Am frühen Sonntagmorgen unterzeichneten mehr als 190 Länder der Welt auf der 17. UN Framework Convention on Climate Change (UNFCCC) in Durban, Südafrika, ein neues Klima-Abkommen. Der Gipfel hätte eigentlich am Freitag enden sollen, aber Marathonverhandlungen zwangen die Regierungsvertreter dazu, bis spät in die Nacht zu arbeiten und etwa 36 Überstunden zu machen. Das endgültige Abkommen des zweiwöchigen Klimagipfels fiel zwar besser aus als von vielen erwartet, ist aber immer noch weit von dem entfernt, was der Wissenschaft zufolge notwendig ist, um zu gewährleisten, dass die Welt keinen katastrophalen Klimawandel erleidet.
Während die Vereinten Nationen das Abkommen als Einlösung des Versprechens „morgen heute zu retten“ und als „historischen Durchbruch zur Rettung des Planeten“ feierten, sahen einige NRO das Abkommen als eine weitere Enttäuschung in einer langen Kette von Enttäuschungen hinsichtlich der Abschwächung des globalen Klimawandels.
„Dieser Plan ist eine leere Hülle und tut nichts dagegen, dass sich unser Planet mit rasender Geschwindigkeit auf einen katastrophalen Klimawandel zubewegt”, sagte Andy Atkins, der Geschäftsführer von Friends of the Earth.
Die meisten NRO waren jedoch zurückhaltender. „Dieses Abkommen ist viel besser als kein Abkommen”, sagte Ruth Davis, die leitende Politikberaterin von Greenpeace UK.
Was wurde beschlossen?
![]() Kentish Flats Windenergie in Groβbritannien. Um die Emissionen zu reduzieren, benötigen wir Wissenschaftlern zufolge eine schnelle Entwicklung sauberer Energiequellen wie Wind-, Solar- und Geothermalenergie. Foto von: Phil Hollman. |
Das Abkommen war weniger ein Vertrag als vielmehr ein „Fahrplan” für einen zukünftigen Vertrag. Laut dem finalen, zwei Seiten langen Entwurf muss bis 2015 ein legal bindendes Abkommen ausgearbeitet werden, das Reduktionen der Treibhausgasemissionen für alle Nationen beinhaltet. Die Reduktionen werden bis spätestens 2020 in Kraft treten. Das Abkommen von Durban rettete auch das Kyoto-Protokoll, da sich die EU und einige weitere Industrieländer für eine zweite Bindefrist festlegten.
Der gröβte Erfolg von Durban war die Zussage der weltweit gröβten Verschmutzer, der USA, China und Indien, ihre Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Tatsächlich wird das künftige Abkommen erstmals 100 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen abdecken. Aber der gröβte Haken des Entwurfs ist sein Zeitplan: die überwiegende Mehrheit der Nationen wird bis 2020 nicht legal gebunden sein, ihre Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Und das obwohl neuste wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass die Emissionen ihren Höhepunkt vor 2020 erreichen müssen und danach rapide abfallen müssen, falls die Nationen überhaupt eine Chance haben sollen, ihr Versprechen einzulösen, die Temperaturen davon abzuhalten, um mehr als 2̊ C zu steigen. Auβerdem gibt es immer noch eine signifikante Diskrepanz zwischen den aktuellen Emissionsversprechen, die vor zwei Jahren in Kopenhagen gemacht wurden (und nicht rechtskräftig sind) und dem, was nötig ist, um eine ernsthafte Überhitzung des Klimas zu verhindern.
In Durban wurde auch ein Green Climate Fund genehmigt, der bis spätestens 2020 jährlich $100 Milliarden für die ärmsten und Klima-gefährdetsten Nationen der Welt aufbringen wird. Wie das Geld jedoch aufgebracht werden soll, wird zu einem späteren Zeitpunkt entschieden werden, so dass ein weiteres Segment des Abkommens ungeklärt bleibt. Der Vorschlag, Geldmittel durch eine Besteuerung der Schifffahrt oder des Luftverkehrs zu beschaffen, wurde, hauptsächlich aufgrund des Widerstands der USA, nicht angenommen.
