinschaften praktiziert werden. Diese schützen aktiv die Wälder, die eine Pufferzone um die Naturschutzgebiete bilden, in denen die Raubkatzen leben.
- Forscher_innen haben jedoch herausgefunden, dass Frauen in diesen nepalesischen Gemeinschaften den Schutz vom aussterben bedrohter Tiere weniger wichtig finden als Männer. Teri Allendorf und ihre Kolleg_innen haben Interviews ausgearbeitet und herausgefunden, dass diese Gender-Gap in unterschiedlichen Überzeugungen und Erfahrungen begründet ist.
- Die nepalesischen Frauen werden oft nicht in die Bemühungen zum Umweltschutz einbezogen, weshalb es ihnen an Wissen bezüglich der Bedeutung von Ökosystemen fehlt. Ähnliche Erkenntnisse gibt es bezüglich anderer Länder: Menschen, die die wechselseitigen Beziehungen zwischen Natur und Mensch verstehen, schätzen Naturschutzgebiete mehr.
- Überraschenderweise gibt es dieses Problem auch in entwickelten Ländern: Wenn Frauen nicht in Maßnahmen zum Umweltschutz einbezogen werden, können die Erfolgsaussichten geringer sein. Eine Möglichkeit, diese Gender-Gap zu schließen, ist laut Allendorf, die Bedeutung des Zugangs zu Informationen für Frauen zu thematisieren.
Die Zahl der Königstiger im Chitwan-Nationalpark in Nepal – Welterbe der Vereinten Nationen – wächst. Die vom aussterben bedrohten Katzen sind gesünder geworden und ihre Population gedeiht zusammen mit den Wäldern, die von Gemeinschaften vor Ort aktiv geschützt werden. Diese Wälder stellen wichtige Pufferzonen dar, die die Naturschutzgebiete des Terai umgeben – eine Tiefebene mit Feuchtgebieten, Buschsavannen und Salbaumwäldern, in der die Raubkatzen leben.
Leider hat diese Erfolgsgeschichte des Umweltschutzes vermehrt zu Konflikten zwischen Mensch und Tier geführt. Der Anstieg der Tigerpopulation wurde von einer wachsenden Zahl von Menschen begleitet, die von den Tieren verletzt oder getötet wurden. Zwischen 1998 und 2006 wurden 65 Menschen getötet, in den vorangegangenen neun Jahren waren es nur sechs.
Um den Konflikt zu verringern, entschlossen sich Forscher_innen, die Einstellung der Menschen gegenüber Tigern und deren Schutz abzubilden. Sie fanden heraus, dass Menschen, die in wohlhabenderen Gegenden leben – wo die Wahrscheinlichkeit für Tigerangriffe geringer ist – mehr Mitgefühl für die Raubkatzen empfinden. Das Geschlecht hat ebenfalls Einfluss auf die Einstellung zum Umweltschutz, wobei Frauen laut einer neuen Studie eine weniger positive Haltung gegenüber den vom aussterben bedrohten Tieren haben.
Aber warum? Der Fokus der Forschung der Naturschutzbiologin Teri Allendorf, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der University of Wisconsin in Madison, USA, ist es, die Einstellung der Menschen gegenüber dem Umweltschutz – und die unterschiedlichen Gründe hierfür – herauszufinden.
Allendorf hat die verschiedenen Perspektiven von einzelnen Menschen innerhalb von Gemeinschaften gründlich untersucht und herausgefunden, dass Frauen oft vom Umweltschutz ausgeschlossen werden – wodurch ihnen Informationen vorenthalten werden, die eventuell zur Unterstützung dieser Bemühungen führen könnten. Wenn Frauen nicht einbezogen werden, können die Erfolgsaussichten geringer sein. Diese Tendenz in Bezug auf Geschlecht im Zusammenhang mit Umweltschutz existiert auch in entwickelten Ländern.
„Wenn wir die Vielfalt der Perspektiven, die es innerhalb von Gemeinschaften gibt, besser verstehen würden, könnten wir als Naturschutzbiologen vielleicht besser mit den Menschen zusammenarbeiten, um unsere gemeinsamen Ziele zu erreichen,“ sagt Allendorf.
Mongabay: Sie haben einen Doktortitel in Naturschutzbiologie. Wie kam es dazu, dass Sie über die Einstellungen von Menschen forschen, statt über Tiere?
