Das englischsprachige Original des folgenden Artikels erschien unter dem Titel Will Indonesia lose the next oil palm?, am 16. Mai 2011 in der Jakarta Post.
Indonesischer Regenwald in Borneo. Foto mit freundlicher Genehmigung von Rhett Butler, März 2011.
In den späten 1980er Jahren machten ForscherInnen tief im Regenwald des malaysischen Borneo eine unglaubliche Entdeckung: die Rinde einer speziellen Baumspezies des tropischen Torfwaldes enthält ein Sekret mit starker Anti-HIV Aktivität. Als die WissenschaftlerInnen jedoch an dieselbe Stelle zurückkehrten, um mehr Analysematerial zu sammeln, mussten sie mit Schrecken feststellen, dass der Baum mit all seinen Erfolgsaussichten verschwunden war.
Das Verschwinden des Baumes führte zu einer hektischen Suche nach weiteren Exemplaren. Schlussendlich wurde im Botanischen Garten in Singapur ein Exemplar gefunden, das vor 100 Jahren dorthin gebracht worden war. In darauffolgenden Studien wurde belegt, dass sein bioaktiver Bestandteil, Canalolid A, sehr wirkungsvoll in der Behandlung von HIV ist. Ein Anti-HIV Medikament, das aus diesem Bestandteil gewonnen wurde, wird nun bald in klinischen Versuchsreihen getestet. Das Medikament könnte pro Jahr hunderte Millionen Dollar wert sein und das Leben von Millionen Menschen verbessern.
Abholzung des Waldes in West Kalimantan im indonesischen Borneo |
Dieses Ereignis ist auch für Indonesien relevant, da im indonesischen Regenwald eine ähnliche Baumart vorkommt. Es wird vermutet, dass dort noch viele weitere wertvolle bislang unbekannte Pflanzenarten vorkommen. Sollten es Betriebe und EntscheidungsträgerInnen in Indonesien angesichts des biologischen Reichtums in Indonesien – Indonesien hat die größte Anzahl an Tier- und Pflanzenarten aller Länder auf diesem Planeten – nicht zur Priorität machen, die Regenwälder, Torflandschaften, Gebirge, Korallenriffe und Mangrovenökosysteme zu verstehen und zu schützen, anstatt sie zu zerstören, um Rohstoffe zu gewinnen? Warum können nicht indonesische ForscherInnen den Wert dieser Naturschätze erschließen und indonesische Betriebe daraus Handelsgüter machen?
Schließlich und endlich sind es nicht die Kohlegruben, die Akazienstoffplantagen oder die Ölpalmenanbaugebiete, die Indonesien einzigartig machen. Es sind vielmehr Indonesiens biologische Vielfalt und sein kulturelles Erbe – beide sind unersetzlich. Das ist besonders bedeutsam, da ökologischer und kultureller Reichtum in Indonesien schnell verschwinden. Sie sind Opfer eines westlichen Entwicklungsmodells, von dem vor allem die Elite vor Ort und ausländische Interessensträger profitieren, das jedoch traditionelles Ressourcenmanagement und die daraus entstehende Existenzgrundlage mit Füßen tritt. Natürlich bringt es kurzfristig Profit, mehr als tausend Jahre alte Regenwälder in Cash Crops umzuwandeln, doch was ist die langfristige Strategie? Was wird mit den Palmölpreisen passieren, wenn Brasilien sein Vorhaben wahrmacht, mehr als 5 Millionen Hektar an Palmölplantagen auf unbewaldetem Land zu etablieren? Werden die attraktivsten Märkte Palmöl diskriminieren, das auf eine Art und Weise angebaut wird, die zu sozialen Konflikten und Umweltzerstörung führt?
Abholzung des Regenwaldes in Kalimantan und Sumatra |
Die Märkte verändern sich schon. Es wird immer offensichtlicher, dass vor allem im Westen, aber auch in Brasilien konsumentInnenorientierte Betriebe nicht mit sozialen Konflikten und der Abholzung des Regenwaldes in Verbindung gebracht werden wollen. Das gefährdet den Ruf großer Firmen. Indonesiens größter Palmölproduzent, PT SMART, verlor beispielsweise Aufträge in Millionendollarhöhe von Unilever, Kraft und Nestle, nachdem er mit Entwaldung und Zerstörung von Torflandschaften in Verbindung gebracht wurde. Der Betrieb verfolgt seitdem eine neue Strategie und gehört nun zu denjenigen in Indonesien, die die Zerstörung von Torflandschaften und Regenwäldern verbieten und freie, vorherige und informierte Zusage der örtlichen Gemeinschaften fordern.
These shifts are also happening outside of Indonesia. In Brazil, soy producers and cattle ranchers — who account for the vast majority of deforestation in the Brazilian Amazon — have recently implemented safeguards after protests from some of their largest customers. Brazil’s cattle industry — the largest in the world — was brought to its knees virtually overnight when Walmart, Nike, and Adidas said they didn’t want their leather and beef tainted by deforestation and labor abuses. Maybe it shouldn’t come as a surprise that Brazil has been able to grow its economy while cutting deforestation — since 2004 Brazil’s annual deforestation rate in the Amazon has fallen 80 percent while its per capita GDP has surged nearly 40 percent.
