Mithilfe einer Fotofalle geschossenes Bild eines der letzten vietnamesischen Nashörner vor ihrem Aussterben. Bildrechte: WWF.
Im Jahr 2009 erschossen Wilderer das weltweit letzte vietnamesische Nashorn (Rhinoceros sondaicus annamiticus), eine Unterart des Java-Nashorns. Dies bestätigt ein Bericht der International Rhino Foundation (IRF) und des World Wide Fund for Nature (WWF). Das vietnamesische Nashorn war das letzte überlebende Java-Nashorn auf dem asiatischen Festland und nach dem Aussterben des indischen Java-Nashorns (Rhinoceros sondaicus inermis) die zweite Unterart, die verschwand. Das Java-Nashorn ist die am stärksten bedrohte Nashornart der Welt. Nur noch ungefähr 50 Tiere leben in einem einzigen Park auf der indonesischen Insel Java.
„Das letzte Java-Nashorn in Vietnam ist tot“, sagte Tran Thi Minh Hien, WWF-Chef der Sektion Vietnam, in einer Pressemitteilung. „Es tut weh, dass es trotz bedeutender Anstrengungen zum Schutz der vietnamesischen Nashorn-Population nicht möglich war, dieses einzigartige Tier zu retten. Vietnam hat einen Teil seines Naturerbes verloren.“
Zwischen 2009 und 2010 sammelten Wissenschaftler 22 Kotproben aus dem Nationalpark Cat Tien, dem letzten Ort, an dem sich die Unterart hatte halten können. Sie fanden jedoch heraus, dass alle Kotproben zu dem einzelnen Nashorn gehörten, das letztes Jahr Opfer von Wilderern geworden war. Damit schloss sich das Kapitel zum vietnamesischen Nashorn endgültig.
Eine Kugel, die im Bein des letzten vietnamesischen Nashorns der Welt gefunden wurde. Das Horn des Tieres wurde abgeschnitten, vermutlich für den Schwarzmarkt. Bildrechte: WWF. |
„Angesichts der hohen Erhebungsdichte in dem Gebiet, der Feldbeobachtungen und der Untersuchung der genetischen und bakteriellen Vielfalt können wir bestätigen, dass die vietnamesische Population und die Annamiticus-Unterart des Java-Nashorns ausgestorben ist“, steht im WWF-Bericht über das Aussterben der Unterart.
Anfangs wurde angenommen, dass das vietnamesische Nashorn, das einst den grössten Teil Südostasiens besiedelt hatte – von Vietnam über Thailand bis nach Malaysia – nach dem Vietnamkrieg durch die starke Zunahme von Waffen ausgestorben war. Doch eine einzelne Population des vietnamesischen Nashorns wurde 1988 wiederentdeckt, die allerdings nur noch 23 Jahre überlebte.
„Das Aussterben des Java-Nashorns in Vietnam ist ein bedeutender Misserfolg im Naturschutz. Als die Unterart 1988 wiederentdeckt wurde, wurde die Population auf 10-15 Tiere geschätzt (obwohl diese Schätzung vermutlich zu hoch gegriffen war) und es war noch hinreichend Lebensraum vorhanden“, steht in dem Bericht. „Wären die Nashörner und ihr Lebensraum geschützt worden, hätte man vielleicht durch ein intensives Mangement-Programm wie beim Panzernashorn (Rhinoceros unicornis ) und beim afrikanischen Nashorn eine Erholung der Population erreichen können.“
Der Bericht macht Wilderer für den endgültigen Untergang des Nashorns verantwortlich. Nashörner werden illegal wegen ihres Horns getötet, welches unter traditionelle Heilmittel gemahlen wird, die in Ostasien, vor allem in China und seit jüngster Zeit auch in Vietnam, verwendet werden.
„Das ist eine entsetzliche Tragödie und ein schrecklicher Verlust sowohl für die Gemeinschaft der Naturschützer als auch für unseren Planeten und spätere Generationen“, sagte Rhishja Larson, Gründerin von Saving Rhinos und Autorin des Blogs „Rhino Horn is NOT Medcine“, gegenüber mongabay.com. „Wenn der illegale Handel mit Wildtieren weiterhin in dieser Geschwindigkeit zunimmt, ist das Aussterben des Java-Nashorns in Vietnam ein tragischer Blick in die Zukunft vieler bedrohter Arten.“
Skelett des vermutlich weltweit letzten vietnamesischen Nashorns. Bildrechte: WWF |
Obwohl zahlreiche wissenschaftliche Studien zeigten, dass das Konsumieren von Rhinozeros-Horn, das wie Haare und Fingernägel grösstenteils aus Keratin besteht, keinerlei medizinischen Nutzen hat, hat die Nashorn-Wilderei kürzlich Spitzenwerte erreicht. In Südafrika allein wurden letztes Jahr 333 Nashörner getötet, um die Nachfrage des asiatischen Schwarzmarkts zu befriedigen.