Allendorf: So überraschend ist es ist vielleicht gar nicht. Ich habe meinen Bachelorabschluss [an der Northwestern University] in Anthropologie gemacht und war als Freiwillige des Friedenskorps im Bereich Fischerei in Nepal, bevor ich weiter studiert habe. Ich wollte etwas mit Ökologie machen, weil ich einen eher naturwissenschaftlichen Hintergrund habe, bis ich bemerkt habe, dass das, was mich wirklich interessiert, ist, zu verstehen, was Menschen denken.
Ich habe in Myanmar, China, Indien und Nepal geforscht, um zu verstehen, was die Menschen über Naturschutzgebiete und über heilige und Gemeinschaftswälder denken. Oft gehe ich einfach von Tür zu Tür und frage die Leute, was ihrer Meinung nach die Vorteile und Probleme der Naturschutzgebiete sind.
Es hat sich herausgestellt, dass die Einstellungen [der Menschen] gegenüber Ökosystemdienstleistungen gute Hinweise darauf sind, ob jemand ein Naturschutzgebiete befürwortet [oder nicht]. Wenn Gemeinschaften Naturschutzgebieten gegenüber positiv eingestellt sind, erzielen Umweltschutzprojekte bessere Ergebnisse.
Eine Ursache für Probleme: Oft wissen die Mitarbeiter_innen der Naturschutzgebiete [nicht], wie sie mit deren Bewohner_innen zusammenarbeiten sollen. Sie denken, dass es eine antagonistische Beziehung [sein muss]. Durch [den Einsatz] einfacher Werkzeuge – wie zum Beispiel unserer Befragungen – kann aber herausgefunden werden, was die Menschen [vor Ort] wirklich denken und plötzlich sehen [die Mitarbeiter_innen] eine Basis, um mit ihnen zusammenzuarbeiten.
In Myanmar zum Beispiel hatte ein Mitarbeiter die Idee, mit einem örtlichen Hotelbesitzer zusammenzuarbeiten, um Müllbehälter an der belebten Straße nach Kyaiktiyo Pagoda, eine buddhistische Pilgerstätte, aufzustellen. Das Projekt gab dem Mitarbeiter einen Grund, mit den Geschäftsleuten zu reden und Beziehungen aufzubauen – etwas, das er vorher nicht getan hatte. Das ist der Schlüssel für viele Umweltschutzprojekte. Diese ersten Kontakte und die Zusammenarbeit sind die Basis für positive Beziehungen.
Das ist also das, was ich im Wesentlichen gemacht habe: die Wertvorstellungen der Menschen zu formulieren und zu erklären, und zu versuchen – hoffentlich mit Erfolg – dem reinen Profitdenken in Bezug auf den Umweltschutz entgegenzuwirken.
Mongabay: Was haben Sie herausgefunden, als Sie mit nepalesischen Gemeinschaften über Tiger gesprochen haben?
Allendorf: Ich habe mit Neil Carter zusammengearbeitet, einem Tierschützer, der jetzt an der Boise State University in Idaho beschäftigt ist und [damals] ein Gebiet von Chitwan erforscht hat. Dabei hatte er bereits herausgefunden, inwiefern die größere Wahrscheinlichkeit eines Tigerangriffs in der Nähe ihres Hauses die Menschen weniger mitfühlend gegenüber diesen Tieren macht.
Wir wollten herausfinden, ob Geschlecht dabei auch eine Rolle spielt. Dazu haben wir die Befragungen benutzt, die er mit 499 Menschen durchgeführt hatte. Dabei wurden den Menschen eine Reihe von Fragen über ihren sozioökonomischen Status, ihre Bildung, ihre Erfahrungen mit Tigern, ihre Einschätzung der Gefahr, die von Tigern ausgeht, und ihre Überzeugungen gestellt.
Insgesamt waren die Frauen Tigern gegenüber weniger positiv eingestellt als die Männer. Für ungefähr zwei Drittel dieser Gender-Gap waren unterschiedliche Überzeugungen verantwortlich. Insbesondere glaubten Frauen weniger, dass Tiger zum Erhalt eines gesunden Waldes beitragen.
Die Erkenntnisse, die wir aus den Studien zu Tigern gewonnen haben, sind denen [meiner vorherigen Arbeit] über die Einstellungen gegenüber Naturschutzgebieten in Myanmar und China sehr ähnlich. Menschen, die Ökosysteme und das Zusammenwirken der Dinge verstehen, schätzen Naturschutzgebiete mehr. Das ist auch ein zentraler Aspekt bezüglich der Einstellung gegenüber Tigern.
