- Die Ölpalmenproduktion in Borneo boomt und führt zu weitreichender Entwaldung, welche die stark vom Aussterben bedrohten Orang-Utans gefährdet. In der Vergangenheit gab es keine gute Zusammenarbeit zwischen Industrie und Umweltschützern, um das Problem zu lösen.
- Orangutan Foundation International und PT SMART, die größte Palmölgruppe in Indonesien, wollen nun mit vereinten Kräften daran arbeiten, der Verwaltung, dem Management und den Mitarbeitern den Schutz und die Wertschätzung der Orang-Utans näherzubringen.
- PT SMART und PT Lontar Papyrus, ein Großlieferant von Zellstoff, haben einer Nulltoleranz/Nichttötungsstrategie für Orang-Utans und andere bedrohte Tierarten zugestimmt. OFI organisiert außerdem ein laufendes Trainingsprogramm um Mitarbeiter in die Initiative zu integrieren.
Die Ölpalme (Elaeis guineensis) ist eine attraktive Nutzpflanze für Erzeuger, Investoren und Konsumenten. Sie produziert nicht nur ein, sondern sogar zwei Arten von Öl, die für eine Vielzahl von Verwendung nützlich sind, vom Kochen bis zu hin zum Biotreibstoff. In der richtigen Umgebung ist sie bei weitem die effektivste Öl-Nutzpflanze im Bezug auf Ertrag und Produktionskosten. Sie übertrifft Rapps, Sonnenblumen und andere beliebte Öle in einem Verhältnis von drei zu fünf pro Hektar. Palmöl ist zudem das billigste Öl auf dem Markt, was die unstillbare weltweite Nachfrage antreibt.
Die globale Palmölproduktion wächst deswegen weiter sprunghaft an. Besonders in Indonesien, welches einen Großteil des Weltbedarfs herstellt und wo es sich um eine 20 Milliarden-Dollar-Industrie handelt. Das Land exportierte im Jahr 2015 30,9 Millionen Tonnen Palmöl wovon allein 3,5 Millionen Tonnen aus Borneo stammten.
Dieser wirtschaftliche Boom hat sich als Fluch für den tropischen Wald und die Tierwelt herausgestellt. Der Drang nach industriellem Anbau hat zu massenhafter Abholzung geführt, meistens durch Brandrodung. Diese Vorgehensweise steht in enger Verbindung mit den unkontrollierbaren Waldbränden, die letztes Jahr in Indonesien gewütet und alle Rekorde gebrochen haben.
Wenn man dann noch das Problem der unweltschädigenden Managementpraktiken und den Mangel an Transparenz hinzufügt, zeichnet sich das Bild einer Industrie, die von Kritikern oft als Superschurke der Umweltzerstörer dargestellt wird.
Der Kern dieser Anschuldigungen gegen Palmölproduzenten sind die verheerenden Konsequenzen, die der Handel auf eine der beliebtesten Tierarten der Welt hat: den Orang-Utan.
Palmöl und Orang-Utans passen nicht zusammen… oder vielleicht doch?
Der Orang-Utan ist weltweit nur auf zwei Inseln heimisch: Sumatra und Borneo. Unglücklicherweise für die Orang-Utans sind diese Inseln auch das Zentrum des indonesischen Palmölanbaus.
Heute stehen beide Spezies auf Sumatra (Pongo abelii) und die Bornespezies (Pongo pygmaeus) auf der Liste der stark gefährdeten Arten der International Union for the Conservation of Nature (IUCN).
Der erste Palmöl Boom begann auf Sumatra, aber als das dort zur Verfügung stehen Land weniger wurde, expandierten die Plantagen nach Borne, wo schnell viel Wald verloren ging. Mehr als 50 Prozent der Palmölexpansion zwischen 1990 und 2006 wurde durch Zerstörung von Naturwald ermöglicht, was jährlich zu einem Verlust von 3112 Quadratkilometern Lebensraum für die einheimischen Borneo Orang-Utans führte.
