Mohrenkaiman (Melanosuchus niger) mit einer Fliege in der Nähe seines Auges in einem toten Flussarm im Yasuní-Nationalpark. Foto: Jeremy Hance
Die Yasuni-ITT-Initiative ist bereits auf die verschiedensten Weisen beschrieben worden: als umstritten, revolutionär oder bahnbrechend, als ökologische Erpressung oder als beste Chance, Ölkonzerne aus dem Yasuní-Nationalpark in Ecuador fernzuhalten. Doch nun, nach zahlreichen Höhen und Tiefen, kann das Projekt erste Erfolge verzeichnen: Der britischen Zeitung „The Guardian“ zufolge hat die Yasuni-ITT-Initiative 300 Millionen Dollar aufgebracht. Dies entspricht acht Prozent der Gesamtsumme, die notwendig ist, um die Idee vollständig zu finanzieren.
Diese Initiative, die die erste ihrer Art ist, sieht vor, dass rund 850 Millionen Barrel Erdöl im Yasuní-Nationalpark nicht gefördert werden sollen, wenn internationale Geldgeber das Land Ecuador mit 3,6 Milliarden Dollar für die Hälfte des entgangenen Umsatzes entschädigen. Mit diesem Geld könnten Ölkonzerne vom Feld Ishpingo-Tambococha-Tiputinin (ITT), das eine Fläche von 200.000 Hektar umfasst, ferngehalten werden. Die Summe soll jedoch nicht direkt an die ecuadorianische Regierung ausbezahlt werden, sondern in einen Entwicklungsfonds der Vereinten Nationen fließen, mit dem Projekte zur Förderung erneuerbarer Energien, Naturschutzinitiativen, Wiederaufforstungsprogramme sowie Initiativen zur Förderung der sozialen Entwicklung finanziert werden sollen. Die Einbindung des UN-Entwicklungsfonds stellt eine zusätzliche Sicherheit dafür dar, dass das Erdöl bei ausreichender Finanzierung auch wirklich im Boden belassen wird.
Obwohl die bislang aufgebrachten 300 Millionen Dollar noch weit entfernt von der geforderten Gesamtsumme sind, kann die Yasuni-ITT-Initiative seit dem letzten Jahr, als viele dem Projekt ein baldiges Scheitern prognostiziert hatten, beträchtliche Fortschritte vermelden. Ecuador hat der Initiative eine Frist von 13 Jahren gesetzt, um die Gesamtsumme zu beschaffen.
Befürworter der Yasuni-ITT-Initiative meinen, dass auf diese Weise eines der artenreichsten Gebiete der Welt erhalten, die Freisetzung von geschätzten 410 Millionen Tonnen CO2 in die Erdatmosphäre verhindert und indigene Völker in diesem Reservat geschützt werden können. Die Initiative könnte dabei helfen, gleich mehreren der ökologischen Krisen der Welt entgegenzuwirken: dem Massenaussterben von Arten, der Abholzung der Regenwälder und dem Klimawandel. Kritiker sind jedoch der Ansicht, dass dieses Projekt nicht viel mehr als eine Erpressung seitens der ecuadorianischen Regierung sei, da die Ölförderung in einem Schutzgebiet wie dem Yasuní-Nationalpark gar nicht erst stattfinden sollte. Ecuador ist jedoch nicht das einzige Land, das versucht, aus seinen Nationalparks Profit zu schlagen. Weltweit beschließen immer mehr Länder, ihre Naturschutzgebiete für die Förderung fossiler Brennstoffe, den Bergbau, die Abholzung der Wälder und den Plantagenanbau freizugeben.
Wenn die Yasuni-ITT-Initiative Erfolg hat, dann könnte sie großen Einfluss auf die Maßnahmen haben, die verschiedene Länder in Zukunft im Kampf gegen den Klimawandel und den Rückgang der biologischen Vielfalt ergreifen werden. Die Internationale Energieagentur (IEA) hat beispielsweise vor kurzem darauf hingewiesen, dass zwei Drittel der fossilen Brennstoffreserven der Erde im Boden bleiben müssen, wenn gefährliche Klimaveränderungen vermieden werden sollen. Es mag heute noch weit hergeholt erscheinen, Länder für die Nichtförderung ihrer fossilen Brennstoffvorkommen zu bezahlen. Durch die immer deutlicher werdenden Folgen des Klimawandels könnte dies jedoch zu einer alltäglichen Vorgehensweise werden.
Der Yasuní-Nationalpark zählt zu jenen Regionen, die die artenreichsten der Welt sein könnten. Letztes Jahr erklärten Wissenschaftler den Yasuní-Nationalpark zur artenreichsten Region der westlichen Hemisphäre, zumindest basierend auf Daten über die dort lebenden Vögel, Säugetiere, Amphibien und Pflanzen. Auf einem einzigen Hektar Regenwald in Yasuní wurden 655 verschiedene Baumarten nachgewiesen – mehr als auf der gesamten Fläche der Vereinigten Staaten von Amerika und Kanadas.
Die Yasuni-ITT-Initiative wird von einer langen Liste bekannter Persönlichkeiten unterstützt, unter denen sich UNO-Generalsekretär Ban Ki-Moon, der Schriftsteller und Ökologe Michael Tobias sowie die Schauspieler Leonardo DiCaprio und Edward Norton befinden. Letzterer ist auch UNO-Botschafter für Artenvielfalt.
Morphofalter im Yasuní-Nationalpark. Foto: Jeremy Hance
Nahaufnahme eines wilden Flachlandtapir-Weibchens (Tapirus terrestris), das von einem indigenen Stamm aufgezogen wurde, nachdem seine Mutter auf der Jagd getötet worden war. Von Zeit zu Zeit sucht es immer noch Menschen auf. Foto: Jeremy Hance
Marmorreiher (Tigrisoma lineatum) im Yasuní-Nationalpark im ecuadorianischen Amazonasgebiet. Foto: Jeremy Hance
Einheimischer Führer im Yasuní-Nationalpark, der eine Kröte mit dem Namen Rhinella dapsilis mit einem Blatt aufhebt. Foto: Jeremy Hance
Luftaufnahme des Yasuní-Nationalparks. Achten Sie auf den Baum mit gelben Blüten in der Mitte des Bildes. Foto: Jeremy Hance