In diesen früheren Studien hatten Frauen weniger positive Einstellungen gegenüber Naturschutzgebieten, weil sie diese seltener als vorteilhaft für das Ökosystem ansahen, zum Beispiel in Bezug auf die Wasser- und Bodenqualität. Diese Einstellungen sind das Resultat fehlenden Wissens über diese Naturschutzgebiete. Die Frauen haben tendenziell weniger formale Bildung. Sie haben auch weniger Zugang zu öffentlichen Treffen und Gruppen [die an Umweltthemen arbeiten].
Hinsichtlich des Geschlechts zeigt die Forschung, dass auch in entwickelten Ländern Frauen tendenziell weniger über die Umwelt wissen und weniger an Umweltaktivitäten außerhalb des Hauses teilnehmen (obwohl sie sehr engagiert sind, was Aktivitäten betrifft, die im Haus praktiziert werden, wie zum Beispiel Recycling). Auch gibt es weniger Frauen in Regierungsämtern und in der Forschung, die sich für den Naturschutz engagieren.
Mongabay: Wie können sich Erkenntnisse über Geschlecht auf den Umweltschutz auswirken?
Allendorf: Sie haben große Konsequenzen für das Management und für die Herangehensweise an Projekt.
Zum Beispiel zeigen Studien über Forstgruppen in Nepal und Indien, dass es mehr Überwachung und eine bessere Durchsetzung der Regeln gibt, wenn Frauen beteiligt sind, wodurch sich die Waldgebiete schneller erholen.
Trotz landesweiter Armut und geringer Bildung ist Nepal sehr fortschrittlich in Bezug auf Umweltschutz und die Einbeziehung von Gemeinschaften. Aber alle kämpfen mit der Frage, wie die Frauen einbezogen werden können. Frauen sind zeitlich eingeschränkt. Je mehr Treffen stattfinden sollen, desto schwerer ist es, die Frauen dazu zu bringen, daran teilzunehmen, weil sie nicht die Zeit haben.
Die Auswirkungen des Zugangs zu Informationen sind deshalb interessant, weil diese von Umweltschützer_innen eventuell zu wenig berücksichtigt werden. Vielleicht ist es besser, andere Wege zu finden, Frauen Zugang zu Informationen zu geben, damit sie ihren eigenen Weg finden können, diese in ihr Leben zu integrieren, anstatt sie als Akteurinnen zu sehen, von denen wir ein bestimmtes Verhalten erwarten.
Beispielsweise könnten mehr Informationen über Naturschutzgebiete Einfluss auf haushaltsinterne Verhandlungen haben, also auf die Art, wie die Menschen innerhalb des Haushalts Entscheidungen treffen, zum Beispiel darüber, wie das Geld verdient und ausgegeben wird. Die meisten von Gemeinschaften gebildeten Forstgruppen in Nepal werden von älteren Männern geleitet, weil die jüngeren Männer in den Nahen Osten gehen, um besser bezahlte Arbeit zu finden. In einer Gruppe erzählten mir die jungen Männer, dass ihre Frauen nicht wollen, dass sie zu Hause blieben, um den Wald zu schützen, weil sie dann weniger Geld verdienen würden. Wenn ihre Frauen den Erhalt der Umwelt mehr unterstützen würden, würden Haushalte vielleicht andere Entscheidungen in Bezug darauf treffen, wo sie ihre Zeit investieren.
Ich versuche bei jeder Gelegenheit, herauszufinden, welche menschlichen Aspekte Auswirkungen auf den Umweltschutz haben, damit wir die biologische Vielfalt besser bewahren können.
Weitere Informationen zum Thema:
Allendorf TD, Allendorf K. (2013) Gender and attitudes toward protected areas in Myanmar. Soc. Nat. Resour. Vol. 26, pp. 962–976.
Allendorf TD. (2007) Residents’ attitudes toward three protected areas in southwestern Nepal. Biodivers. Conserv. Vol. 16, pp. 2087–2102.
Allendorf TD, Yang J. (2013) The role of ecosystem services in park–people relationships: the case of Gaoligongshan nature reserve in Southwest China. Biol. Conserv. Vol. 167, pp. 187–193.
Agarwal B. (2009) Gender and forest conservation: the impact of women’s participation in community forest governance. Ecol. Econ. Vol. 68, pp. 2785–2799.
Carter NH, Riley SJ, Shortridge A, Shrestha BK, Liu J. Spatial assessment of attitudes toward tigers in Nepal. Ambio (2014a) Vol. 43, pp. 125–137.
Carter NH, Viña A, Hull V, McConnell WJ, Axinn W, Ghimire D, Liu J. Coupled human and natural systems approach to wildlife research and conservation. Ecol. Soc. (2014b) Vol. 19, pp. 43.