Umweltschützer kämpfen darum, trotz der immer weiter wachsenden Palmölproduktion durchführbare Lösungen zur Rettung der Orang-Utans und ihres Lebensraums zu finden. Ihre Methoden reichen von Rechtsmitteln zu Gesetzgebung, Tierrettung, Wiedersuswilderung und dringlichen Aufrufen an die globalen Medien sowie Appellen an die öffentliche Meinung.
In den letzten Jahren wurde auch öfter darauf gesetzt, die Feindschaft zurückzustellen und Wege für die Zusammenarbeit von Umweltschützern und Industrie zu finden, um den wichtigen Lebensraum und die Orang-Utans zu schützen, ohne die Agrarindustrieproduktion und den wirtschaftlichen Gewinn zu beschränken.
Interesse wecken bei Menschen und Industrie
Dr. Biruté Mary Galdikas kam 1971 zum ersten Mal nach Borneo bevor die Palmölindustrie begonnen hatte, die Torfböden an sich zu reißen. 1986 gründete sie die Orangutan Foundation International (OFI), eine gemeinnützige Organisation, die sich um den Erhalt der Orang-Utans in Kalimantan, Indonesiens Anteil von Borneo, bemüht.
Seitdem hat sie die schnelle Entwicklung der Agrarindustrie selbst erlebt und oft mit allen Mitteln gegen diese gekämpft. Galdikas hat eine klare Ansicht im Bezug auf Nachhaltigkeit: wenn etwas zu mehr Entwaldung führt, kann es nicht nachhaltig sein. Deswegen hält sie die viel gelobte Umweltschutzlösung, die vom Roundtable on Sustainable Palm Oil (RSPO) geliefert wurde für Greenwashing.
Ihre Einstellung hat sie allerdings nicht davon abgehalten, einen Schritt zu tun, gegen den sich manche anderen Umweltschützer gesträubt haben. Zusammen mit ihrem OFI Team hat sie sich mit dem größten Palölproduzenten des Landes zusammengetan um zu versuchen, die negative Folgen welche die Industrie auf die Orang-Utans hat, abzumildern.
Im Jahr 2011 hat die indonesische Regierung eine Vereinbarung zwischen der OFI und Palölproduzent PT SMART (Sinar Mas Agri-Resources and Technology) und PT Lontar Papyrus (Großlieferant für Zellstoff) ausgehandelt.
Beide Unternehmen stimmten einer Nulltoleranz/Nichttötungsstrategie für Orang-Utans und andere geschützte Arten zu sowie einem von OFI organisierten Trainingsprogramm, um Mitarbeitern den neuen Plan vorzustellen. PT SMART ist ein Tochterunternehmen der in Singapur ansässigen Golden Agri-Resources Ltd. (GAR), die größte Palmölgruppe in Indonesien mit über 460 000 Morgen Plantagen im Land und der zweitgrößte Produzent der Welt von Palmöl.
Das Trainingsprogramm in Indonesien lief im Jahr 2012 an, als OFI eine Reihe von speziell für PT SMART Palmöl-Mitarbeiter sowie für Zellstoff- und Papier-Arbeiter konzipierte Workshops begann. Galdikas und ihr OFI Team brachten den PT SMART Managern und der Leitung bei, Orang-Utans wertzuschätzen und boten ökologisch durchdachte Reaktionen an, wenn den Arbeitern Tiere in der Wildnis begegnen. Diese Lösungen wurden dann durch das Managementteam an die einfachen Arbeiter weitergegeben.
Galdikas ist der Meinung, dass die Nulltoleranz/Nichttötungsstrategie ein wichtiger Schritt ist, um Konflikte zwischen Mensch und Tier auf den Plantagen zu verringern. Dies ist ein unumgänglicher Schritt, wenn Agrikultur und Umweltschutz erfolgreich Seite an Seite existieren sollen.
Renie Djojoasmaro leitet das OFI Büro in Jakarta und ist eine der Artenvielfalt-Trainerinnen für das laufenden viertägige Programm. Sie sagt die Zusammenarbeit mit den Leitern und Managern von PT SMART, die keine Erfahrung mit Umweltschutz hatten, hat ihre Sichtweise auf die Palmölindustrie positive beeinflusst.
