Palmenflughunde (Eidolon helvum) im Zoologischen Garten Berlin. Diese Art, so wie andere fruchtfressende Fledermäuse kommen in den von Ebola betroffenen Gebieten vor und waren möglicherweise Überträger des Virus. Photo von: Fritz Geller-Grimm//Creative Commons 2.5.
Laut eines neuen Berichts der wissenschaftlichen Fachzeitschrift Environment and Planning A war der Ausbruch des Ebolavirus in Westafrika das Ergebnis von vielschichtiger wirtschafts- und landwirtschaftspolitischer Entscheidungen der Behörden in Guinea und Liberia. Bei der Analyse wirtschaftlicher Aktivitäten rund um Dörfer in denen Ebola zum ersten Mal auftrat, fiel ein Wandel der Landnutzung in Guineas Waldregion auf. Insbesondere eine Erhöhung im Ölpalmenanbau wurde festgestellt.
Die Wissenschaftler führen diesen Wandel auf Maßnahmen der Regierung zurück, die „neoliberale Strukturanpassungen“ beworben hatte, um die inländische Produktion dem globalen Markt zu öffnen. Mit der so genannten „Palmöl-Hypothese“ schlussfolgern die Wissenschaftler, dass Ebola aufgrund eines Anstiegs von Palmölplantagen von der Umwelt auf den Menschen übersprungen ist.
Die Landwirtschaft in der Region war geprägt vom Kaffee-, Kakao- und Kolanuss-Anbau, so wie der Brandrodung. Bei dieser Art der Landwirtschaft wird zunächst Mais und Reis angebaut, im zweiten Jahr folgen Maniok und Erdnüsse. Diese Methode der Agroforstwirstschaft änderte sich jedoch kürzlich mit der Einführung verbesserter Palmölproduktionen. Anfang des Jahres 2007 begann die guineische Regierung Palmöl zu exportieren und plante die Produktion bis 2015 auf bis zu 84.000 Tonnen zu erhöhen. Die Hälfte dieser Produktionsmenge sollte von Plantagen in den Wäldern Guineas stammen.
Der Landnutzen in der Nähe von Gueckedou, Guinea. Die Landschaft ist ein Mosaik mit Dörfern, die mit dichter Vegetation und verstreuten Palmölanlagen (rot) und Teilen von Wäldern umgeben ist. Räumlicher Maßstab von Gueckedous Norden (oben). Feinere Skala von Meliandous Westen (untere Bildergruppe). |
Laut den Wissenschaftlern leitete der guineische Palmöl- und Kautschukkonzern, ein im Jahr 1987 gegründetes staatliches Unternehmen, die Bemühungen Palmen-Hybriden zu züchten um die Exporte zu erhöhen. Eine Palmöl-Mühle, von der Europäischen Investitionsbank finanziert, ermöglichte es dem Konzern seine Produktionsmenge zu vervierfachen. Die neue Mühle veränderte die handwerkliche Palmölgewinnung, die das Land bis 2010 ausgemacht hatte. Um die erhöhte Mühlenkapazität zu ermöglichen, wurden einheimische Grundbesitzer ihres Landes beraubt und gewaltsam von der Polizei vertrieben. Bauern, die früher Kaffee, Kakao und Kolanüsse anbauten, bevorzugen nun, aufgrund größerer Erträge und Gewinne, den Anbau von Ölpalm-Hybriden.
Laut den Wissenschaftlern konnten ähnliche Veränderungen in der Forstwirtschaft und Industrialisierung vor Generationen in Guineas Nachbarland Liberia beobachtet werden. Im Jahr 1926 begann das Land mit einer Firestone-Kautschukplantage, was den Grundstein für die Politik der offenen Tür in den 1950er Jahren darstellte. In der Nachkriegszeit öffneten sich Liberias Türen für ausländische Investoren aufgrund von neoliberalischen Ideologien. Diese Entscheidung sorgte für einen Anstieg des Bergbau- und Landwirtschaftssektors. Zuletzt wendete sich Liberia zur Palmölproduktion hin, ähnlich wie in Guinea.
„Neben einer langen nationalen Tradition der Lohnarbeit, internationaler Abholzung und Bergbau, beteiligen sich seit kurzem auch wirtschafts-industrielle Firmen, einschließlich der Palmölkonzerne Sime Darby (Malaysia), Equatorial Palm Oil (Großbritannien) und Golden Veroleum (Indonesien) an einer großräumigen Landenteignung, die etwa ein Drittel der Landfläche ausmacht,“ so die Wissenschaftler
Die Palmöl-Hypothese
Das erste Opfer des Ebola-Ausbruches in Westafrika („Patient Null“ im epidemiologischen Jargon) war ein zwei-jähriger Junge und seine Schwester aus Gueckedou, einer Stadt in Guinea mit 20.000 Einwohnern. Während man sich jedoch mit Patient Null beschäftigt hat, wurde, laut der Studie, ein wichtiger Punkt übersehen. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass Ebola jahrelang im Umlauf gewesen sei und dass die Präsenz des Virus der lokalen Bevölkerung wahrscheinlich bewusst war. Andere Studien, die hierzu betrachtet wurden, zeigen, dass bereits fünf Jahre zuvor nachweislich Antikörper bei Bewohnern Sierra Leones vorhanden waren, die den Stamm des Zaire-Ebolavirus aufwiesen. Weitere Analysen ergaben, dass der Virus möglicherweise schon vor einem Jahrzehnt Westafrika erreicht hat.
