- Seit 2005 wurden in Afrika südlich der Sahara bis zu 227 000 Quadratkilometer (87 645 Quadratmeilen) im Rahmen großangelegter Landwirtschafts- und Forstkonzessionen aufgekauft, ein Gebiet, das beinahe so groß ist wie Ghana. Weitere Konzessionen sind bereits geplant.
- Da die Palmölindustrie in Afrika kurz vor dem großen Durchbruch steht, kämpfen Umweltschützer dafür, Standards für die Industrie zu schaffen. Diese Bemühungen werden dadurch verkompliziert, dass in vielen Nationen extreme Armut herrscht und die Machtelite korrupt ist.
- Wenn Afrikas unbezahlbares Naturerbe, einschließlich der Großaffen, gerettet werden soll, dann braucht es dringend eine Revolution in der Agrarindustrie, die jedoch nur durch die Zusammenarbeit von Regierungen, der Agrarindustrie und Umweltschützern erfolgen kann.
Afrika ist anderen Entwicklungsländern weltweit dahingehend sehr ähnlich, dass Landwirtschaft in der Wirtschaft des Kontinents eine zentrale Rolle spielt: ein Viertel des BSP (Bruttosozialprodukt) stammen aus der Landwirtschaft und beinahe zwei Drittel der Erwerbsbevölkerung ist dort angestellt.
Historisch ist es so, dass der Lebensraum für Wildtiere hauptsächlich durch Subsistenzlandwirtschaft verloren geht, da die wachsende ländliche Bevölkerung ihre Nahrungsbedürfnisse durch kleine Ländereien erfüllt und die Bauern Bäume fällen, Gebüsch entfernen und Feldfrüchte anpflanzen, um ihre Familien und ihr Vieh zu ernähren.
Vor kurzem hat das zweischneidige Schwert der Globalisierung Afrika jedoch in die unsichere Welt der industrialisierten Landwirtschaft geschleift, in der ausländische Unternehmen riesige Landstücke aufkaufen oder mieten und dort Monokulturen anbauen. Auf diesen Plantagen werden zum Beispiel Sorgumhirse, Maniok, Erdnüsse und Kakao angebaut (manchmal geerntet von versklavten Kindern) und das Hauptaugenmerk liegt auf Ölpflanzen für den Export, insbesondere Palmöl. Die Felder werden alle von afrikanischen Arbeitern bewirtschaftet und von ausländischen Investoren beaufsichtigt.
Das Ergebnis ist, dass die Anzahl der Flächenumwandlungen in die Höhe geschnellt ist, entweder von intakten Wäldern oder kleinen Bauernhöfen mit Waldfläche, zu einheitlichen Reihen chemisch behandelter Nutzpflanzen, die für Export und Konsum gedacht sind. Diese Veränderung wird durch den unstillbaren Hunger nach Palmöl und anderen Rohstoffen in den asiatischen Ländern, die sich in Hochkonjunktur befinden, und auch durch das industrialisierte Nordamerika und Europa vorangetrieben.
Afrika ist durch schwache Zentralregierungen, korrupte staatliche, regionale und kommunale Beamte und eine Arbeiterschaft, die wegen des Versprechens höherer Löhne die traditionelle Landwirtschaft abschaffen will, gelähmt und befindet sich an einem Scheideweg. Eine neue, plantagenartige Agrarwirtschaft wird immer mehr Gang und Gäbe in Teilen Zentral- und Westafrikas, Regionen, die für ihre weitreichenden Waldgebiete und Hauptlebensräume für einige der weltweit letzten Großaffen bekannt sind. Die gleiche Entwicklung findet auch in Indonesien statt.
Was wir verlieren könnten
Afrika ist das Zuhause dreier bekannter und beliebter Großaffenarten: Gorillas, Schimpansen und Bonobos. Von diesen drei sind die Gorillas am meisten gefährdet.
Weltweit gibt es heute zwei Gorillaarten: Der Westliche Gorilla (Gorilla gorilla), mit dem westlichen Flachlandgorilla (Gorilla gorilla gorilla) und dem Cross-River-Gorilla (Gorilla gorilla diehli) als Unterarten, und der Östliche Gorilla (Gorilla beringei) mit seinen eigenen Unterarten dem Berggorilla (Gorilla beringei beringei) und dem Östlichen Flachlandgorilla (Gorilla beringei graueri).
