Die Abholzung der Regenwälder nahe Gunung Palung im indonesischen Teil Borneos. Foto: Rhett A. Butler
Die Abholzung der Regenwälder, Ölunfälle, Versauerung der Meere – dies sind nur einige Beispiele für aktuelle und gut erforschte Umweltveränderungen, die die Artenvielfalt auf der Erde gefährden. Aber welche Probleme wird die Zukunft bringen? Ende 2010 haben Experten in der Zeitschrift Trends in Ecology & Evolution 15 Themen zusammengestellt, die die Umweltschutzbemühungen dieses Jahr und darüber hinaus beeinflussen könnten, aber noch weitgehend unbekannt sind. Vielleicht wird über diese Themen in Zukunft nie wieder gesprochen werden, doch möglicherweise werden einige von ihnen schon morgen die Umweltnachrichten beherrschen.
„Unser Ziel war es, technologische Fortschritte, Umweltveränderungen, neue ökologische Zusammenwirkungen und Veränderungen in der Gesellschaft zu identifizieren, die […] sowohl positive als auch negative Auswirkungen auf den Erhalt der Artenvielfalt haben könnten“, schreiben die Autoren. Ursprünglich stellten die Experten 71 Themen zusammen, die sie schließlich auf die 15 wichtigsten und am wenigsten bekannten reduzierten.
Diese Faktoren könnten ein Problem darstellen oder auch nicht. Was sollte die Gesellschaft also im Hinblick darauf tun?
„Wir glauben, dass jeder dieser Faktoren wichtig genug ist, um neue Forschung, politische Überlegungen und in einigen Fällen kosteneffiziente Präventivmaßnahmen zur Vermeidung unerwünschter Ereignisse und zur Förderung erwünschter Entwicklungen zu generieren“, schließen die Autoren.
DIE UMWELTFRAGEN
Luftaufnahme einer Shrimp Farm auf Java, Indonesien. Forscher meinen, dass das Zusammenwirken verschiedener Einflussfaktoren die Ozeane für immer verändern wird. Foto: Rhett A. Butler |
Saurer Regen durch Stickstoffemissionen: Salpetersäureregen, der durch Stickstoffemissionen von Düngemitteln und Fahrzeugen verursacht wird, gefährdet bekanntlich Wildtierarten, unter anderem wichtige Fischpopulationen. Stickstoffemissionen sind jedoch nicht gesetzlich reguliert, und das gesamte Ausmaß ihrer Folgen ist noch nicht bekannt.
Leugnen des Artensterbens: Forscher halten es für möglich, dass ähnlich wie im Falle des Leugnens des Klimawandels (v.a. in den USA), auch Menschen an den wissenschaftlichen Beweisen für das weltweite Artensterben zu zweifeln beginnen werden. Dieses Nicht-wahrhaben-Wollen könnte die Gesellschaft daran hindern, das Artensterben zu stoppen und Ökosysteme zu erhalten.
Ungewissheit über neue Klimaschutzabkommen: Da nächstes Jahr das Kyoto-Protokoll ausläuft und noch kein neues Abkommen ausgehandelt worden ist, ist nicht geklärt, welche Rolle der Naturschutz sowohl in weltweiten als auch in lokalen Klimaschutzmaßnahmen spielen wird. Initiativen zum Schutz der Wälder und anderer Ökosysteme aufgrund ihrer Fähigkeit zur Kohlenstoffbindung stecken zum Beispiel noch in ihren Kinderschuhen.
Steigender Milchkonsum in Asien: Die durch den steigenden Milchkonsum in Asien, vor allem in China, angekurbelte Milchwirtschaft könnte Auswirkungen auf die Umwelt haben. Diese sind unter anderem die Abholzung von Wäldern, um Platz für den Futtermittelanbau zu schaffen, Treibhausgasemissionen durch die Rinderhaltung und Wasserprobleme.
Unkontrollierte Ausbreitung von Regenwürmern: Obwohl die Verbreitung von Regenwürmern harmlos erscheint, ist sie es keineswegs. Europäische Regenwürmer sind kürzlich in die borealen Wälder Nordamerikas vorgedrungen, die bisher nicht zum Verbreitungsgebiet dieser Tiere gezählt haben. Da sie den Waldboden verändern, könnten diese europäischen Eindringlinge Auswirkungen auf das gesamte Ökosystem, von Salamandern bis hin zu Bäumen, haben.
Gentechnische Veränderungen an Moskitos: Um Krankheiten übertragende Moskitos auszurotten, versuchen Wissenschaftler, die Gene dieser Insekten zu verändern. Allerdings ist nicht geklärt, welche (positiven oder negativen) Auswirkungen dies auf die Artenvielfalt haben wird, da nur wenig über die Rolle von Moskitos im biologischen Gleichgewicht bekannt ist. Werden insektenfressende Tiere den Verlust bestimmter Moskitoarten zu spüren bekommen? Helfen gefährliche Krankheiten dabei, die Populationen anderer Arten zu regulieren?
Larven der manchmal tödlichen Gelbfiebermücke (Aedes Aegyptii), die als Überträger von Denguefieber, Gelbfieber und Chikungunyafieber bekannt ist. Wissenschaftler versuchen, diese Art durch gentechnische Veränderungen auszurotten. |
Treibhausgase: Stickstofftrifluorid und Sulfuryldifluorid: Stickstofftrifluorid, ein Nebenprodukt der Herstellung von Plasmabildschirmen, und Sulfuryldifluorid, ein Schädlingsbekämpfungsmittel zum Schutz der Ernte, sind zwei immer häufiger auftretende und extrem starke Treibhausgase. Sulfuryldifluorid ist 4.780 Mal stärker als Kohlendioxid, Stickstofftrifluorid ist sogar 17.000 Mal stärker, bezogen auf einen Zeitraum von 100 Jahren.