Abholzung des Regenwaldes in West Kalimatan im indonesischen Borneo. |
Darüber hinaus beginnen Regierungen nun damit, Gesetze zu verabschieden, die mit den Trends in der Privatwirtschaft einhergehen. Die Vereinigten Staaten und Europa haben den Lacey Act und FLEG-T erweitert, um gegen Bauholz-, Papier- und andere Holzprodukte vorzugehen, die illegal produziert wurden. Diese Vorschriften führen keine neuen Beschränkungen gegen Holzproduktion in tropischen Regionen ein; sie verpflichten die USA und europäische Länder lediglich zur Einhaltung der Gesetze der Produktionsländer. Holz, das in Indonesien illegal geschlägert wurde, darf also in den Vereinigten Staaten nicht legal weiterverkauft werden.
Trotz dieser Entwicklungen hat Indonesien noch kein offizielles Moratorium auf Abholzungslizenzen verhängt. Warum die Verzögerung? Ganz einfach, die mächtigen Interessensgruppen, die schon lange von dem System profitieren und sich auf Kosten der meisten IndonesierInnen bereichern, kämpfen dafür, den Status quo aufrechtzuerhalten. Manche legen zwar Lippenbekenntnisse zum Moratorium ab, hinter verschlossenen Türen wird aber ‚business as usual‘ betrieben. Manche gingen sogar so weit, ausländische BeraterInnen wie Alan Oxley von der World Growth International anzuheuern, um zweifelhafte Berichte zusammenzubasteln, die ein westliches (nicht indonesisches) Entwicklungsmodell befürworten, das hauptsächlich auf einem nicht nachhaltigen Ressourcenabbau basiert und vor allem großen Firmen zu Gute kommt, anstatt der Regierung Einkünfte zu bescheren oder die Leben der indonesischen BürgerInnen zu verbessern.
Wir kennen die Behauptungen: die Einführung des Moratoriums wird pro Jahr für den Verlust von 3.5 Millionen Arbeitsplätzen sorgen und die Zahl der Menschen, die in Armut leben, wird um Millionen ansteigen. Hat sich aber eigentlich irgendjemand die Daten genau angesehen? Der indonesische Holzsektor schafft nicht einmal annähernd 3.5 Millionen neue Arbeitsplätze pro Jahr. Im Jahr 2010 entstanden in der gesamten indonesischen Industrie 2.5 Millionen neue Arbeitsplätze und die Holzindustrie macht laut Regierungsdaten weniger als 6 Prozent der Gesamtindustrie aus. Im Laufe der Entwicklung und Modernisierung der indonesischen Wirtschaft wird die Holzindustrie einen immer geringer werdenden Stellenwert für das Wirtschaftswachstum einnehmen. Stattdessen werden Wissen und Dienstleistungen das Wirtschaftswachstum vorantreiben. Das Moratorium zielt außerdem darauf ab, die Produktivität auf dem existierenden Nutzland zu erhöhen sowie unbenutzte Flächen wieder zu nutzen.
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Der REDD+ (Reducing Emissions from Deforestation and Degradation – Reduktion von Emissionen aus Entwaldung und Schädigung von Wäldern) Mechanismus bietet der indonesischen Regierung und den Gemeinden Geld dafür, durch eine Reduktion der Zerstörung von Wäldern und Forstlandschaften die Emissionen zu senken. Der Mechanismus hat Schwachstellen, bietet aber eine gute Gelegenheit, das alte Modell zu beenden, das die indonesische Kultur und biologische Vielfalt zerstört. Er bietet die Chance, die Dinge zu erhalten, die Indonesien einzigartig machen, und gleichzeitig die Leben aller IndonesierInnen zu verbessern. Eine bessere Verwaltung der Waldressourcen durch das Miteinbeziehen der Gemeinden vor Ort und Instandsetzung des Landes wird Indonesien dabei helfen, auf neuen Märkten für Ökosystemdienstleistungen erfolgreich zu sein. Indonesische Betriebe sollten bei diesem Übergang eine Vorreiterrolle einnehmen: Betriebe, die Umweltverantwortung und gute Beziehungen zur Bevölkerung vor Ort aufweisen – nicht Billigproduzenten von Massengütern – können es nicht erwarten, eine globale Führungsrolle einzunehmen.
Wir sollten auch nicht vergessen, was Mutter Natur Indonesien mitgibt. Nach Angaben der Economics of Ecosystems and Biodiversity, einer von der EU geförderten Forschungsinitiative, sind 100 Millionen IndonesierInnen auf Ökosystemdienstleistungen angewiesen, wenn es um Dinge wie Nahrung, saubere Luft und sauberes Wasser, Wohnen und Treibstoff geht. Ökosystemdienstleistungen machen 2 Prozent des indonesischen BIPs aus – mehr als der ganze Holzsektor – und 75 Prozent des BIPs der armen ländlichen Bevölkerung und stellen somit ein wichtigeres Mittel zur Milderung der Armut dar, als Plantagenlandwirtschaft und Holzindustrie zusammen.
Auch biologische Vielfalt hat ihren Wert. Die Ölpalme ist schließlich ein Produkt der biologischen Vielfalt der Regenwälder – sie stammt ursprünglich aus den Regenwäldern Westafrikas. Wird großflächige Abholzung dazu führen, dass die nächste potenzielle Ölpalme oder das nächste Medikament zur Behandlung von HIV noch vor ihrer Entdeckung zerstört werden?
Wird sich Indonesien davon abwenden, was es einzigartig macht – sein reiches Kulturerbe und biologische Vielfalt – um ein westliches Entwicklungsmodell nachzuahmen, oder wird es daran teilhaben, ein neues weltweites Modell zu entwickeln, das Wohlstand mit Nachhaltigkeit verbindet?
Das muss Indonesien entscheiden.