Auf der Roten Liste der Internationalen Union für die Erhaltung der Natur (IUCN) auf der gefährdete Pflanzen und Tiere gelistet sind, wird der Westliche Gorilla als vom Aussterben bedroht geführt, da die Population in Angola, Kamerun, der zentralafrikanischen Republik, dem Kongo, Äquatorialguinea, Gabun und Nigeria innerhalb von nur drei Generationen um 80 Prozent geschrumpft ist. In der Demokratischen Republik Kongo sind die Westlichen Gorillas bereits ausgestorben.
Die größte Bedrohung für diese Tiere stellt im Moment die Wilderei für den Buschfleischhandel oder den Wildtierhandel dar, ebenso wie der Ebolavirus, der diese Großaffen in ungeheuren Zahlen tötet. Wilderei und Ebola haben seit den 1980er Jahren extrem zugenommen, als Straßen tief in den Naturwald getrieben wurden, um die mechanische Abholzung, hauptsächlich für den Export, zu erleichtern. Diese Straßen für die Abholzung haben die Lebensräume entweder fragmentiert oder weite Gebiete verwüstet und die Gorillas vielen Störungen ausgesetzt, einschließlich der kommerziellen Jagd und / oder dem Lebendfang, dem Ausbruch von Krankheiten (manchmal auf Grund dessen, dass sie ansteckenden menschlichen Krankheiten ausgesetzt waren), und dem Verlust von Lebensraum und Futtermitteln, was ein unvermeidlicher Nebeneffekt der Förderindustrien ist.
Der Ebola Virus wird als harmlos eingestuft, wenn Fledermäuse davon betroffen sind, doch wenn Primaten infiziert sind, dann findet die Ansteckung auch unter den verschiedenen Spezies statt und infiziert Menschen, Gorillas und Schimpansen rasant. In einem Bericht der IUCN heißt es, dass bei drei verschiedenen Ausbrüchen an zwei unterschiedlichen Studienzentren individuell bekannte soziale Gruppen mit mehr als 600 Gorillas beobachtet wurden. Bei allen drei Ausbrüchen starben 95 Prozent der bekannten Individuen. Dies sind verheerende Zahlen, die einen bei weitem höheren Prozentsatz aufzeigen, als bei Menschen, die der gleichen Krankheit ausgesetzt sind.
Die zwei Unterarten des Östlichen Gorillas, in Ruanda, Uganda und der Demokratischen Republik Kongo, sind vor allem durch die sehr dichte menschliche Bevölkerung rund um ihre Hauptlebensräume bedroht. Die IUCN listet die Bedrohungen auf und dies beinhaltet: “Übergriffe durch die Miliz, Zerstörung des Lebensraumes für Feuerholz und Ackerland, illegale Weidewirtschaft, illegale Holzentnahme, und illegale Jagd, einschließlich Fallen, die für andere Säugetiere wie zum Beispiel Antilopen gelegt wurden und Gorillas verletzen oder töten können.” Allein in 2004 wurden 15 Quadratkilometer (3707 Acker) Gorilla-Lebensraum abgeholzt und in Farmland umgewandelt und die Holzentnahme steigt seit kurzem stark an, um illegal Holzkohle zu produzieren. Auch die Wilderei ist auf Grund des illegalen Tierhandels und der Nachfrage nach Buschfleisch wieder aufgelebt.
Dies sind alles Fälle von direktem Eingriff (Wilderei und Gefangennahme) oder Lebensraumverlust (Umwandlung für kommerzielle Agrarwirtschaft) in einer der Regionen, in der die menschliche Bevölkerung schneller wächst als in den meisten anderen Gebieten der Welt.
Subsistenzlandwirtschaft trifft auf globale Agrarindustrie
Wie in den meisten vorindustriellen Gesellschaften haben die Bauern in Afrika traditionell schmale Landstücke von circa einem Hektar (etwas weniger als 2,5 Acker) bearbeitet. Europäer haben bei der Kolonisierung ausdehnungsfähige Landwirtschaftstechniken mitgebracht die nicht dazu gedacht sind, Ortsansässige mit Essen zu versorgen, sondern ausländische Investoren durch internationalen Handel zu bereichern – ein politisch-ökonomisches Beispiel, das in Belgisch-Kongo brutal umgesetzt wurde und in Joseph Conrads Herz der Finsternis gnadenlos aufgezeigt wird.