„Wir sollten diese Angestellten und die Firma für die sie arbeiten nicht als Feind betrachten,” sagt Djojoasmaro. „Wir müssen auf sie zugehen und sie aufklären, damit sie uns helfen, Orang-Utans und andere Wildtiere zu schützen.”
Sie merkt an, dass diese Programme ohne die Kooperation der Agrarindustrie unmöglich sind und gibt zu, dass einige Firmen immer noch nicht zu einer Zusammenarbeit bereit sind.
Golden Agri-Resources Ltd. (GAR) will ein fortschrittliches Unternehmen sein und hilft mit dem Umweltschutz. Sie behaupten seit 1997 komplett auf Brandrodung aller ihrer Anbaugebiete zu verzichten und seit 2010 keine Torflandschaft mehr zu erschließen. Die Firma unterstützt außerdem den indonesischen Präsidenten Joko Wiodo und sein Dekret vom 14. April 2016, welches ein befristetes Verbot für neue Ölpalmen und Bergbaukonzessionen ausspricht.
Einige Umweltorganisationen sind skeptisch im Bezug auf GARs Behauptungen bezüglich ihres Verzichtes auf Brandrodung sowie gegenüber dem Dekret, da sie anmerken, dass die Regierung diese Vorgaben kaum überwacht oder durchsetzt. Ein Problem, das die Palmölindustrie seit ihren Anfängen plagt.
Trotz der fortwährenden Probleme hat Dr. Galdikas vor kurzem getweetet, dass sie: „stolz auf den Fortschritt von PT SMART im Bezug auf den Schutz von Orang-Utans auf ihren Plantagen ist. OFI hat hunderte von Managern trainiert, diesen einzuführen.”
Mitarbeiter reagieren mit Enthusiasmus
Mongabay hat per Email Interviews mit einigen Mitarbeitern von PT SMART geführt, die das Training für die OFI Null Toleranz/Nichttötungsstrategie absolviert haben. Es ist wesentlich, dass für viele der Angesprochenen der Arbeitsplatz bei PT SMART ihr erster war. Die meisten waren außerdem Langzeitangestellte, die seit mehr als zehn Jahren bei der Firma arbeiten.
Zusammen zeigen diese zwei Fakten eine einfache Tatsache auf, die viele Umweltschützer, die einzig auf den Schutz von Orang-Utans fixiert sind, übersehen: trotz der offensichtlichen Zerstörung von weitreichenden Waldgebieten, der Gefährdung von Wildtieren und der Verursachung von verheerenden Waldbränden hat die Palmölindustrie Arbeitsplätze für Millionen von Menschen geschaffen, die vorher in Armut in einem verarmten Land lebten.
Bis zum Jahr 2011 lebten alleine in Indonesien geschätzte 25 Millionen Menschen vom Palmölanbau und die Industrie trägt weiter dazu bei, den Lebensstandard des Landes zu verbessern. Beutet dies, dass der Kampf um die Rettung der Orang-Utans für immer auf verlorenem Posten steht zwischen Lebensraumerhaltung und Lebensgrundlage der Menschen? Nicht unbedingt.
Für Farry Surya, dem regionalen Koordinator von PT SMART in Zentralkalimantan 2 hat das OFI Trainingsprogramm die Dinge verändert. Er stammt aus der Küstenhauptstadt Manado in Nordsulawesi und arbeitet seit 22 Jahren für die Firma ohne vorher eine andere Stelle gehabt zu haben. Er sagt vor dem Training erschienen ihm die “Orang-Utans wie andere Tiere auch als nicht besonders wichtig. Sie müssen kontrolliert werden, wenn sie Unruhe stiften.“ Seit dem Training versteht er nun, dass die Orang-Utans geschützt werden müssen. Er glaubt, das Training hat ihm und anderen Teilnehmern geholfen, die Tiere wertzuschätzen.