Es wurden kaum wichtige Entscheidungen getroffen hinsichtlich des Abholzungsprogramms der Vereinten Nationen, „Reducing Emissions from Degradation and Deforestation (REDD)“. REDD schlägt vor, Entwicklungsländer mit Kohlenstoffzahlungen zu entlohnen, wenn sie ihre Wälder erhalten. Das Ausbleiben von Fortschritten jedoch hat die groβflächige Umsetzung des Programms erneut um mehrere Jahre verzögert, was bedeutet, dass Wälder wahrscheinlich weiterhin rapide schwinden werden.
Eine der gröβten Auffälligkeiten, die Durban von früheren Zusammenkünften unterscheidet, war ein Bündnis von gleichgesinnten armen und reichen Nationen. Zweiundvierzig Staaten der Alliance of Small Island States (AOSIS) und 49 Staaten der Least Developed Countries (LDC) schlossen ein Bündnis mit der EU, um fortwährend Druck auf die langjährigen Verweigerer wie die USA, China, Kanada und Indien auszuüben, dem Fahrplan von Durban zuzustimmen. Man kann mit Sicherheit sagen, dass das Abkommen von Durban ohne das Bündnis zwischen der EU, der AOSIS und der LDC wesentlich verwässerter gewesen wäre.
Schlupflöcher und lustloser Ehrgeiz
Nichtsdestoweniger fürchten viele Betrachter, dass das Dokument, das letztendlich unterzeichnet wurde, bereits zu viele Schlupflöcher hat. Verhandlungen in letzter Minute konzentrierten sich auf die sprachlichen Details der rechtlichen Beschränkungen von zukünftigen Emissionensreduktionen. Indien weigerte sich gegen eine deutliche Ausdrucksweise und man einigte sich letztendlich auf schwächere rechtliche Formulierungen.
![]() Das Kohlekraftwerk Castle Gate in Utah. Fast die Hälfte der amerikanischen Elektrizität kommt von Kohle, dem kohlenstoffreichsten Energieträger. China und Indien sind inzwischen ebenfalls stark auf Kohleenergie angewiesen. Foto von: David Jolley. |
„Falls dieses Schlupfloch ausgenutzt würde, wäre das eine Katastrophe”, sagte Kumi Naidoo, der Geschäftsführer von Greenpeace International. Indien und China sind der Meinung, sie sollten nicht legal gebunden sein, ihre Treibhausgasemissionen zu reduzieren, bevor die Industrieländer nicht mehr tun. Obwohl sich ihr Argument auf Moral und Geschichte stützt, argumentiert das Bündnis von EU, AOSIS und LDC mit Nachdruck, dass alle Nationen bald mit der Reduktion der Emissionen anfangen müssen, falls überhaupt eine Chance bestehen soll, den Klimawandel zu entschärfen.
„Die Herausforderung besteht darin, dass wir die Verhandlungen auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner aller Beteilgten beginnen”, sagte Jennifer Haverkamp, die Leiterin des internationalen Klimaprogramms des Environmental Defense Fund. „Damit diese Bemühungen erfolgreich sind, müssen die Länder ihre Ziele hoch stecken und die Verhandlungen nicht lediglich als weiteres Mittel zur Verzögerung nutzen.“
Mehreren Nationen einschlieβlich der USA, China und Indien wurde während der Verhandlungen vorgeworfen, Maβnahmen gegen den Klimawandel zu verzögern. Derweil wurde Kanada scharf dafür kritisiert, nach Ende des Gipfes praktisch bestätigt zu haben, dass es aus dem Kyoto-Protokoll aussteigt. Kanada ist die einzige Nation der Welt, die das Kyoto-Protokoll unterzeichnet hat aber ihre Emissionsversprechen nicht gehalten hat.