Neben der Wilderei litt das vietnamesische Nashorn auch unter einem grossflächigen Verlust seines Lebensraums, dem Vordringen der Landwirtschaft und der Unfähigkeit Vietnams, die letzten Exemplare in einem seiner berühmtesten Nationalpärke zu schützen.
„Der Lebensraum der [Nashorn-]Population wurde wegen einer vielbenutzten Motorradstrasse, die Siedlungen innerhalb des Parks miteinander verband, auf nur 6’500 Hektar beschränkt“, steht in dem Bericht.
Laut Nick Cox, Manager des WWF-Artenschutzprogramms in der Erweiterten Mekong-Region, sind in den unter Naturschutz stehenden Regionen in Vietnam mehr Ranger, eine bessere Ausbildung und Überwachung sowie mehr Verantwortlichkeit nötig, um das Aussterben von anderen Arten in Vietnam zu verhindern.
Gemäss des Berichts sorgen Buschfleisch und traditionelle Heilmittel dafür, dass Grosssäuger immer rascher aus den verbleibenden Wäldern Vietnams verschwinden. „Asiatische Elefanten sind auf sehr kleine und isolierte Populationen im zentralen und südlichen Teil Vietnams zusammengeschrumpft und werden auch an diesen Orten noch gejagt. Die Tiger-Population in Vietnam wird auf weniger als 30 Tiere geschätzt, eine direkte Folge der Jagd für den Handel mit wildlebenden Tieren. Die Gaur-Population in Vietnam geht Berichten zufolge rapide zurück. Für den Banteng ist die Situation ähnlich: Er verschwand von vielen Orten, an denen er früher heimisch war.
Nahaufnahme eines vietnamesischen Nashorns. Bildrechte: WWF. |
Nun, da die vietnamesische Unterart ausgestorben ist, müssen sich die Schutzbemühungen ausschliesslich auf die Java-Nashorn-Population im Nationalpark Ujung Kulon richten, wo auf mit einer Fotofalle geschossenen Bildern Mütter mit Jungtieren zu sehen waren. Dies beweist, dass sich die dortige Population immer noch fortpflanzt. Es gibt keine Java-Nashörner in Gefangenschaft und Experten befürchten, dass eine Naturkatastrophe, insbesondere ein schwerer Vulkanausbruch, die Art komplett zum Untergang verurteilen könnte.
Java-Nashörner haben ein einziges Horn und Hautfalten, die denjenigen des Panzernashorns ähneln. Das vietnamesische Nashorn unterschied sich durch seine Grösse von seinem auf der Insel beheimateten Verwandten: Es war viel kleiner als die auf Java lebenden Nashörner.
In Asien und Afrika führten die gleichen Belastungen – Zerstörung des Lebensraums und Wilderei – irgendwann zu einer Gefährdung aller fünf auf der Erde lebenden Nashornarten. Drei der fünf Arten – das Spitzmaulnashorn, das Java-Nashorn und das Sumatra-Nashorn – stehen auf der Liste der vom Aussterben bedrohten Arten.
„Es gibt noch ungefähr 48 indonesische Java-Nashörner, vielleicht weniger als 250 Sumatra-Nashörner und nur noch sieben nördliche Breitmaulnashörner auf der Erde. Sieben! Wenn die Bemühungen zum Schutz der Nashörner weiterhin durch den Rhinozeros-Horn-Markt untergraben werden, könnte das Aussterben dieser Populationen kurz bevorstehen“, erklärt Larson. Dennoch würden sich laut Larson in jüngster Zeit Erfolge abzeichnen.
„Globale Anstrengungen, die Nachfrageseite anzusprechen und medizinische Mythen zum Rhinozeros-Horn aufzudecken, sind endlich im Zunehmen begriffen, besonders während des letzten Jahres. Diese Bereitschaft, Stellung zu beziehen, bedeutet, dass es Hoffnung für die Zukunft des Nashorns gibt.“
Vietnamesisches Nashorn. Bildrechte: WWF.
Vietnamesisches Nashorn. Bildrechte: WWF.