Auf Grund des Zusammenbruchs des Imperialismus Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts und der Unabhängigkeit der afrikanischen Staaten wurden viele Plantagen, die ausländischen Investoren gehörten von der neuen Regierung zentralisiert oder unter örtlichen Bauern aufgeteilt und wieder für den Anbau in kleinem Maßstab verwendet.
Die Unabhängigkeit hat oft dafür gesorgt, dass ethnische und religiöse Feindseligkeiten wieder auflebten, die vom Kolonialismus unterdrückt worden waren. Sporadische Bürgerkriege, der Mangel an Infrastruktur und die anhaltende Korruption in der Regierung behinderten alle in einem gewissen Grad die Einführung einer nachhaltigen, wissenschaftlich verwalteten Agrarwirtschaft in den meisten Gebieten in Afrika.
Diese Probleme und agrarwirtschaftlichen Muster halten heute nach wie vor an, da Ernteerträge und Fortschritte in der landwirtschaftlichen Technik immer noch stagnieren, obwohl mehr Land in großangelegte Plantagen verwandelt wird. Somit kommt die Bedrohung für Wälder – und somit die letzten Überreste der Lebensräume der Großaffen – von zwei Seiten: von antiquierten Farmtechniken wie Brandrodung und globaler Agrarwirtschaft, die der armen Landbevölkerung, die von der besonnen Nutzung begrenzter Ressourcen abhängig sind, keine großen Vorteile bringen.
Eine interdisziplinäre Studie der Universität Cambridge und der Arcus Stiftung, State of the Apes 2015: Industrial Agriculture and Ape Conservation (dt. Lage der Affen 2015: Industrielle Agrarwirtschaft und Erhaltung der Affen) stellt mit Beunruhigung fest, dass “eine vor kurzem durchgeführte Analyse gezeigt hat, dass seit 2005 bis zu 227 000 Quadratkilometer (87 645 Quadratmeilen), ein Gebiet fast so groß wie Ghana, in Schwarzafrika [für Agrarwirtschaft und Forstkonzessionen] erworben wurde. Großflächige agrarwirtschaftliche Projekte machen circa 85 Prozent dieses Gebietes aus, und der Rest ist Forstwirtschaft.” Dies stellt eine haarsträubend hohe Übertragung von Grundstücksrechten von ortsansässigen Kleinbauern an die globale Agrarindustrie dar, und dies bringt die Auferlegung von ausländischen Verbrauchernachfragen mit sich, die bestimmen, wie der afrikanische Boden genutzt wird. Laut dem Bericht “waren Ölpflanzen, einschließlich Rizinus, Palmöl, Sesam und Sonnenblumen kommerziell am interessantesten und machten mehr als 60 Prozent der erworbenen Landfläche aus, die auf dem afrikanischen Kontinent seit 2005 erworben wurde.”
Gleichzeitig ” waren die Investitionen der Agrarwirtschaft in die traditionellen afrikanischen sogenannten Cash Crops wie Kakao, Kaffee, Tee, Tabak und Baumwolle vergleichsweise niedrig.” Die Daten zeigen deutlich, dass der Kolonialismus unter einem anderen Namen – nennen wir es Finanzmarktkapitalismus – wahrscheinlich viel schlimmer für die Lebensräume der Großaffen ist, als das langsame Wachstum der Subsistenzlandwirtschaft über Jahrhunderte hinweg.
In einem Interview mit Mongabay zeichnete Maria Belenky, eine der Hauptwissenschaftlerinnen die am State of the Apes Bericht beteiligt war, und eine der Senior Partnerinnen von Klimaberatern, ein schonungloses Bild der noch verbleibenden Lebensräume der Affen, welche kurz vor einer tiefgreifenden Veränderung stehen. Sie unterstrich, dass es absolut notwendig ist, schneller als die Entwicklung der industriellen Agrarwirtschaft in Afrika zu sein, indem vernünftige Richtlinien und nachhaltige Standards eingeführt werden, bevor die Kettensägen eintreffen, die den Weg für Plantagen frei räumen – dies geschieht in gewissem Maße in den westafrikanischen Ländern Kamerun und Gabun.