Durch die globale Erwärmung könnte es für Vogelkundler bald weniger zu beobachten geben. Klimawandel in Verbindung mit Entwaldung könnte laut der neuen Studie, die in der Zeitschrift Biological Conservation veröffentlicht wurde, vor Ende dieses Jahrhunderts zum Aussterben von 100 bis 2’500 tropischen Vogelarten führen. Diese grosse Spannbreite hängt vom Ausmass des Klimawandels ab und davon, wie viel Lebensraum verloren geht. Doch Forscher sind der Meinung, dass die wahrscheinlichste Spannbreite zwischen 600 und 900 Arten liegt. Dies bedeutet, dass ungefähr 10 bis 14 % der tropischen Vögel aussterben werden, davon ausgenommen sind die Zugvogelarten.
„Vögel sind die perfekten „Kanarienvögel im Kohlenbergwerk“ – es ist schwierig, diese Metapher zu vermeiden – und zeigen die Auswirkungen der globalen Klimaerwärmung auf die Ökosysteme der Welt und die Menschen auf, die von diesen Ökosystemen abhängig sind“, sagt der Hauptautor und namhafte Ornithologe Çağan Şekercioğlu von der Universität Utah. „Im Vergleich zu den Arten in den gemässigten Zonen, die während des Jahres oft grossen Temperaturunterschieden ausgesetzt sind, passen sich tropische Arten, besonders diejenigen, die ausschliesslich in tropischen Regenwäldern mit gleich bleibendem Klima leben, meist weniger gut an rasche Klimaveränderungen an.“
![]() Der Quetzal (siehe Foto) im Hochland von Costa Rica ist einer der Hauptleidtragenden der Abwanderung des Regenbogentukans in höher gelegene Lebensräume aufgrund des wärmeren Klimas. Der Lebensraum des Quetzals in den Bergwäldern wird zudem trockener. Der Quetzal wurde von den Mayas und Azteken als „Gott des Windes“ verehrt und ist bei Vogelbeobachtern, die Costa Rica besuchen, der begehrteste Vogel. Foto von: Çağan Şekercioğlu. |
Şekercioğlu und seine Kollegen gelangten zu dieser Schätzung, indem sie 200 wissenschaftliche Studien zum Thema tropische Vögel und Klimawandel untersuchten. Ihre Schätzung deckt sich mit früheren Schätzungen in Bezug auf die sinkende Vogelanzahl in Verbindung mit der Erderwärmung.
Bei den Vögeln, die am empfindlichsten auf den Klimawandel reagieren, handelt es sich um Hochgebirgsarten, denen buchstäblich der Lebensraum ausgehen könnte, und um Arten, die bereits auf kleine Gebiete beschränkt sind. Eine Zunahme von extremen Wetterereignissen, wie Trockenperioden und Stürme, könnten auch einige Arten gefährden. Die zunehmende Intensität der Hurrikane, auch wenn ihre Häufigkeit abnimmt, könnte die Küstenvögel bedrohen, während anhaltende Trockenperioden die Futtersuche in der Brutzeit beeinträchtigen könnten. Der Amazonas war in den letzten 7 Jahren bereits von zwei Rekord-Dürreperioden betroffen, was viele Wissenschaftler um die Regenerationskapazität des Ökosystems angesichts des Klimawandels fürchten lässt.
Krankheiten können auch ein Problem darstellen. Es wird befürchtet, dass sich Malaria in höhere Lagen und Breiten ausbreiten und möglicherweise einige tropische Vogelarten gefährden könnte. Steigende Meeresspiegel könnten ein Problem für Küsten- und Inselvögel darstellen.
„ Nicht alle Auswirkungen des Klimawandels sind negativ und einige Arten können von Temperaturveränderungen und Veränderungen des Niederschlagsregimes profitieren“, sagt Şekercioğlu. Der Regenbogentukan (Ramphastos sulfuratus) konnte seinen Lebensraum beispielsweise dank des Klimawandels auf grössere Höhen ausweiten. Eine andere Art hat dadurch jedoch Lebensraum an verloren: der Quetzal (Pharomachrus mocinno), ein Vogel, der in grösseren Höhen lebt, wird vom Tukan bedroht, weil ihm dieser die Nisthöhlen streitig macht und seinen Eiern und seinen Jungtieren nachstellt. Der plötzliche Konkurrenzkampf zwischen dem Regenbogentukan und dem Quetzal zeigt, dass der Klimawandel von gewissen Arten auf unerwartete Weise seinen Tribut fordert.
Obwohl sich eine wärmere Welt auf einige Arten positiv auswirken kann, meint Şekercioğlu: „Es werden nicht viele Arten vom Klimawandel profitieren.“ Das Endresultat wird eine bedeutende Abnahme der Biodiversität bei Vögeln sein.
Bis jetzt hat sich das globale Klima seit der Industriellen Revolution um ungefähr 0,8 °C erwärmt. Obwohl die Regierungen verschiedenster Länder versprachen, die Erwärmung auf weniger als 2 °C zu begrenzen, verfehlen die derzeitigen Versprechungen bezüglich der Emissionsreduktionen dieses Ziel bei weitem. Doch laut Forschern kann ein Temperaturanstieg von einem einzigen Grad Celsius dazu führen, dass weitere 100 bis 500 tropische Vogelarten aussterben.
Wissenschaftler rufen zu mehr Forschung und zu einer besseren Überwachung der tropischen Vögel auf. Zudem sollten Schutzgebiete geschaffen oder bestehende Schutzgebiete vergrössert werden, um Lebensraumlücken für einzelne Vogelarten zu füllen, und heruntergewirtschaftetes Land sollte renaturiert werden. Die Umsiedlung einiger Arten könnte ebenfalls notwendig werden.
„Solche Anstrengungen stellen jedoch nur eine kurzfristige Abhilfe dar, wenn es uns nicht gelingt, einen umfassenden Wandel in der Gesellschaft einzuleiten, um den Konsum zu reduzieren, die Treibhausgasemissionen zu kontrollieren und den Klimawandel zu stoppen“, schreiben die Autoren. „Andernfalls werden wir mit der Aussicht auf ein aus der Kontrolle geratenes Klima konfrontiert, das nicht nur zu grossem menschlichen Leid führen, sondern auch das Aussterben von zahllosen Organismen verursachen wird, unter denen die tropischen Vögel nur einen kleinen Bruchteil darstellen.“