Herr Heriyanto, der Gutsverwalter eines Palmölanbaugebietes in Tengkawang und vorher Dozent an der Jember Universität in Ostjava, arbeitet seit 18 Jahren für PT SMART. Genau wie Surya und andere Indonesier waren für ihn Orang-Utans Tiere, die in Konflikt mit Menschen kommen und Probleme für Bauern verursachen. Das Training hat ihm vor Augen geführt, wie wichtig Orang-Utans für das Ökosystem sind.
Als Teil einiger Trainingseinheiten konnten die Mitarbeiter von PT SMART OFIs Camp Leaky im Tanjung Puting Nationalpark besuchen und Orang-Utans in freier Wildbahn erleben. Galdikas sagt, dass dies oft ein sehr bewegendes Erlebnis für die Palmölmitarbeiter ist und ihnen helfen kann, die Tiere in einem positiveren Licht zu sehen.
Trotzdem sind die Plantagenarbeiter genau wie wir. Auch wenn sie wirklich interessiert sind an Orang-Utans, der Umwelt und dem Wald ihres Landes, haben sie trotzdem auch Familien zu ernähren und diese stehen normalerweise an erster Stelle.
Wenn die Orang-Utans und ein ausreichender Teil ihres Lebensraumes überleben sollen, müssen diese zwei Realitäten irgendwie in Einklang gebracht werden.
Das Gleichgewicht finden
2011 veröffentlichte GAR ein Video welches die Auswilderung zweier Orang-Utans in der Anwesenheit von PT SMART Mitarbeitern sowie dem OFI Team und Dr. Galdikas zeigt. Zwar wurde dieser Moment natürlich für PR und als Fototermin genutzt, trotzdem erzeugte das Ereignis positive Nachrichten für eine vielgescholtene Industrie, die zu dem Zeitpunkt noch nicht dafür bekannt war, mit Umweltschützern zusammenzuarbeiten.
„Umweltschutz ist teuer. Den Wald zu pflegen, die Orang-Utans auszuwildern, sich um sie zu kümmern… all das kostet und die Mittel der Regierung sind begrenzt.” verkündete Zulkifli Hasan, der indonesische Minister für Waldschutz damals. „Deshalb ist die Zusammenarbeit [zwischen Regierungen, Umweltschützern, dem Privatsektor und den Einheimischen] so wichtig.”
Zwar hat OFI seitdem, mit der Unterstützung von PT SMART Geldern, mehr Orang-Utans gerettet und ausgewildert, aber trotz dieser kleinen Erfolge, bleibt die große Frage bestehen. Wie können Menschen die biologische Vielfalt und Lebensraum erhalten, wenn die menschlichen Bevölkerungszahlen sowie ihr Lebensstandard stetig ansteigen und der Konsumdrang unstillbar scheint?
Laut dem Wall Street Journal werden Palölexporte aus Indonesien bis zum Jahr 2020 von 32,5 auf 40 Millionen metrische Tonnen ansteigen. Nichts scheint der Expansion im Wege zu stehen und Umweltschutzorganisationen wie OFI werden viel Arbeit haben.
Die beste Lösung für den tropischen Wald wäre es, wenn Entscheidungsträger einen Weg finden würden, die steigende Produktion von Palmöl zu ermöglichen und die Entwaldung trotzdem zu minimieren, möglicherweise durch die Intensivierung des Ernteertrags der bestehenden Anbaugebiete oder durch die Unterstützung der Umwandlung von bestehendem nicht bewaldetem Land, zum Beispiel altem Farmland oder von invasiven Imperata Grassfeldern. Eine anderer Teil der Lösung ist es, Umweltschutz durch Ökotourismus und mehr Investition der Industrie profitabler zu machen.
Initiativen wie das Trainingsprogramm zu der Nulltoleranz/Nichttötungsstrategie haben trotzdem einen Anfang gemacht und ein sehr wichtiges Forum geschaffen sowie eine neue Einstellung hervorgebracht. Dies kann der indonesischen Bevölkerung helfen, Artenschutz für die Orang-Utans zu unterstützen sowie bessere Lebensbedingungen als Ziel für beide Seiten anzustreben.
Zitate:
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