Das Land rund um Gueckedou, also „Ground Zero“, umfasste Inseln von monokultureller Palmplantagen. Weiterhin wurde festgestellt, dass das Land ein Mosaik darstelle, mit den örtlichen Dörfern, die mit dichter Vegetation und verstreuten Obstbaumplantagen umgeben war. Diese Umgebung sei auch eine geeignete Umgebung für fruchtfressende Fledermäuse (Pteropodidae), der wesentliche Überträger von Ebola. Man geht davon aus, dass fruchtfressende Fledermäuse (auch bekannt als fliegende Füchse) höchstwahrscheinlich die Ursache für den Ausbruch der Ebola-Epidemie sind.
Fledermäuse werden für die Überträger von Ebola gehalten. Ohne selber vom Virus beeinträchtigt zu werden, geben sie den Virus an andere Tiere weiter. Durch den Konsum des Wildfleisches werden Menschen angesteckt. Zur Verfügung gestellt von Centers for Disease Control (CDC). Klicken zum Vergrößern.
Palmen bieten Fledermäusen einen begehrenswerten Lebensraum und dies aus drei Gründen: die Fledermäuse fressen die Palmfrüchte, sie finden Schutz vor der Sonne unter den dicken Palmblättern; und die Pfade, die durch die monokulturelle Palmölplantagen entstehen erlauben, laut den Autoren, ein leichtes Fortbewegen zwischen Schlaf- und Futtergebieten“ für die Fledermäuse.
Während rund um Gueckedou die Palmen ganzjährig geerntet werden können, erfolgt die größte Ernte mit Beginn der Trockenzeit. Laut den Autoren war dies auch der Beginn der Epidemie. Einige Wochen vorher hätten eine große Anzahl von Fledermäusen in Obstbäumen und Palmen ihren Schlafplatz gefunden, einer der Hinweise, der die Theorie unterstütze.
Auf der Suche nach der Ebola-Verbindung zwischen fruchtfressenden Fledermäusen und Menschen wiesen die Wissenschaftler darauf hin, dass die Standarderklärung des Fleischverzehrs (der Glauben, dass sich der Ebolavirus aufgrund des Verzehres von Wildfleisches, vor allem Fledermäuse und Affen, verbreitet hat) nicht den kompletten Umfang der Ebola-Übertragung von seinen natürlichen Wirten auf den Menschen erfasst. Stattdessen wird angenommen, dass Abholzung, zusammen mit dem Anbau von Palmölplantagen, die Nahrungssuche der fruchtfressenden Fledermäuse geändert hat. Nachdem sie ihre natürliche Lebensräume und Futterplätze verloren haben, werden die fliegenden Füchse abhängiger davon, Gartenfrüchte zu fressen und erweitern dadurch die Schnittstellen zwischen Fledermäusen, Menschen und Viehbestand. In Bangladesch beispielsweise übertragen fruchtfressende Fledermäuse den Nipah-Erreger auf den Menschen, indem sie auf die angebauten Palmölfrüchte urinieren.
Palmölplantage in Kamerun. Malaysia und Indoesien sind die größten Palmölproduzenten, mittlerweile wird die Pflanze aber auch verstärkt in Afrika angebaut, was zu einer erhöhten Abholzung führt. Photo von: Marco Schmidt/Creative Commons 2.5.
Durch den Gebrauch eines mathematischen Modells verglichen die Autoren den Ebola-Ausbruch in Westafrika mit dem Aufkommen von Kinderlähmung in England und Wales der Nachkriegszeit. Kinderlähmung war das Ergebnis des steigenden Wohlstands der Bevölkerung und die steigende Anzahl privater Kraftfahrzeuge. Im Falle von Ebola könnte das Mehrwertnetzwerk, das durch die Expansion der Palmölproduktion entstanden ist und die dadurch einhergehende Störung der Landwirtschaftspraktiken (die als Barrieren gegen den Virus gedient haben könnten) dazu geführt haben, dass das Virus von seinen natürlichen Wirten auf die menschliche Bevölkerung gewandert ist.
In dem Versuch die Palmölproduktion zu kommerzialisieren, scheinen die Wälder Guineas „die Temperatur des Ökosystems“ soweit reduziert zu haben, dass Ebola nicht mehr zu „entkeimen“ und kontrollieren war. Dieses abgebaute Ökosystem könnte die Übertragung des Ebolaviruses von seinen natürlichen Wirten auf den Menschen möglich gemacht haben. Ob dieses induktive Modell den Ebola-Ausbruch in Westafrika erklärt, muss laut Studie geprüft werden, vor allem da Guineas Landwirtschaftssektor sehr komplex ist.
Quelle:
- Wallace, R. G., Gilbert, M., Wallace, R., Pittiglio, C., Mattioli, R., & Kock, R. (2014). Did Ebola emerge in West Africa by a policy-driven phase change in agroecology? Ebola’s social context. Environment and Planning A, 46, 11, 2533-2542.
Emmanuel K. Urey, Landkommission Liberia und Absolvent des Nelson Instituts, University of Wisconsin-Madison.