Mit der Realität nicht Schritt halten
Der gröβte Kritikpunkt am Abkommen von Durban war, dass es als Reaktion auf die wachsende Realität des Klimawandels bei weitem nicht stark genug ist. Die Vereinten Nationen haben berichtet, dass die Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre ein neues Rekordhoch erreicht hat und dass die Emissionsraten des vergangenen Jahres die Schlimmstfall-Szenarien übertrafen. Neuen Forschungsergebnissen zufolge würde ein zehnjähriges Aufschieben der Emissionsreduktionen definitiv dazu führen, dass die Temperaturen um mehr als 2̊ C steigen. Sogar die International Energy Agency (IEA), die nicht gerade als Schwarzseher bekannt ist, verkündete kürzlich, dass der Welt fünf Jahre bleiben, um die Emissionen stark zu reduzieren oder andernfalls gefährlichem Klimawandel entgegenzublicken. Trotzdem bestehen Nationen wie die USA auf einem langsamen Weg zum nächsten Abkommen.
![]() Ein Junge des Turkana-Stamms. Der Stamm lebt in Nordkenia und kämpft gegen Dürren und Nahrungsmittelknappheit. Wissenschaftlern zufolge wird sich dies durch den Klimawandel stetig verschlimmern. Foto von: Rhett A. Butler. |
„Die Regierungen haben keines Falls adäquat auf die wachsende Bedrohung durch den Klimawandel reagiert. Die Entscheidungen, die hier gemacht wurden, ensprechen bei weitem nicht dem Nötigen. Es ist höchste Zeit, dass die Regierungen aufhören, auf die Bedürfnisse der Verschmutzerfirmen einzugehen und stattdessen damit anfangen, die Menschen zu schützen“, sagte Alden Meyer, der Vorsitzende für Strategie und Taktik von der Union of Concerned Scientists. „Falls wir bis 2020 nicht drastische Reduktionen einführen, erwartet uns ein Temperaturanstieg von 3-3.5̊ C. Und es gibt nichts, was darauf hinweist, dass dieses Abkommen, dies ändert.“
Die Auswirkungen des Klimawandels machen sich inzwischen überall auf der Welt bemerkbar. Das Meereis der Arktis hatte dieses Jahr das geringste Volumen und die zweit geringste Ausdehnung, die je verzeichnet wurden. Die Anzahl der Eisschelfe in der kanadischen Arktis hat sich in den letzten sechs Jahren halbiert. Im Kontext der zunehmenden Identifizierung von Klimawandel als Ursache extremer Wetterverhältnisse, ist zu konstatieren, dass sich dieses Jahr auch durch eine ungewöhnlich hohe Anzahl extremer Wetterereignisse auszeichnet. Eine zerstörerische Dürre führte zu einer Hungersnot in Ostafrika, die zehntausende Menschen das Leben kostete. In Asien und auf dem amerikanischen Kontinent gab es gewaltige Überschwemmungen. Thailand erlebte die schlimmste Naturkatastrophe seiner Geschichte. Die USA erlebte mit Schäden im Wert von 12 Milliarden Dollar ebenfalls ihr teuerstes schlechtwetterbedingtes Jahr, einschlieβlich einer anhaltenden Dürre und einer Hitzewelle in Texas.
„Wir können uns nicht immer wieder zu diesen jährlichen Verhandlungen treffen, um uns auf Ankommen zu einigen, die dermaβen weit hinter dem zurückbleiben, was die Wissenschaft, und nicht die Politik, fordert. Jedes Jahr im Dezember wächst die Diskrepanz zwischen den Verpflichtungen, die die Welt eingeht, und den Resultaten, die die Nationen erzielen sollten. Umgangssprachlich würde man heute sagen, dass wir die +Klimadose die Strasse entlang kicken”, sagte Ruth Davis, die leitende Politikberaterin von Greenpeace UK.