Eine Studie zeigt, wie sich die Abholzung der Regenwälder auf die Niederschläge auswirkt.
Die Abholzung der Regenwälder im brasilianischen Amazonasgebiet |
Eine neue Studie, die in der Zeitschrift „Nature“ veröffentlicht wurde, zeigt, dass die Rodung der Regenwälder zu einem dramatischen Rückgang der Niederschlagsmengen im Amazonasgebiet führen könnte.
Unter Verwendung eines Computermodells zur Berechnung der Waldfläche und der Niederschlagsverteilung schätzen Dominick Spracklen von der Universität Leeds und seine Kollegen, dass die Niederschlagsmengen im Amazonasbecken aufgrund der Abholzung großer Regenwaldflächen bis 2050 um 12 Prozent während der Regenzeit und um 21 Prozent in der Trockenzeit sinken könnten. Lokale Veränderungen könnten sogar noch dramatischer ausfallen. Ähnliche Auswirkungen könnte auch die Rodung der Regenwälder im Kongo haben.
Diese Veränderung wäre vor allem auf die Störung des Wasserkreislaufs des Regenwaldes zurückzuführen. Bei Regen nehmen die Bäume Wasser auf und geben die Feuchtigkeit anschließend in einem als Evapotranspiration bezeichneten Vorgang wieder an die Luft ab. Diese Feuchtigkeit fällt erneut als Regen zu Boden. Wenn Waldflächen gerodet werden, wird dieser Kreislauf gestört, und ein größerer Anteil des Wasser fließt sofort in Flüsse ab, wodurch weniger Feuchtigkeit verdunstet und sich weniger Regenwolken bilden können.
Die Funktionsweise dieses Kreislaufs ist seit langem bekannt, doch mit der aktuellen Studie wurde unter Verwendung neu verfügbarer Daten der NASA der Versuch unternommen, die daraus resultierenden Auswirkungen auf ein größeres Waldgebiet zu errechnen.
Regen über dem Amazonas in Kolumbien. Foto: Rhett A. Butler |
„Wir untersuchten, was mit den Luftmassen in den vorangegangenen Tagen geschehen war – woher sie kamen und wie viel Wald sie überquert hatten“, erklärte Spracklen in einer Stellungnahme. „Unsere Studie legt nahe, dass die Abholzung der Regenwälder in Amazonien und im Kongo schwerwiegende Folgen für Menschen haben könnte, die tausende Kilometer entfernt leben“.“
Andere Forschungsarbeiten lassen darauf schließen, dass bis zu 70 Prozent des Bruttoinlandsproduktes Südamerikas in Gebieten erwirtschaftet werden, die vom Regenwald mit Niederschlag oder Oberflächenwasser versorgt werden.
„Der Amazonas-Regenwald verursacht Niederschläge in landwirtschaftlich wichtigen Gebieten im Süden Brasiliens. Ebenso würde der Erhalt der Wälder im Kongobecken die Niederschlagsmengen in Teilen Südafrikas erhöhen, deren Landwirtschaftssektor auf Regen angewiesen ist. Ein Rückgang der Regenfälle würde verheerende Folgen für die Einwohner dieser Gebiete haben, die meist ihre eigenen Nahrungsmittel anbauen.“
Diese Ergebnisse allein ergeben jedoch kein gesamtes Bild, zumindest nicht für Amazonien. Andere Klimamodelle lassen vermuten, dass ein Temperaturanstieg im tropischen Atlantik einen Rückgang der Niederschläge im südlichen Amazonasgebiet zur Folge haben könnte, was die Konsequenzen der Dürre in der Region noch verschlimmern würde.
„Regionale Klimaveränderungen könnten dazu führen, dass aufgrund der Trockenheit mehr Bäume absterben. Dadurch würde die im Regenwald gespeicherte Kohlenstoffmenge freigesetzt, das Risiko für Waldbrände erhöht und die biologische Vielfalt reduziert werden“, warnte Luiz Aragao von der Universität Exeter in einem Kommentar, der ebenfalls in „Nature“ veröffentlicht wurde. „Solche Veränderungen könnten eine direkte Bedrohung für die Landwirtschaft, die in Amazonien pro Jahr Erträge im Wert von 15 Milliarden Dollar erzielt, und die Wasserkraftindustrie, die 65 Prozent des Stroms für Brasilien erzeugt, darstellen. Aus diesem Grund sollte die Gesellschaft sofort Maßnahmen ergreifen, um die Abholzung der tropischen Regenwälder zu stoppen und zukünftige Umweltprobleme zu verhindern.“
Es gibt Anzeichen, dass die Gesellschaft – oder zumindest die brasilianische Gesellschaft – auf diese Bedrohung reagiert. Die Abholzung des Regenwaldes im brasilianischen Amazonasgebiet ist im Vergleich zur Entwaldungsrate zwischen 1997 und 2002, die als Basis für die Studie herangezogen wurde, um etwa 60 Prozent zurückgegangen. Damals wurden pro Jahr noch 17.600 Quadratkilometer Wald gerodet, während es zwischen 2009 und 2011 nur 7.000 Quadratkilometer waren. Sollte sich der Trend fortsetzen, könnte die Entwaldung weitaus geringer ausfallen als von Spracklen und Kollegen angenommen wurde.
Dennoch gibt es Grund zur Sorge. Ende August beschloss der brasilianische Kongress die Änderung des Forstgesetzes, das festlegt, wie viel Wald ein Landbesitzer roden darf. Umweltschützer befürchten nun, dass das geänderte Forstgesetz eine neue Zeit der Rodungen einleiten und die bisher erreichten Fortschritte zur Rettung des amazonischen Regenwaldes wieder zunichte machen könnte.
Die Auswirkungen der Entwaldung auf die Niederschläge in den Tropen. (a) Ein Teil der Niederschläge in tropischen Regenwäldern entsteht durch Wasserdampf, der an anderen Orten in die Atmosphäre aufsteigt und zum Regenwald transportiert wird. Aber ein weiterer beträchtlicher Bestandteil ist „recycelter“ Regen – Wasser, das die Bäume dem Boden entziehen und an die Luft abgeben. Dieser Prozess wird als Evapotranspiration bezeichnet. Wasser verlässt den Regenwald entweder in Flüssen und Bächen oder als Wasserdampf, der von Luftströmungen weggetragen wird. Die Menge des Wasserdampfes, die durch Luftströmungen in den Wald gelangt, wird durch das in Flüsse oder in Form von Wasserdampf abgegebene Wasser ausgeglichen. (b) Die Forschungsergebnisse von Spracklen und Kollegen legen nahe, dass die Abholzung der Regenwälder zu einem Rückgang der Evapotranspiration führt, wodurch der soeben beschriebene Kreislauf gestört wird. Dies hat eine Verringerung des von der Luft aus dem Wald wegtransportierten Wasserdampfes zur Folge, was zu einem Rückgang der Regenfälle in jenen Gebieten führt, in die dieser Wasserdampf normalerweise gelangt. Durch den Rückgang der Evapotranspiration könnte auch die Wassermenge steigen, die in Flüsse abfließt, wodurch deren Pegelstände ansteigen könnten. Bild und Bildunterschrift mit freundlicher Genehmigung von Nature |
QUELLEN:
Luiz Aragão (2012). Environmental science: The rainforest’s water pump. Nature 05 September 2012 doi:10.1038/nature11485
D. V. Spracklen, S. R. Arnold & C. M. Taylor (2012). Observations of increased tropical rainfall preceded by air passage over forests. Nature 05 September 2012 doi:10.1038/nature11390