Hydraulic Fracturing: Hydraulic Fracturing, das auch unter dem Namen “Fracing” bekannt ist, ist eine Methode zur Förderung von Erdgas aus Schiefergestein, doch seine Auswirkungen auf die Umwelt sind enorm. Extremer Wasserverbrauch, Infrastruktur auf ansonsten unbebautem Land, Umweltverschmutzung durch giftige Substanzen, unter anderem bekannte Karzinogene, könnten verheerende Auswirkungen sowohl auf die Artenvielfalt als auch auf die menschliche Bevölkerung haben. Diese Methode findet in den USA immer größere Verbreitung, wo sie nicht durch die EPA, die dortige Umweltschutzbehörde, reguliert wird.
Lithiumabbau: Die wachsende Nachfrage nach Lithium, das für die Herstellung von wiederaufladbaren Batterien z.B. für Elektroautos benötigt wird, hat zu einem Boom im Abbau dieses seltenen Minerals geführt. Lithium wird aus meist seichten Salzseen in den Anden gewonnen. Es ist jedoch nur wenig über die Auswirkung des Lithiumabbaus auf die Umwelt bekannt.
Die Zähmung der Ozeane: Die Menschen greifen immer häufiger auf die Ozeane zurück, sei es zur Nahrungsmittelproduktion (Fischerei und Aquakultur), zur Energiegewinnung, zum Abbau von Bodenschätzen oder zur Begrenzung des Klimawandels. Die jetzt schon überfischten und verschmutzten Meere werden mit einem stetigen Anstieg neuer und alter Belastungen konfrontiert. All diese Einflüsse zusammengenommen könnten das Ökosystem der Ozeane komplett auf den Kopf stellen. Gewissermaßen wird damit einer der letzten wilden Orte der Welt gezähmt.
Perfluorverbindungen: Perfluorverbindungen entstehen in der Fertigungsindustrie und sind endokrine Disruptoren. Diese Substanzen sind bereits im Gewebe von Fischen, Vögeln und Meeressäugetieren nachgewiesen worden. Bei Menschen können sie zu Schilddrüsenerkrankungen führen. Darüber hinaus ist jedoch nur wenig über ihre Auswirkungen bekannt.
Steigende Produktivität in der Arktis: Wegen des Klimawandels schmilzt das Eis im Arktischen Meer, wodurch sich die Produktivität dieser Region erhöht. Ein Anstieg sowohl der Biomasse als auch der Kohlenstoffbindung wird die Nahrungskette der Meere jedoch in nicht vorhersehbarer Weise beeinflussen.
Rinderpest: Sollte die Rinderpest, die vor Kurzem ausgerottet wurde, wieder ausbrechen, so könnte dies verheerende Folgen für Huftiere, Menschen und die Landwirtschaft haben. Der letzten Rinderpestpandemie in den 1890er-Jahren fielen 90 Prozent der wilden Büffel Kenias zum Opfer.
Ausschnitt eines Bildes aus dem 18. Jahrhundert, das einen Rinderpestausbruch in den Niederlanden zeigt. Bild: Jacobus Eussen. |
Steigender CO2-Ausstoß der Erdoberfläche: Forschung zeigt, dass die Erde weltweit pro Jahr um 20-30 Prozent mehr Kohlendioxid freisetzt als zuvor. Die Ursache dafür sind wahrscheinlich die aufgrund des Klimawandels steigenden Temperaturen. Es muss jedoch erst ermittelt werden, ob diese Emissionen von den Wurzeln von Pflanzen oder von Mikroben herrühren. Abhängig davon könnte dies Auswirkungen auf die weltweiten
CO2-Emissionen und somit auf die biologische Vielfalt haben.
Verschwinden der Nationalparks: Eine neue Studie weist auf den Besorgnis erregenden Trend hin, Naturschutzgebiete herabzustufen, zu verkleinern oder aufzulösen. Aufgrund des steigenden Drucks, den Landwirtschaft, Bergbau und wachsende Bevölkerungszahlen ausüben, wird die Bedrohung von Nationalparks noch weiter ansteigen. Weltweit überlegen Regierungen momentan, den Schutz ihrer Nationalparks für wirtschaftliche Zwecke zu verringern.
Für genauere Informationen über diese Themen: Horizon scan of global conservation issues for 2011.
Zitiert aus: William J. Sutherland, Sarah Bardsley, Leon Bennun, MickClout, Isabelle M. Côté, Michael H. Depledge, Lynn V. Dicks, Andrew P. Dobson, Liz Fellman,
Erica Fleishman, David W. Gibbons, Andrew J. Impey, John H. Lawton, Fiona Lickorish, David B. Lindenmayer, Thomas E. Lovejoy, Ralph Mac Nally, Jane Madgwick,
Lloyd S. Peck, Jules Pretty, Stephanie V. Prior, Kent H. Redford, Jörn P.W. Scharlemann, Mark Spalding, and Andrew R. Watkinson. Horizon scan of global
conservation issues for 2011. Trends in Ecology & Evolution. Volume, 26, Issue 1. January 2011. Pages 10-16. doi:10.1016/j.tree.2010.11.002.